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Opposition will mit weiteren Streiks Machtapparat schwächen

Die Opposition in Belarus (Weissrussland) will angesichts der tagelangen Massenproteste auch die Streiks in der Ex-Sowjetrepublik ausweiten. Der Ausstand in allen wichtigen Staatsbetrieben solle so den Machtapparat zum Aufgeben zwingen, sagte Maria Moros, Wahlkampfleiterin der Oppositionellen Swetlana Tichanowskaja. «Wir machen der scheidenden Macht begreiflich, dass es kein Zurück geben wird.» Seit mehr als einer Woche gehen landesweit die Menschen auf die Strassen und fordern den Rücktritt von Langzeitpräsident Alexander Lukaschenko. Menschen in vielen wichtigen Betrieben legten bereits ihre Arbeit nieder.

Agentur
sda
18.08.20 - 09:39 Uhr
Politik
Ein Demonstrant schwenkt eine Flagge mit dem Gesicht der belarussischen Präsidentenkandidatin Tichanowskaja. Foto: Dmitri Lovetsky/AP/dpa
Ein Demonstrant schwenkt eine Flagge mit dem Gesicht der belarussischen Präsidentenkandidatin Tichanowskaja. Foto: Dmitri Lovetsky/AP/dpa
Keystone/AP/Dmitri Lovetsky

Der wirtschaftliche Schaden, der durch die Streiks entstehe, treffe vor allem den Machtapparat, sagte die Aktivistin Moros in einer Videobotschaft. «Sie verstehen nur diese Sprache.» Die Machtelite benötige das Geld für ihr eigenes Wohlbefinden oder auch für die Einsatzkräfte bei den Protesten. Arbeitern, die Angst um ihre Existenz haben, sicherte die Opposition über einen Solidaritätsfonds finanzielle Hilfen zu. Die Betriebe gelten als elementar für das Funktionieren des Staates. Experten gehen davon aus, dass der Staatschef über die Arbeitsniederlegungen nach 26 Jahren an der Macht am schnellsten zum Aufgeben gedrängt werden kann.

Die Proteste gegen die Führung in Minsk waren ausgebrochen, nachdem Lukaschenko nach einer von Manipulationsvorwürfen überschatteten Wahl dennoch zum Sieger erklärt wurde. Bei den Demonstrationen wurden mindestens zwei Menschen getötet, mehr als 150 verletzt und rund 7000 Demonstranten festgenommen. Die meisten von ihnen sind jedoch wieder auf freien Fuss. Es sind die grössten Proteste, die Belarus in seiner Geschichte je erlebte.

Auch zu Beginn der zweiten Protestwoche forderten wieder Tausende Menschen im ganzen Land bei Demonstrationen Neuwahlen und die Freilassung der letzten politischen Gefangenen. Am Montagabend sammelten sich unzählige Menschen vor einem Gefängnis und zentralen Plätzen in Minsk. Sie riefen «Freiheit», «Hau ab» und «Es lebe Belarus», wie ein dpa-Reporter aus der Stadt berichtete.

Die Oppositionelle Tichanowskaja war vergangene Woche unter Druck der belarussischen Behörden in das EU-Land zu ihren Kindern geflüchtet. Tichanowskaja hatte aus dem Exil bekannt gegeben, die Verantwortung übernehmen und als nationale Anführerin handeln zu wollen. Nach Angaben ihres Teams soll bereits am Mittwoch ein Koordinierungsrat zusammenkommen, um Machtübergabe vorzubereiten.

Lukaschenko hatte aber mehrfach betont, nicht die Macht abgeben zu wollen. Es werde aktuell nicht zu Neuwahlen kommen. Er halte aber eine - vage angedeutete - Verfassungsänderung für möglich, nach der es irgendwann neue Abstimmungen gebe könnte. Experte bewerten dies jedoch als Versuch, Zeit zu gewinnen und die politische Krise irgendwie zu überstehen.

Auch der Druck aus dem Ausland steigt auf Lukaschenko. Für Mittwoch hat die EU einen Videogipfel angesetzt, um die Ereignisse in dem osteuropäischen Land zu besprechen. Gleichzeitig warnte EU-Ratschef Charles Michel vor einer Intervention von aussen. «Es sollte keine Einmischung von aussen geben», teilte er mit. Brüssel brachte wegen der Polizeigewalt bereits am Freitag neue Sanktionen gegen Unterstützer des Staatschefs Lukaschenko auf den Weg.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach nach Angaben aus Litauen mit Staatspräsident Gintanas Nauseda über die Lage in Belarus. Merkel dankte der Mitteilung aus Vilnius zufolge Litauen für seine Hilfe. Auch sei die Kanzlerin am Zustand und den Zukunftsplänen der Lukaschenko-Gegnerin interessiert gewesen.

Nauseda hatte zuvor auch mit seinem Amtskollegen aus Polen, Estland und Lettland beraten. Die vier Staatschefs, die angesichts der blutigen Proteste eine von Lukaschenko bereits abgelehnte Vermittlung angeboten haben, riefen im Anschluss zu Neuwahlen in Belarus auf.

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