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Zehnder: «In gewissen Branchen reichen die Löhne nicht für eine Familie»

Eine stabile Sozialhilfequote, aber dennoch immer mehr Personen, die trotz Arbeit auf Sozialhilfe angewiesen sind: Andreas Zehner, Leiter Hauptabteilung Soziales Kanton Glarus, erklärt die aktuelle Situation im Sozialhilfewesen.

Ueli
Weber
14.10.20 - 04:30 Uhr
Politik
Sozial
Photographer: Rino Moos / ARCHIV
  1. Herr Zehnder, die Sozialhilfequote bleibt stabil, aber der Anteil jener, die trotz Arbeit auf Sozialhilfe angewiesen sind, steigt seit Jahren. Wie erklären Sie das?
    Das hat zwei Gründe. Zum einen ist unsere Strategie klar: Die Sozialhilfeempfänger sollen möglichst schnell wieder auf eigenen Beinen stehen. Manchmal lässt sich ein 100-Prozent-Pensum aber nicht mit dem Leben vereinbaren, etwa für Alleinerziehende. Da ist es trotzdem besser, wenn sie wenigstens zu einem Teil in der Arbeitswelt integriert sind. Auf die Integration in den Arbeitsmarkt arbeiten wir hin, auch gerade in der Integrationsförderung für Flüchtlinge. Andererseits gibt es aber Branchen, in denen die Löhne für eine Familie nicht ausreichen, zum Beispiel im Reinigungsgewerbe oder für Hilfsarbeiter in der Industrie.
  2. Die Coronakrise hat sich kaum in der Sozialhilfestatistik dieses Jahres niedergeschlagen. Haben die Massnahmen wie Kurzarbeit und Erwerbsersatz gewirkt?
    Das ist so. Die Vorleistungen, auch der Arbeitslosenkasse zum Beispiel, spielen eine relativ grosse Rolle. Die Zahlen waren überraschend, es war anders erwartet worden. Für eine Entwarnung ist es aber noch zu früh. Es ist sehr schwierig zu sagen, wie sich die Situation entwickelt. Die Unsicherheit ist sehr gross. Es kommt darauf an, wie sich die Pandemie entwickelt, wie lange sie noch dauert und wie sie sich gesundheitlich und wirtschaftlich auswirkt. Es hängt auch davon ab, wie die soziale Absicherung geregelt wird. Unser Land ist zudem als Exporteur vom Ausland abhängig.
  3. Der Bund finanziert die Sozialhilfe von Asylsuchenden während der ersten fünf oder sieben Jahre in der Schweiz. Danach bezahlt der Kanton. Die Flüchtlingskrise von 2015 liegt mittlerweile fünf Jahre zurück. Wird sich das in der Sozialhilfequote auswirken?
    Die Entwicklung haben wir selbstverständlich auf dem Radar. Vor diesem Hintergrund betreiben wir auch unser Integrationsförderungsprogramm, das sehr erfolgreich ist. Wie sich die Quote entwickelt, werden wir aber erst genau sehen, wenn die Zahlen der Jahre 2020 und 2021 vorliegen. Aufgrund der Zahlen, welche anlässlich des Corona-Monitorings für das Jahr 2020 vorliegen, sehen wir bisher aber keine Auffälligkeiten. Wir haben zwar einen leichten Anstieg festgestellt, aber keinen markanten.

Ueli Weber ist stellvertretender Redaktionsleiter der «Glarner Nachrichten». Er hat die Diplomausbildung Journalismus am MAZ absolviert und berichtet seit über zehn Jahren über das Glarnerland. Mehr Infos

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Die „Wirtschaft“ sollte sich mal von der Überlegung verabschieden, den Lohn nach dem „Wert“ der Arbeit zu definieren. Sondern, kann man mit dem Lohn – bei 100%–Beschäftigung – ein durchschnittlichen Lebensstandard in der Schweiz finanzieren. Wenn besondere Lebensumstände – z.B. Alleinerziehende, körperlich Eingeschränkte – eine 100%–Beschäftigung nicht zulassen, dann ist eine entsprechende Aufstockung – z.B. erhöhtes Kindergeld, Wohnzuschuss – zu gewähren.

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