Schwedens Nato-Antrag nimmt wichtige Hürde - Erdogan wieder am Zug
Nach der Zustimmung des türkischen Parlaments zum schwedischen Nato-Beitritt richten sich erneut alle Blicke auf Präsident Recep Tayyip Erdogan.
Nach der Zustimmung des türkischen Parlaments zum schwedischen Nato-Beitritt richten sich erneut alle Blicke auf Präsident Recep Tayyip Erdogan.
Nach der Entscheidung des Parlaments in Ankara liegt es nun an ihm, die türkische Ratifizierung des sogenannten Beitrittsprotokolls mit seiner Unterschrift abzuschliessen. Von der zweiten grossen Unbekannten auf Schwedens steinigem Weg in die Nato - dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban - kamen am Mittwoch überraschend positive Signale.
Schweden ringt seit 20 Monaten darum, die nötigen Ratifizierungen aller Nato-Staaten zusammenzubekommen, um wie sein nordischer Nachbar Finnland in das Bündnis aufgenommen zu werden. 29 der 31 Alliierten haben dafür längst ihre Zustimmung gegeben, nur die Türkei und Ungarn nicht.
Ankara hatte das in erster Linie damit begründet, dass Schweden aus türkischer Sicht unzureichend gegen «Terrororganisationen» vorgehe. Budapest hatte Anstoss an schwedischen Aussagen zu Rechtsstaatlichkeit und Korruption im Land genommen.
Wichtiger Schritt - nicht mehr und nicht weniger
Nun ist zumindest eine wichtige Hürde aus dem Weg geräumt: Das türkische Parlament stimmte am Dienstagabend mit breiter Mehrheit für Schwedens Nato-Aufnahme. Doch trotz der anderthalb Jahre andauernden Querelen fiel der Jubel in Stockholm verhalten aus.
Schweden sei der Nato-Mitgliedschaft «einen Schritt näher» gekommen, erklärte Ministerpräsident Ulf Kristersson. Aussenminister Tobias Billström mahnte, dass es für Erdogan nun keinen Grund mehr zum Warten gebe.
Warum die Abstimmung gerade jetzt auf die Tagesordnung des Parlaments gesetzt wurde, ist unklar. Mögliche Zugeständnisse in Verhandlungen über Rüstungsgeschäfte könnten hinter den Kulissen eine Rolle gespielt haben - öffentlich verkündet wurde in dieser Hinsicht aber bislang nichts.
Erdogan hatte die Zustimmung seines Landes unter anderem an Kampfjetlieferungen aus den USA geknüpft, für die es bislang aber nicht die notwendige Zustimmung des US-Kongresses gibt. Im März 2024 stehen türkeiweit Kommunalwahlen an. Ein Abschluss des Deals davor könnte Erdogan und seiner Partei in die Karten spielen.
Die grosse Unbekannte 1: Wann unterschreibt Erdogan?
Der Zwist um die türkische Zustimmung hat den politischen Charakter von Erdogan klar zur Schau gestellt. Er manövriert im Zickzack-Kurs durch Verhandlungen und unterhält währenddessen trotz des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine weiter gute Beziehungen zum Kreml.
Immer wieder nahm er beim Thema Schweden Zusagen zurück oder fügte Vereinbarungen neue Forderungen wie etwa nach der Lieferung der Kampfflugzeuge vom Typ F-16 hinzu.
Auch darum dürfte man die Zustimmung der Türkei bei der Nato erst als besiegelt betrachten, wenn das Beitrittsprotokoll unterschrieben und übergeben wurde. Erdogan äusserte sich bislang nicht dazu, wie sein Zeitplan dazu aussieht.
Im Brüsseler Nato-Hauptquartier wird gehofft, dass der schwedische Beitritt bei einem Verteidigungsministertreffen am 15. Februar besiegelt werden kann. Wie zuletzt bei Finnland würde es dann vermutlich auch eine feierliche Zeremonie geben, bei der die schwedische Flagge vor der Nato-Zentrale gehisst werden würde.
Öffentlich planen will das vorerst allerdings niemand - zu oft hatte es in den vergangenen Monaten schon vergeblich die Hoffnung auf einen Abschluss des Aufnahmeverfahrens gegeben.
Die grosse Unbekannte 2: Was macht Ungarn?
Die grosse Willkommensfeier für die Schweden könnte auch ein weiterer Mann platzen lassen, der in der Vergangenheit immer wieder seinen Eigenwillen bewiesen hat: Ungarns Ministerpräsident Orban.
Orban und seine Anhänger haben eine ganze Reihe von Gründen für ihre Anti-Schweden-Haltung gefunden. Kristersson werfen sie immer noch vor, 2022 bei einem EU-Gipfel für eine Sperrung von EU-Geldern für Ungarn gestimmt und 2019 den Ausschluss ihrer Partei Fidesz aus der europäischen Parteienfamilie EVP beantragt zu haben.
Zugleich hatte Ungarn stets beteuert, nicht als letztes Land ratifizieren zu wollen. In genau diese Situation würde Orban aber geraten, sollte Erdogan zeitnah unterschreiben.
Nach einem Telefonat mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bekräftigte Orban am Mittwoch in überraschend deutlichen Worten, dass seine Regierung Schwedens Nato-Mitgliedschaft unterstütze.
Man werde das ungarische Parlament weiterhin dazu drängen, für Schwedens Nato-Beitritt zu stimmen und die Ratifizierung «bei der ersten möglichen Gelegenheit» abzuschliessen, erklärte Orban auf der Online-Plattform X. Forderungen vom Vortag nach «Verhandlungen» mit Kristersson wiederholte er dabei nicht.
Wann genau eine Abstimmung in Budapest stattfinden könnte, ging aus Orbans Angaben nicht hervor. Normalerweise würde die nächste Sitzungsperiode des ungarischen Parlaments am 27. Februar beginnen. Ob es für die Ratifizierung des schwedischen Beitritts vorher eine ausserplanmässige Sondersitzung geben könnte, blieb unklar.