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Nationalrat für neue Regeln bei der Aufsicht über Versicherungen

Der Nationalrat will die Aufsicht über Versicherungen lockern, die nur Grossunternehmen bedienen. Zudem sollen ungebundene Versicherungsvermittler die Kunden über ihre Provisionen informieren müssen. Und Versicherungen sollen künftig saniert werden können.

Agentur
sda
03.05.21 - 19:43 Uhr
Politik
Der Nationalrat will neue Verhaltensregeln für Versicherungsvermittler im Gesetz verankern. Er hat diese und weitere Änderungen des Versicherungsaufsichtsgesetzes beschlossen. (Themenbild)
Der Nationalrat will neue Verhaltensregeln für Versicherungsvermittler im Gesetz verankern. Er hat diese und weitere Änderungen des Versicherungsaufsichtsgesetzes beschlossen. (Themenbild)
KEYSTONE/MARTIN RUETSCHI

Die grosse Kammer hat am Montag verschiedene Änderungen des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) gutgeheissen. Mit 185 zu 0 Stimmen stimmte sie der Vorlage in der Gesamtabstimmung zu. Auch die Ratslinke, welche mit allen Minderheitsanträgen scheiterte, gab schliesslich grünes Licht.

Für Versicherungen müssten die gleichen Regeln gelten wie für Finanzdienstleister, sagte Beat Walti (ZH) im Namen der FDP-Fraktion. Es gehe letztlich um eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Branche.

Die aktuellen Aufsichtsregeln sind seit 2006 in Kraft. Seither sei viel passiert, sagte Thomas Aeschi (ZG) für die SVP-Fraktion. Die vorliegende Revision folge dem Credo: «So viel regulieren wie nötig, aber nicht überschiessen.» Die Vorlage schaffe einen Rahmen, der die Versicherungsbranche stütze und die Versicherten schütze.

Ausnahmen von der Aufsichtspflicht

Im revidierten Versicherungsaufsichtsgesetz sollen die Kunden kategorisiert werden. Versicherer, die ausschliesslich mit professionellen Kunden arbeiten - zum Beispiel mit Grossunternehmen ohne besonderes Schutzbedürfnis -, können bei der Aufsicht von Erleichterungen profitieren. Dies deshalb, weil professionelle Versicherungsnehmer von sich aus entsprechende Massnahmen ergreifen könnten, argumentierte die Mehrheit. Ausserdem seien professionelle Versicherungsnehmer in der Lage, die finanzielle Stabilität ihrer Versicherer und die Einzelheiten des Vertrages zu beurteilen.

Unternehmen mit besonders innovativen Geschäftsmodellen sollen gar vollständig von der Aufsicht befreit werden können. Nach Kritik in der Vernehmlassung schränkte der Bundesrat die Regelung auf «kleine Versicherungsunternehmen» ein. Der Nationalrat stimmte für die allgemeine Formulierung - gegen den Willen von SP, Grünen und GLP.

Zudem sollen nach Ansicht des Nationalrats auch ausländische Rückversicherer einer erleichterten Aufsicht über die Schweizer Geschäfte unterstellt werden, sofern sie im Ausland einer «angemessenen Aufsicht» unterliegen.

Nichts anzufangen mit dem neuen Konzept wusste die Ratslinke. Die im EU-Raum einmalige Kundenkategorisierung gehe klar zu weit, sagte SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo (SP/LU). «Es fehlen klare Bestimmungen zu Ausnahmen von der Aufsichtspflicht.»

Neue Ausnahmen bei der Aufsicht schadeten dem Zweck des Gesetzes, hielt Sophie Michaud Gigon (VD) im Namen der Grünen fest. Der Schutz der Versicherten vor den Insolvenzrisiken der Versicherungsunternehmen sowie vor Missbräuchen werde damit geritzt. Die Linken scheiterten jedoch mit verschiedenen Änderungsanträgen deutlich.

Mehr Transparenz bei Lebensversicherungen

Grundsätzlich einverstanden waren SP und Grüne dagegen mit einem weiteren Ziel der Revision, die Verhaltensregeln für Versicherungsvermittler im Gesetz zu verankern. Die Verhaltenspflichten sollen nicht für jede Beratung gelten, sondern vor allem für die Beratung zu qualifizierten Lebensversicherungsprodukten. Solche komplexen Produkte rechtfertigten besondere Informationspflichten, lautete der Tenor.

SP und Grüne scheiterten mit ihrem Vorhaben, die Verhaltensregeln auszudehnen. So sollten Vermittler die Versicherten mündlich über den Inhalt der angebotenen Produkte aufklären müssen. Bei allen Beratungen müsse der Schutz der Versicherten vor Insolvenz des Versicherungsunternehmens immer zuvorderst stehen, sagte Birrer-Heimo.

Die Mehrheit im Nationalrat folgte dem Vorschlag des Bundesrats. Künftig soll der Versicherungsvermittler etwa vor einer Empfehlung prüfen müssen, ob eine qualifizierte Lebensversicherung für die Versicherungsnehmerin oder den Versicherungsnehmer angemessen ist und über welche Kenntnisse und Erfahrung diese oder dieser verfügt. Die entsprechenden Schritte sollen dokumentiert werden müssen.

Ungebundene Vermittler sollen die Versicherungsnehmer ausserdem über die Entschädigung informieren müssen, die sie von Dritten im Zusammenhang mit der Erbringung der Dienstleistung erhalten. In diesem Zusammenhang wird auch klargestellt, dass ein Versicherungsvermittler nicht gleichzeitig als gebundener und ungebundener Vermittler tätig sein kann, da ungebundene Vermittler in einem Treueverhältnis zu den Versicherten stehen.

Keine Regulierung der Ombudsstellen

Dritter Kernpunkt der Gesetzesrevision ist die Möglichkeit, dass Versicherungsunternehmen im Krisenfall künftig saniert und nicht direkt liquidiert werden müssen. Das trage insbesondere den Interessen der Versicherungsnehmer im Krisenfall Rechnung, hiess es von Links und Rechts.

Aus der Vorlage gestrichen hat der Nationalrat die Bestimmungen zu den Ombudsstellen. Er ist der Meinung, die vorhandenen Ombudsstellen würden gut funktionieren. Gemäss Vorschlag des Bundesrats sollen neu sämtliche Versicherungsunternehmen und die Versicherungsvermittlerinnen und -vermittler verpflichtet werden, sich einer Ombudsstelle anzuschliessen. Dadurch soll der Kundenschutz gestärkt werden.

Nachdem der Nationalrat die Vorlage ein erstes Mal beraten hat, ist nun die Wirtschaftskommission des Ständerats (WAK-S) am Zug. Die Vorlage soll im Laufe des Jahres erstmals von der kleinen Kammer beraten werden.

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