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Zoff mit Ungarn: EU droht mitten in Corona-Krise neue Zerreissprobe

In der EU eskaliert der Streit über ein Instrument zur Ahndung von Verstössen gegen die Rechtsstaatlichkeit. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur teilte Ungarn am Mittwochabend bei einer Sitzung der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten mit, dem gerade erst mit dem Europaparlament abgestimmten Finanzpaket für die kommenden sieben Jahre nicht zustimmen zu können. Grund sei, dass die zusätzlich geplante Konditionalitätsregelung zum Schutz des EU-Haushalts gegen Absprachen der Staats- und Regierungschefs aus dem Monat Juli verstosse.

Agentur
sda
12.11.20 - 06:27 Uhr
Politik
Viktor Orban, Ministerpräsident von Ungarn. Foto: Johanna Geron/Reuters Pool/AP/dpa
Viktor Orban, Ministerpräsident von Ungarn. Foto: Johanna Geron/Reuters Pool/AP/dpa
Keystone/Reuters Pool/AP/Johanna Geron

Sollte Ungarn den Ankündigungen Taten folgen lassen, könnten auch die geplanten europäischen Corona-Hilfen im Umfang von bis zu 750 Milliarden Euro nicht wie vorgesehen auf den Weg gebracht werden. Dies wiederum könnte für Länder wie Italien schwerwiegende wirtschaftliche Konsequenzen haben.

Die von Ungarn kritisierte Konditionalitätsregelung soll es ermöglichen, im grossen Stil EU-Gelder zu kürzen, wenn in einem Mitgliedsland der Rechtsstaat gefährdet ist und dadurch der Missbrauch von EU-Mitteln droht oder bereits stattfindet. Konkret könnte dies zum Beispiel dann der Fall sein, wenn mangelnde Unabhängigkeit von Gerichten in einem Empfängerstaat den Missbrauch von EU-Mitteln ermöglicht oder sogar ganz klar fördert.

Vor allem den Regierungen in Ungarn und Polen wurde zuletzt immer wieder vorgeworfen, ihren Einfluss auf die Justiz auszubauen. Alle Versuche, sie mit politischen Mitteln zu einem Kurswechsel zu bewegen, blieben bislang aber erfolglos. Die Kritik wird aus Warschau und Budapest kategorisch zurückgewiesen.

Ob auch Polen wegen des geplanten Instruments seine Zustimmung zum Finanzpaket verweigern will, war zunächst unklar. Nach dpa-Informationen liess der ständige Vertreter des Landes am Mittwochabend nur wissen, dass noch eine Prüfung laufe.

Weil für die Kernelemente des Finanzpakets einstimmige Beschlüsse notwendig sind, würde aber ohnehin schon ein Veto Ungarns ausreichen, um die Umsetzung zu stoppen. Um die Konditionalitätsregelung zu beschliessen, braucht es hingegen nur eine qualifizierte Mehrheit. Diese ist bereits erreicht, wenn 15 EU-Staaten zustimmen, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der Union ausmachen.

Wie der Konflikt mit Ungarn gelöst werden könnte, ist derzeit völlig unklar. Denkbar ist, dass die Staats- und Regierungschefs sich bei einem Gipfel mit dem Thema beschäftigen müssen. Dass der Konditionalitätsmechanismus doch noch aufgegeben wird, gilt als nahezu ausgeschlossen. In diesem Fall dürften nämlich EU-Länder wie die Niederlande oder das Europaparlament das Finanzpaket aus Protest blockieren.

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Mit den Beitritt von Ungarn - und anderen Ost-Ländern - hat man seinerzeit einiges falsch gemacht. Die EU hätte vorher ihre "Statuten" korrigieren sollen und gegenüber diesen Ländern für einen Beitritt korrekt anwenden sollen. Da wäre so mancher nachfolgender Ärger erspart geblieben. Das ist jetzt keine Feststellung "im Nachhinein weis man es besser", sondern das wurde von so manchen Politiker seinerzeit so kritisiert.

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