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Keine Kompromisse im Klimakampf - Greta Thunberg wird 18

Wieder und wieder hat Greta Thunberg darauf hingewiesen, dass es nicht die Verantwortung von Kindern sein könne, die Erde vor der drohenden Klimakatastrophe zu retten.

Agentur
sda
29.12.20 - 10:24 Uhr
Politik
ARCHIV - Alles fing mit ihrem Schulstreik an: Jetzt wird Greta Thunberg aus Schweden, die mit «Fridays für Future» eine weltweite Klimabewegung animiert hat, 18 Jahre alt. Foto: Steffen Trumpf/dpa
ARCHIV - Alles fing mit ihrem Schulstreik an: Jetzt wird Greta Thunberg aus Schweden, die mit «Fridays für Future» eine weltweite Klimabewegung animiert hat, 18 Jahre alt. Foto: Steffen Trumpf/dpa
Keystone/dpa/Steffen Trumpf

«Ich bin zu jung für das hier. Wir Kinder sollten das nicht tun müssen», erklärte die junge Schwedin schon Anfang 2019 auf Facebook, als sich Online-Hass und Verschwörungstheorien gegen sie erstmals zuspitzten. Oder kurze Zeit später im britischen Unterhaus: «Ich weiss, dass viele von Ihnen uns nicht zuhören wollen - Sie sagen, wir seien bloss Kinder. Aber wir wiederholen nur die Botschaft der vereinten Klimawissenschaft», sagte sie da. «Wir Kinder tun dies, um die Erwachsenen aufzuwecken.»

Ein Kind ist Thunberg nun nicht mehr. An diesem Sonntag (3.1.) wird die weltberühmte Klimaaktivistin nämlich 18 Jahre alt. Das ist auch in Schweden mit der Volljährigkeit verbunden, und einer Reihe von Rechten: Alleine Auto fahren zum Beispiel, heiraten - und wählen, was für sie wohl besonders wichtig sein wird. «Jede Wahl ist eine Klimawahl», hat Thunberg öfter gesagt. Jetzt kann sie selbst ihre Stimme abgeben, unter anderem bei der nächsten schwedischen Parlamentswahl im Spätsommer 2022.

Am Kampf gegen die Klimakrise, an dessen Spitze sie sich im wahrsten Sinne des Wortes im Sommer 2018 gesetzt hat, ändert sich für Thunberg mit der Volljährigkeit nichts. Sie drängt unvermindert darauf, dass die Klima- und Umweltkrise wie eine wirkliche Krise behandelt werden müsse - und zwar sofort. «Das Wichtigste ist, zu verstehen, dass wir die Emissionen hier und jetzt verringern müssen - nicht 2025, 2030 oder wann auch immer. Der Ausstoss, den wir jetzt verursachen, bestimmt unsere Zukunft», sagte sie zuletzt der schwedischen Tageszeitung «Svenska Dagbladet». Auch wenn sie sich jederzeit zurückziehen könne, sei für sie an ein Aufhören nicht zu denken. «Nein, das hier ist zu wichtig.»

Das Thema Klimawandel begleitet die am 3. Januar 2003 geborene Stockholmerin schon lange. Erstmals hat sie nach eigenen Angaben mit acht Jahren von Umweltzerstörung und Erderwärmung gehört. Daraus entstanden Sorgen, die in der Kindheit in einer Depression mündeten.

Im Sommer 2018 kaufte sie sich schliesslich mit ihrem Vater ein Stück Holz, auf das sie mit grossen schwarzen Buchstaben «Skolstrejk för klimatet» (Schulstreik fürs Klima) schrieb. Damit hockte sich das damals 15-jährige Mädchen zu Beginn des neuen Schuljahres vor den Reichstag in Stockholm, um die schwedische Politik zum stärkeren Klimaschutz und Befolgen der Klimaziele von Paris aufzurufen. Als Zeichen der Dringlichkeit ihres Anliegens schwänzte Thunberg dafür die Schule - zunächst täglich, dann ausschliesslich freitags.

Ihre Aktion verbreitete sich über die sozialen Netzwerke rasant. Die Klimabewegung Fridays for Future entstand, und aus Thunbergs stillem Solo-Protest entwickelten sich innerhalb von Monaten internationale Grossproteste, bei denen Millionen Menschen in aller Welt nach Thunbergs Vorbild für mehr Klimaschutz auf die Strasse gingen. Und das nicht einmal 1,60 Meter grosse Mädchen bewies: «No one is too small to make a difference.» Niemand ist zu klein, um einen Unterschied zu machen.

Niemand hat seitdem so öffentlichkeitswirksam auf Klima- und Umweltprobleme hingewiesen wie die Teenagerin aus Stockholm. Niemand ist dabei zu einem solch grossen Vorbild für Millionen von vor allem jungen Menschen weltweit geworden - und kaum jemand vor allem im Internet mit so viel Hass und Beleidigungen überschüttet worden.

Diese Erfahrungen haben auch Thunberg geprägt. Ihre Privatsphäre schützt sie mittlerweile stark. Interviews mit ihr sind seltener geworden - und wenn, dann mahnt sie, das Augenmerk auf Klimafragen statt auf sie als Person zu legen - steigende Temperaturen, heftigere Naturkatastrophen, Meeresspiegelanstieg. Darum soll es gehen.

Ihre Bekanntheit nutzt sie nun auch stärker, um auf den Kampf anderer Klimaschützer aufmerksam zu machen, Vanessa Nakate aus Uganda zum Beispiel oder Mitstreiter auf den Philippinen oder in Südamerika.

Thunberg ist in Wirklichkeit zurückhaltend, hat eine leise Stimme und einen unterschwelligen Humor, etwa wenn sie über Donald Trump spricht. Sie hat Asperger, eine Form von Autismus, die sie selbst als Vorteil bezeichnet. Vieles sei für sie einfach entweder schwarz oder weiss, einen Mittelweg gebe es oft nicht für sie, sagt sie. Auf die drohende Klimakatastrophe bezogen heisst das: Ein bisschen Weltretten geht eben nicht. «Es gibt keine Grauzonen, wenn es ums Überleben geht.» Und so warf sich Thunberg über Jahre mit voller Kraft in den Klimakampf.

2019 erlebten die von ihr inspirierten Klimaproteste vorläufig ihren Höhepunkt, 2020 wurde dem durch Corona vorübergehend Grenzen gesetzt. Thunberg kämpfte weiter. Traf im Sommer Angela Merkel, um gemeinsam mit engen Mitstreiterinnen wie Luisa Neubauer aus Deutschland sowie Anuna de Wever und Adélaïde Charlier aus Belgien mit der Kanzlerin über die EU-Klimapolitik zu sprechen. Thunberg reiste dafür extra nach Berlin - unmittelbar vor ihrem Start auf dem Gymnasium daheim in Stockholm nach einem Jahr Schulpause, in der sie für ihren Klimakampf bis in die USA gesegelt war.

Bis heute konnte und kann Thunberg nicht jeden mit ihrer Botschaft abholen. Ihr veganer, auf neue Klamotten und Flugreisen verzichtender Lebensstil ist manchen zu radikal. Aber selbst wenn man nicht mit allem übereinstimme, was Thunberg sage oder tue, so müsse man ihren Mut und ihre Entschlossenheit bewundern, sagte ihr schwedischer Landsmann Björn Ulvaeus, der Abba-Star, einmal über sie. Thunberg sei «wie eine trotzige und zutiefst nachdenkliche Pippi Langstrumpf», sagte er. «Ich glaube, Astrid Lindgren hätte Greta gemocht.»

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