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«Krebserregende Giftstoffe versickerten ins Grundwasser»

Die Betreiber der Fischzucht am Blausee im Berner Oberland machen Firmen, welche den Lötschberg-Scheiteltunnel sanieren, und den damit befassten Behörden heftige Vorwürfe. Wegen illegaler Aktivitäten seien krebserregende Giftstoffe im Grundwasser versickert.

Agentur
sda
17.09.20 - 13:37 Uhr
Politik

Einer der Blausee-Besitzer, Stefan Linder, sagte am Donnerstag an einer Medienkonferenz in Bern, Grundwassermessungen auf dem Kieswerk beim Blausee hätten eine 424'000-fache Überschreitung des Grenzwerts bei den sogenanten PAK ergeben.

PAK sind polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe. Einige von ihnen sind krebserregend. Linder, Gründer des Swiss Economic Forums, zeigte den Medienschaffenden eine Liste mit weiteren Resultaten aus Wasserproben, welche auf dem Kieswerk entnommen wurden. Es gebe auch hohe Grenzwertüberschreitungen bei Schwermetallen wie Blei und Zink.

Der Verwaltungsratspräsident der Blausee AG sagte weiter, der Schaden durch den Tod von Zehntausenden Fischen belaufe sich auf zwei Millionen Franken. Es sei klar, dass eine Schadenersatzforderung vorbereitet werde. Doch zuerst müsse der Verursacher ermittelt werden.

Kanton Bern bestätigt Illegalität

Am Mittwoch war bekannt geworden, dass seit 2018 in der Fischzucht des bekannten Berner Ausflugsziels Blausee massenhaft Forellen verendeten. Die Blausee AG geht davon aus, dass der Grund dafür Giftstoffe im Grundwasser sind, welches den Blausee speist und eines der Becken in der Fischzucht.

Nur in diesem Becken seien die Fische gestorben, sagte Linder, nicht aber in den anderen, von Quellen gespiesenen.

Gemäss der Hypothese der Blausee-Betreiber stammen die Gifte vom Schotter und von mit Teer behandelten Eisenbahnschwellen, welche sich im Lötschberg-Scheiteltunnel befanden. Dieser wird seit August 2018 saniert. Das heutige Trassee wird entfernt und durch ein Betonfundament ersetzt.

Der Altschotter und die Eisenbahnschwellen werden auf dem Gelände des Kieswerks von Mitholz BE beim Blausee abgeladen, getrennt und weitertransportiert. Bis Mitte Juni wurden aber rund 1000 Tonnen Feinmaterial auch dort deponiert - bis der Kanton Bern nach den Verdachtsmeldungen der Blausee-Betreiber intervenierte.

Diese Deponierung sei illegal erfolgt: Das sagte der Vorsteher des bernischen Amts für Wasser und Abfall (AWA), Jacques Ganguin, am Mittwochabend in der «Rundschau» des Schweizer Fernsehens SRF. Das Konzept hätte vorgesehen, dass alles Material nach Wimmis BE in eine spezialisierte Anlage gebracht und dort gewaschen worden wäre.

Die Blausee-Betreiber werfen den Berner Behörden vor, ungenügend oder mit unangemessenem Verzug gegen die Firmen vorgegangen zu sein, welche dafür verantwortlich seien. Auch sei Ganguin einem vereinbarten Treffen unentschuldigt ferngeblieben.

Seit dem Verbot der Deponierung des Tunnelaushubs in Mitholz sei das Fischsterben am Blausee massiv zurückgegangen; der zeitliche, örtliche und sachliche Zusammenhang mit der Tunnelsanierung sei deshalb «evident».

Der an der Medienkonferenz anwesende Geologe Hans Rudolf Keusen sprach von einem «Skandal». Er habe grosse Zweifel, dass vor der Sanierung des Tunnels gemachte Voruntersuchungen korrekt durchgeführt und interpretiert worden seien.

Seit vielen Jahren sei bekannt, dass das Kieswerk in Mitholz direkt über einem Grundwasserstrom liege. Deshalb gelte dort ein Deponieverbot.

Strafverfahren soll Klarheit bringen

Die Bauherrin der Tunnelsanierung, das Berner Bahnunternehmen BLS, teilte bereits am Mittwoch mit, Proben aus dem Tunnel von 2013 und 2020 hätten nur kleine Mengen an stark verschmutztem Material zu Tage gebracht. Bisher sei auch nur unverschmutztes oder schwach verschmutztes Material aus dem Tunnel gebracht worden.

Das bernische AWA ordnete an, dass rund 1000 Tonnen Feinmaterial in der Kiesgrube Mitholz wieder ausgegraben werden musste und in dafür vorgesehene Deponien transportiert wurde. AWA-Vorsteher Ganguin zweifelt die Messresultate der Blausee-Verantwortlichen an: Wenn in einer Pfütze auf dem Kieswerk gemessen werde, sei das nicht repräsentativ.

Klarheit bringen soll nun ein Strafverfahren, das die Staatsanwaltschaft Berner Oberland eröffnet hat. Es wird wegen des Verdachts auf Verstösse gegen das Gewässerschutz-, Umweltschutz- und kantonale Abfallgesetz geführt.

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