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USA melden sich beim Klimaschutz zurück

Mit einem neuen Klimaschutzziel für 2030 und einem internationalen Gipfel haben sich die Vereinigten Staaten im Kampf gegen die Erderwärmung auf der globalen Bühne zurückgemeldet.

Agentur
sda
22.04.21 - 17:18 Uhr
Politik
Joe Biden, US-Präsident, spricht beim virtuellen Klima-Gipfel, zu dem er dutzende Staats- und Regierungschefs eingeladen hat, im East Room des Weißen Hauses. Foto: Evan Vucci/AP/dpa
Joe Biden, US-Präsident, spricht beim virtuellen Klima-Gipfel, zu dem er dutzende Staats- und Regierungschefs eingeladen hat, im East Room des Weißen Hauses. Foto: Evan Vucci/AP/dpa
Keystone/AP/Evan Vucci

Bei einem Online-Klimagipfel mit 40 Staats- und Regierungschefs im Weissen Haus rief US-Präsident Joe Biden zu entschiedenem und schnellem Handeln auf, um die Klimakrise einzudämmen.

«Die Zeichen sind unübersehbar. Die Wissenschaft ist nicht zu leugnen. Die Kosten des Nichtstuns werden immer höher», mahnte Biden. Er rief zu einem gemeinsamen Kraftakt auf und sieht insbesondere die grössten Volkswirtschaften der Welt in die Pflicht. Die USA selbst wollen bis zum Ende des Jahrzehnts ihre Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 2005 mindestens halbieren: Auf gesamtwirtschaftlicher Ebene soll die Verringerung 50 bis 52 Prozent betragen.

Mit dem neuen Klimaziel, das die US-Regierung kurz vor dem Gipfel ausgab, erfüllen die USA eine Vorgabe des Pariser Klimavertrags, in den Biden das Land als eine seiner ersten Amtshandlungen zurückgeführt hatte. Sein Amtsvorgänger Donald Trump war aus dem internationalen Abkommen ausgestiegen. Das Klimaabkommen sieht vor, dass die Vertragsstaaten ihre Klimaziele alle fünf Jahre nachbessern. Bei der Weltklimakonferenz in Glasgow im November sollen dies alle Partner offiziell tun.

Der von Biden ausgerichtete zweitägige Online-Klimagipfel soll die Dringlichkeit und den wirtschaftlichen Nutzen stärkerer Klimaschutzmassnahmen unterstreichen und gilt als wichtige Vorbereitung für die Klimakonferenz in Glasgow. Experten sind sich einig, dass sich bis 2030 weltweit viel mehr tun muss, wenn die Erderwärmung, wie 2015 von knapp 200 Staaten in Paris vereinbart, deutlich unter zwei Grad bleiben soll. Schon jetzt hat sich die Erde um rund 1,2 Grad erwärmt, im Vergleich zur vorindustriellen Zeit.

UN-Generalsekretär António Guterres forderte eine globale Koalition für Treibhausgasneutralität bis Mitte des Jahrhunderts, an der «jedes Land, jede Region, jede Stadt, jedes Unternehmen und jede Branche» beteiligt werden sollte. Es brauche Steuern auf den Ausstoss von CO2, Kohle und Öl dürften nicht mehr subventioniert werden, das Verbrennen von Kohle müsse in den Industrieländern bis 2030 auslaufen. «Wir sehen ständig steigende Meeresspiegel, sengende Temperaturen, verheerende tropische Wirbelstürme und epische Waldbrände», so Guterres. «Wir brauchen einen grünen Planeten - aber die Welt ist auf Alarmstufe Rot. Wir stehen am Rande des Abgrunds.»

Chinas Staatschef Xi Jinping sagte bei Bidens Gipfel zu, mit der internationalen Gemeinschaft, einschliesslich den USA, zusammenzuarbeiten, um die Verpflichtungen nach dem Pariser Klimaabkommen zu erfüllen. Xi versprach eine Verringerung des Kohleverbrauchs seines Landes von 2025 an und eine strenge Kontrolle der Kohlekraftwerke. China ist das bevölkerungsreichste Land der Erde sowie der grösste Kohleverbraucher und Kohlendioxidproduzent - damit kommt ihm im Kampf gegen die Erderhitzung wie den USA eine entscheidende Rolle zu. Während die Regierung wiederholt die Klimaziele bekräftigt, bemängeln Kritiker einen weiteren Ausbau der Kohleenergie auf lokaler Ebene und einen Zuwachs der Kohleförderung.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüsste bei dem Gipfel das neue Klimaziel der USA. Dies sei ein klares Bekenntnis im Kampf gegen die Erderwärmung und ein wichtiges Signal an die Weltgemeinschaft. Um die globalen Ziele zur Reduktion von Treibhausgasen erreichen zu können, sei die Welt auf den Beitrag der Vereinigten Staaten angewiesen.

Deutschland habe seine Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Referenzjahr 1990 um 40 Prozent gesenkt, sagte Merkel. Diesen Weg werde das Land weiter beschreiten. Deutschland werde seinen Beitrag leisten, um das nun verbindliche EU-Ziel, die Treibhausgase bis zum Jahr 2030 um 55 Prozent zu senken, erreichen zu können.

Die Europäische Union hatte sich am Tag vor dem Klimagipfel offiziell zu einer Senkung der Treibhausgase um mindestens 55 Prozent bis 2030 und eine Wirtschaft ohne neue Klimalasten bis 2050 verpflichtet.

Grossbritannien strebt eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen um mindestens 68 Prozent unter den Wert von 1990 an. Bis 2035 sollen die Emissionen um 78 Prozent im Vergleich zum Niveau der 1990er Jahre reduziert werden. Grossbritannien habe gezeigt, dass es möglich sei, Emissionen zu verringern und trotzdem ein erhebliches Wirtschaftswachstum zu erreichen, sagte Regierungschef Boris Johnson bei dem Gipfel. Die Erholung von der Pandemie könne dafür genutzt werden, um in eine grünere Zukunft zu investieren.

Japans Regierungschef Yoshihide Suga kündigte an, sein Land wolle die Emissionen bis zum Fiskaljahr 2030/2031 um 46 Prozent im Vergleich zum Fiskaljahr 2013 verringern. Bislang war eine Senkung um nur 26 Prozent vorgesehen. Kanada wiederum will das Niveau der Emissionen von 2005 bis 2030 um 40 bis 45 Prozent senken, wie Premierminister Justin Trudeau zusagte.

Die unterschiedlichen Ausgangspunkte - 1990 und 2005 - machen die Ziele schwer vergleichbar. Nach Lesart der EU entspricht ein US-Ziel von minus 50 Prozent gegenüber 2005 einer Reduktion von 43 Prozent im Vergleich zu 1990.

Jenseits der blanken Zahlen geht es aber um das politische Signal: Mit dem Gipfel will Biden nicht nur die Dringlichkeit des Klimaschutzes unterstreichen - sondern auch, dass die USA nach vier Jahren Trump wieder zurück am internationalen Verhandlungstisch sind. Biden will die USA wieder zum Vorreiter beim Klimaschutz machen und hat den Kampf gegen die Erderwärmung zur Priorität erklärt. Er wirbt insbesondere für die wirtschaftlichen Chancen des Klimaschutzes. Die Energiewende, der Ausbau von Elektromobilität und Infrastrukturmassnahmen könnten Millionen gut bezahlter Jobs bringen. US-Aussenminister Antony Blinken betonte ebenfalls, es wäre ein Fehler, den Kampf gegen den Klimawandel nur im Sinne von Bedrohungen zu betrachten - er berge auch viele Chancen.

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