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Amnesty: Zahl der Hinrichtungen steigt um 20 Prozent

Nach einem Rückgang im Corona-Jahr 2020 ist die Zahl der vollstreckten Todesurteile 2021 wieder stark angestiegen: Amnesty International dokumentierte mindestens 579 Hinrichtungen in 18 Staaten - verglichen mit dem Vorjahr war dies ein Anstieg um 20 Prozent.

Agentur
sda
24.05.22 - 03:23 Uhr
Politik
Hinrichtungsraum mit geöffneter Falltür in einem Gefängnis in der japanischen Hauptstadt Tokio. (Archivbild)
Hinrichtungsraum mit geöffneter Falltür in einem Gefängnis in der japanischen Hauptstadt Tokio. (Archivbild)
KEYSTONE/AP Justice Ministry

Verantwortlich dafür sei eine «kleine Gruppe unbelehrbarer Staaten», erklärte der Generalsekretär der Menschenrechtsorganisation in Deutschland, Markus N. Beeko. Unter anderem der Iran und Saudi-Arabien hätten die Exekutionen im vergangenen Jahr stark ausgeweitet.

Für den grössten Teil der weltweiten Hinrichtungen war laut dem Amnesty-Jahresbericht zur Todesstrafe 2021 der Iran verantwortlich, wo den Angaben zufolge mindestens 314 Menschen exekutiert wurden - nach 246 im Vorjahr. Dieser Anstieg ist laut Amnesty teilweise darauf zurückzuführen, dass die iranischen Behörden Drogendelikte vermehrt mit der Todesstrafe ahndeten. Hingerichtet wurden demnach auch drei Menschen, die zum Zeitpunkt der mutmasslichen Straftat noch minderjährig waren.

In Saudi-Arabien verdoppelte sich die Zahl der Hinrichtungen von 27 im Vorjahr auf 65 im Jahr 2021. Das «zutiefst mangelhafte Justizsystem» habe etwa den jungen Mustafa al-Darwisch zum Tode verurteilte, berichtete Amnesty. Der Angehörige der schiitischen Minderheit wurde beschuldigt, an einem gewalttätigen Protest gegen die Regierung teilgenommen zu haben. Im Juni wurde er hingerichtet - laut Amnesty nach einem «grob unfairen Gerichtsverfahren, in dem ein durch Folter erzwungenes 'Geständnis' als belastendes Material verwendet wurde».

China hält Zahlen unter Verschluss

Wie bereits in den Vorjahren sind in dem Amnesty-Bericht keine Angaben zu China, Nordkorea und Vietnam enthalten. «Die Regierungen dieser drei Staaten halten Angaben zur Todesstrafe unter Verschluss und behandeln sie als Staatsgeheimnis», erklärte Amnesty zur Begründung. Die Menschenrechtsorganisation geht aber davon aus, dass tausende Hinrichtungen in China und eine beträchtliche Zahl in Nordkorea und Vietnam vollstreckt wurden.

Auch die Zahl der neu verhängten Todesurteile stieg dem Bericht zufolge im Vergleich zum Vorjahr um fast 40 Prozent an: In 56 Staaten wurden demnach mindestens 2052 Menschen zum Tode verurteilt. Amnesty führt den Anstieg zum Teil auf die Lockerung der Corona-Massnahmen zurück, die die gerichtlichen Prozesse zuvor verlangsamt hatten. Besonders markant war die Zunahme an Todesurteilen demnach in Ägypten, Bangladesch, Indien, Myanmar und Pakistan. Ungeachtet des Anstiegs war die globale Gesamtzahl an Todesurteilen aber die zweitniedrigste seit 2016.

Amnesty sieht insgesamt eine Entwicklung hin zu einer weltweiten Abschaffung der Todesstrafe: Die Anzahl an Staaten, von denen bekannt ist, dass sie die Todesstrafe anwenden, blieb demnach das zweite Jahr in Folge auf dem niedrigsten Stand seit der ersten Datenerfassung von Amnesty im Jahr 1979. Kasachstan, Papua-Neuguinea und Sierra Leone brachten Gesetzesänderungen auf den Weg, die bis Anfang 2022 die Todesstrafe in diesen Ländern beendeten. Ghana, Malaysia und die Zentralafrikanische Republik unternahmen erste Schritte in diese Richtung.

Zwei Drittel aller Staaten ohne Hinrichtungen

In 144 Ländern - mehr als zwei Drittel aller Staaten - ist die Todesstrafe mittlerweile in Gesetz oder Praxis ausser Vollzug gesetzt. Der US-Bundesstaat Virginia schaffte dem Bericht zufolge als 23. Staat - und als erster Südstaat - die Todesstrafe ab. Zudem gab die US-Regierung im Juli bekannt, bis auf Weiteres alle Hinrichtungen auf Bundesebene auszusetzen. 2021 war daher seit 1988 das Jahr mit den wenigsten Exekutionen in den USA.

«Eine Welt ohne staatliches Töten ist nicht nur vorstellbar, sondern möglich - das zeigt die positive Entwicklung der letzten Jahrzehnte», erklärte Beeko. Der Grossteil der Staatengemeinschaft habe diese «ultimativ grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafe abgeschafft oder zumindest ausgesetzt». Dennoch sassen Ende 2021 noch mindestens 28'670 zum Tode verurteilte Menschen weltweit in Todeszellen.

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