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Verfassungsgerichtshof macht in Österreich Weg für Sterbehilfe frei

In Österreich wird Sterbehilfe erlaubt. Das bisherige gesetzliche Verbot der Hilfeleistung zum Suizid verstosse gegen das Recht auf Selbstbestimmung, urteilte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) am Freitag in Wien. Es sei verfassungswidrig, jede Art der Hilfe zur Selbsttötung ausnahmslos zu verbieten. Tötung auf Verlangen bleibt dagegen weiterhin strafbar.

Agentur
sda
11.12.20 - 20:45 Uhr
Politik
Die Juristen des Verfassungsgerichtshof (VfGH). Foto: Georg Hochmuth/APA/dpa
Die Juristen des Verfassungsgerichtshof (VfGH). Foto: Georg Hochmuth/APA/dpa
Keystone/APA/Georg Hochmuth

Das Recht auf freie Selbstbestimmung umfasse «sowohl das Recht auf die Gestaltung des Lebens als auch das Recht auf ein menschenwürdiges Sterben», erklärten die Richter. Die neue Regelung trete zum 1. Januar 2022 in Kraft.

Die Österreichische Gesellschaft für ein humanes Lebensende (ÖGHL) sprach von einem historischen Durchbruch. Österreich ziehe damit im internationalen Vergleich nach, wenn auch mit einiger Verspätung. Die katholische Kirche zeigte sich dagegen bestürzt. Das Sterbehilfe-Urteil sei ein Dammbruch und gefährde die Solidarität, kritisierte der Vorsitzender der Bischofskonferenz, der Salzburger Erzbischof Franz Lackner. «Die selbstverständliche Solidarität mit Hilfesuchenden in unserer Gesellschaft wird durch dieses Urteil grundlegend verändert», sagte Lackner weiter.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler von der regierenden ÖVP sagte: «Wir werden auch weiterhin dafür sorgen, dass niemand den Wert seines Lebens infrage stellen muss. Daher müssen wir nun prüfen, welche gesetzlichen Schutzmassnahmen notwendig sind.»

In Deutschland hatte das Bundesverfassungsgericht im Februar nach Klagen von Schwerkranken, Sterbehelfern und Ärzten ebenfalls die Tür für Sterbehilfe-Angebote aufgestossen. Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben schliesse die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen - das gelte für jeden, nicht nur für unheilbar Kranke.

In Österreich hatten vier Antragsteller geklagt, darunter ein an Multipler Sklerose erkrankter Mann (56), der ans Bett gefesselt ist und nicht mehr ohne fremde Hilfe aus dem Leben scheiden kann, sowie ein gesunder 75-Jähriger, der im Fall einer unheilbaren Erkrankung Sterbehilfe in Anspruch nehmen will. Zum Kreis der Kläger gehören auch ein 80-Jähriger, der an der Nervenkrankheit Parkinson leidet, und ein Arzt (66). Der Mediziner möchte Sterbehilfe leisten, fürchtet aber straf- und standesrechtliche Konsequenzen.

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Eine längst überfällige Entscheidung. Die österreichische Politik ist weder in der Lage noch gewillt, den "alten" Leuten ein würdevolles Leben zu ermöglichen. Österreich stützt sich im wesentlichen auf eine unterbezahlte "Altenbetreuung" u.a. in erheblichen Masse mit Biilig-Pflegekräften aus Ost-Länder - ca. 70.000 - und hat auch sonst noch keine griffigen Massnahmen zur Behebung des Pflegemangels eingeleitet. Lediglich im Burgenland gibt es auf Initiative des Landeshauptmannes - Herr Doskozil von der SPÖ - mittlerweile im privaten Pflegebereich eine vernünftige und akzeptable Lösung, welche auch von der EU als vorbildlich angesehen ist. In Vorarlberg wurde diese Variante im Landtag vor kurzem von den Regierungsparteien abgelehnt; dort ist die SPÖ nicht in der Landesregierung vertreten.

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