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Zurück ans Zürcher Obergericht nach ungenügender Beweiswürdigung

Das Zürcher Obergericht muss sich erneut mit der Anklage eines zur Tatzeit Minderjährigen befassen, der 2015 einen Mann auf der Klopstockwiese in Zürich mit Faustschlägen schwer verletzte. Das Bundesgericht hat die Verurteilung des jungen Mannes aufgehoben.

Agentur
sda
11.06.20 - 12:00 Uhr
Politik
Das Bundesgericht kritisiert die Beweiswürdigung des Zürcher Obergerichts in einem Fall mit schweren Körperverletzungen. (Archivbild)
Das Bundesgericht kritisiert die Beweiswürdigung des Zürcher Obergerichts in einem Fall mit schweren Körperverletzungen. (Archivbild)
KEYSTONE/LAURENT GILLIERON

Das Bundesgericht kommt in einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil zum Schluss, das Obergericht habe die Beweise nicht umfassend gewürdigt und einfach den in der Anklage beschriebenen Sachverhalt übernommen.

Es sei jedoch gerade die Aufgabe des Obergerichts als Berufungsinstanz, eigenständig zu prüfen, ob für die einzelnen angeklagten Tatsachen ausreichende Anhaltspunkte bestehen. Das Bundesgericht hat die Beschwerde des bewusstlos Geschlagenen gutgeheissen.

Der Fall geht auf den September 2015 zurück. Der damals 64-jährige Beschwerdeführer soll im Klopstockpark masturbiert haben. Der fast 18-jährige junge Mann rief die Polizei und wartete auf deren Eintreffen. Dies geht aus dem Urteil des Bundesgerichts hervor.

Nach einigen Minuten soll sich der 64-Jährige dem Jugendlichen genähert, diesen angestarrt und wieder angefangen haben zu masturbieren. Der Jugendliche entfernte sich gut 70 Meter und rief dem Verfolger zu, er sei nicht homosexuell.

Schwere Verletzungen

Daraufhin soll sich der Gesichtsausdruck des Mannes verändert haben. Der Minderjährige interpretierte ihn als aggressiv, und er sagte aus, der Mann sei mit erhobenen Händen auf ihn zugegangen und habe ihn packen wollen. Um sich zu wehren, habe er dem 64-Jährigen zunächst einen Faustschlag ins Gesicht versetzt. Mindestens zwei weitere seien gefolgt.

Der Mann erlitt durch die Schläge ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und zahlreiche Brüche im Gesicht. Weil Blut in die Atemwege lief, bestand Lebensgefahr für den bewusstlos geschlagenen Mann. Aufgrund der Verletzungsfolgen ist er bis heute in seinem Alltag eingeschränkt. Eine Wiederaufnahme des bisherigen Berufes als Rechtsanwalt ist nicht realistisch, wie das Bundesgericht schreibt.

Das Jugendgericht sprach den jungen Mann im November 2017 vom Vorwurf der schweren Körperverletzung frei. Das Obergericht verurteilte ihn Anfang 2019 jedoch zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten wegen schwerer Körperverletzung im Notwehrexzess.

Die Anklage stellte weitgehend auf die Aussagen des Jugendlichen ab, weil sich der Niedergeschlagene nicht mehr erinnern kann. Dieser bestreitet die Vorgeschichte, wie es zu den Faustschlägen kam. (Urteile 6B_589, 6B_597 und 6B_599/2019 vom 26.5.2020)

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