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Angriff auf Majorzsystem trotz Wahlerfolg

Die Überraschungen des Tages wurden im allgemeinen Trubel um die Regierungsratswahlen mit der erneuten Schlappe von SVP-Mann Heinz Brand fast etwas übersehen: die im Vergleich zu 2010 hohe Wahlbeteiligung von rund 43 Prozent und die beträchtlichen Sitzverschiebungen im Grossen Rat.

Südostschweiz
19.05.14 - 09:30 Uhr

Von David Sieber, Chefredaktor

Die FDP, vor vier Jahren mit einem Plus von fünf Sitzen, verliert sechs Mandate, bleibt mit 32 Sitzen aber die stärkste Frak­tion.

Der Niedergang der CVP geht mit einem erneuten Minus von zwei Sitzen schleichend weiter. Mit 31 Sitzen ist sie aber noch immer vor der BDP positioniert, die ein Mandat dazugewinnt und neu auf 27 Sitze kommt. Deutlich gestärkt stehen die Polparteien SVP (plus vier auf acht Mandate) und SP (plus drei auf 15 Mandate) da.

Langsame Änderungen

Das zeigt: Auch mit dem Majorzsystem lassen sich Änderungen herbeiführen. Einfach langsamer und sanfter. Mit dem Proporzwahlrecht wäre der Absturz der FDP sehr viel steiler verlaufen, während die wählerstarke SVP noch deut­licher zugelegt hätte. Die SP hin­gegen hätte wohl nicht gross profitiert. Dies lässt das schwache Abschneiden von Regierungsrat Martin Jäger vermuten.

Ausgerechnet aus dieser Ecke wird nun aber das der Bundesverfassung widersprechende Majorzsystem vom politischen zum juristischen Thema gemacht. Rechtsanwalt und SP-Mitglied Andrea Bianchi und weitere Privatpersonen – darunter GLP-Präsident Christian Stricker – gelangen ans Verwaltungsgericht, wie am Wahlsonntag durchgesickert ist. Sie wollen erzwingen, dass der die wirklichen Kräfteverhältnisse viel besser widerspiegelnde Proporz eingeführt wird.

Gute Chancen

Wie Bundesgerichts-Urteile in ähnlichen ­Fällen zeigen, hat das Vorhaben ­gute Chancen. Dabei verzichtete es stets darauf, ein Wahlresultat zu kassieren. Dass die BDP auch weiterhin zwei Sitze im Regierungsrat stellt, ist weniger überraschend, als der erste Blick vermuten lässt. Es hängt ursächlich mit Heinz Brand zusammen. Dieser hatte sein Pulver – wie vor vier Jahren – schon früh verschossen.

Sein Wahlkampf war zwar intensiv, aber zu selten konfrontativ. Er verkehrte vorab mit seinesgleichen und nur selten mit jenen, die ihn auch noch hätten wählen sollen. Auch Jon Domenic Parolinis Glanzresultat ist teilweise Brand geschuldet. Alle, die dem SVP-Nationalrat die Einwanderungsinitiative übel nahmen, gaben dem Scuoler Gemeindepräsidenten ihre Stimme.

Die problemlose Wiederwahl von Barbara Janom Steiner, Mario Cavigelli und Christian Rathgeb zeigen zudem: Die Bündnerinnen und Bündner mögen es gerne harmonisch und berechenbar. Sie wollten sich nicht an einem Brand die Finger verbrennen.

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