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Wirtschaftshistoriker zweifelt an Wirksamkeit der Corona-Vorschläge

Der Wirtschaftshistoriker an der Universität Zürich, Tobias Straumann, hat sich skeptisch bezüglich der Vorschläge zur Ankurbelung der Wirtschaft in der Coronavirus-Krise gezeigt. Viele Ideen taugen nichts, sagte er der «Neuen Zürcher Zeitung» vom Dienstag.

Agentur
sda
05.05.20 - 05:44 Uhr
Politik
Halbierung der Mehrwertsteuer, 200-Franken-Scheck oder Nationalbank-Geld: Der Professor für Wirtschaftsgeschichte der Universität Zürich, Tobias Straumann, hält diese Ideen allesamt derzeit für unnötig. (Archivbild)
Halbierung der Mehrwertsteuer, 200-Franken-Scheck oder Nationalbank-Geld: Der Professor für Wirtschaftsgeschichte der Universität Zürich, Tobias Straumann, hält diese Ideen allesamt derzeit für unnötig. (Archivbild)
KEYSTONE/MARCEL BIERI

So findet er den Vorschlag, die Mehrwertsteuer zu halbieren, derzeit nicht adäquat. «In der jetzigen Situation taugt diese Idee nicht, um den Konsum anzukurbeln. Die Kaufkraft ist nicht das Problem, sondern die Konsumzurückhaltung aus Angst vor einer Ansteckung», erklärte der Wissenschaftler.

Auch die Idee, jedem Bürger und jeder Bürgerin unverzüglich 200 Franken zukommen zu lassen, wie es die SP thematisiert hat, prallt an Straumann ab. «Dieses Geld würde ebenfalls keine Wirkung entfalten. Vermutlich würde es bei den meisten einfach auf dem Sparkonto landen. Dazu kommt, dass Helikoptergeld nur als hochriskante Massnahme für überschuldete Staaten gedacht ist», sagte der Professor.

Die Schweiz sei aber in einer besseren Situation, denn das Land habe genügend Spielraum bei den Bundesfinanzen, sagte er. Zudem habe die Schweiz derzeit keine hohe Zinslast zu tragen und es bestehe keine Gefahr, dass die Wirtschaft wegen mangelnder Stützungsmassnahmen des Staates in eine Deflationsfalle, also in einen Sog dauerhaft sinkender Preise, gerate, erklärte er weiter.

Keine Depression

Auch das Anzapfen der Nationalbank während der Coronavirus-Krise hält Straumann für keine gute Idee. «Nur überschuldete Staaten wenden sich in ihrer Verzweiflung an die Zentralbank, um Hilfe für ihre finanzpolitischen Probleme anzufordern. Dieses gefährliche Manöver ist in der Schweiz nicht nötig», hiess es gegenüber der «NZZ». Ausserdem brauche die Nationalbank einen grossen Reservefonds, um abrupte Ertragseinbrüche - wie etwa im ersten Quartal 2020 bereits gesehen - auffangen zu können.

Der Bund sollte nach Meinung des Zürcher Wissenschaftlers aber immer wieder prüfen, ob er bei seinen Stützungsmassnahmen wirklich alle notleidenden Branchen adäquat erfasst habe. Sonst gebe es für Straumann im Moment weiteren keinen Handlungsbedarf. «Wir müssen einfach warten, bis wir sehen, ob die Lockerungen gut funktionieren.» Er sehe keine Anzeichen, dass die Rezession in eine Depression münden werde, betonte Staumann.

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