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Blödsinn oder Beitrag zur Pandemiebekämpfung?

Seit kurz vor Weihnachten eine generelle Maskentragpflicht im innerstädtischen Bereich und auf der 
Seepromenade verordnet wurde, wird über deren Sinn und Unsinn trefflich gestritten.

Barbara
Gassler
15.01.21 - 07:50 Uhr
Politik


Während die rechtliche Grundlage klar ist, 
ist der wissenschaftliche Nachweis schwieriger anzutreten.
Zuerst einmal: Das im Landwassertal gültige Schutzkonzept entstand nicht auf Wunsch der Gemeinde. Es wurde auf Weisung des Bundesrates erstellt und ist der Preis, den wir alle dafür zahlen, dass die Bergbahnen geöffnet bleiben können. Die in diesem Zusammenhang verordnete Maskenpflicht ergibt sich aus der nationalen «Covid-19-Verordnung besondere Lage» vom Juni letzten Jahres. Gemäss dieser müssen unter anderem in belebten Fussgängerbereichen von Wintersportorten Gesichtsmasken getragen werden. Als solche belebte Zentren schied die Gemeinde nun den gesamten innerstädtische Bereich sowie die Seepromenade aus. Soweit, so klar.

 Kleine Gefahr

Wie viele Übertragungen des Virus damit verhindert werden können, ist jedoch strittig. Klar sind zum jetzigen Zeitpunkt drei hauptsächliche Ansteckungsquellen. Schmierinfektion, bei denen die Infektion über kontaminierte Oberflächen erfolgt – daher das Gebot zum Händewaschen. Weiter gibt es Tröpfcheninfektionen. Hier gelangen Viren beim Sprechen, Husten oder Niesen über die Luft auf die Schleimhäute von anderen Menschen. Schliesslich gibt es noch die Infektion durch Aerosole. Dabei schweben die Viren bis zu drei Stunden in der Luft und gelangen so zu andren Personen. Dieser Übertragungsweg ist vor allem in geschlossenen Räumen zu beachten. Auf seiner Webseite beurteilt das deutsche Robert Koch-Institut (RKI) am 8. Januar denn auch die Übertragungen im Aussenbereich als insgesamt selten: «Bei
Wahrung des Mindestabstandes ist
die Übertragungswahrscheinlichkeit im Aussenbereich aufgrund der Luftbewegung sehr gering.» 

Das Gegenüber schützen

Warum bestehen die Behörden dennoch auf einer Maske unter freiem Himmel? Eine Antwort liefert Walter Kistler, Leiter Pandemiestab am Spital Davos: «Die Maske schützt weniger den Träger vor Erkrankung, sondern das Gegenüber, wenn man selber Träger ist.» Und diese sind keineswegs offensichtlich: «Eine grosse Bedeutung haben die Übertragungen von infektiösen Personen, wenn sie bereits Krankheitszeichen entwickelt haben. Dabei können diese Symptome relativ subtil sein, wie zum Beispiel Kopf- und Halsschmerzen», schreibt wiederum das RKI auf der bereits erwähnten Webseite. Weiter heisst es: «Darüber hinaus steckt sich ein relevanter Anteil von Personen bei infektiösen Personen innerhalb von ein bis zwei Tagen vor deren Symptombeginn an.» Somit können beim Treffen von Bekannten entlang des Landwassers durchaus mehr als nur Freundlichkeiten ausgetauscht werden.

 Die Maske wirkt

Trotz anfänglicher Unsicherheit gilt inzwischen die Schutzmaske als wirksam. Dies vor allem bei der im Nahbereich gefährlichen Tröpfcheninfektion. Eine deutsche Studie, die die Effekte der vorgezogenen Maskenpflicht in der Stadt Jena mit dem übrigen Deutschland verglich, kommt im Sommer 2020 zum Schluss: «Gesichtsmasken reduzieren Fälle an Covid-19 wesentlich.» Genügt das nun, um eine allgemeine Maskenpflicht im innerstädtischen Bereich zu rechtfertigen? Ganz klar ja, findet der Chefepidemiologe am Spital: «Die Wahrscheinlichkeit, sich in der freien Wildbahn anzustecken, ist natürlich sehr klein, allerdings auch nicht null. Es kommt immer darauf an, wie viele Leute gerade unterwegs sind.» Gerade beim Niesen seien Übertragungen über sieben bis acht Meter möglich, zeigten Studien. 

Keine Garantien

«Alle diese Massnahmen sind Kompromisse, die keine hundertprozentige Garantie bieten und die Verhältnisse können sich ändern», fährt Kistler fort. «Gerade bei den Schutzmassnahmen gibt es immer wieder die Diskussion, ob und wie viel einzelne Massnahmen bringen. Dies ist prinzipiell schon richtig, allerdings geht es nicht darum, diese gegeneinander auszuspielen, sondern es ist das ‹Gesamtpaket›, das dann die Effizienz ausmacht.» Daher findet er die Diskussion eigentlich müssig: «Wenn eine generelle Maskentragepflicht ausgesprochen wird, tragen sie einfach alle überall und es gibt nicht immer die Diskussionen wo und wann und wie. Denn viele Leute können die Situation auch nicht immer klar einschätzen.»

Bestimmungen bleiben

Gegenwärtig gibt es kein Gedränge an den sonst sehr belebten Ecken. Dennoch will die Gemeinde an den bestehenden Regeln festhalten, wie Landammann Philipp Wilhelm auf Anfrage erklärt: «Die umfassende Maskenpflicht ist Teil unseres Schutzkonzepts. Und dieses ist wiederum Voraussetzung für die Offenhaltung der Skigebiete. Das ist und bleibt auch mit den neuen strikteren Regeln eine Vorgabe des Bundes. Wir erhielten in den letzten Tagen viele Rückmeldungen und Fragen zur Maskenpflicht im Freien. Gerade weil unter Woche nun deutlich weniger Leute in Davos weilen. Da verstehen wir, dass es Fragezeichen gab. Was wir aber nicht wollen, ist eine Hüst- und Hott-Politik und eine ständige Anpassung der Regeln. Gerade mit den neuen Beschlüssen des Bundes wollen wir das Regime klar beibehalten. Und wir möchten an alle appellieren, sich an die geltenden Vorgaben von Bund, Kanton und Gemeinden zu halten.»

 

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