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«​​​​​​​Keine Rede darf länger als eine A4-Seite sein»

Seit sechs Monaten ist Alessandro Della Vedova offiziell höchster Bündner. Und noch weitere sechs Monate ist der CVP-Politiker Standespräsident Graubündens. Zeit für eine Zwischenbilanz. In Worten und Zahlen.

Kristina
Schmid
17.01.20 - 04:30 Uhr
Politik
Alessandro Della Vedova ist nun seit sechs Monaten der Standespräsident Graubündens.
Alessandro Della Vedova ist nun seit sechs Monaten der Standespräsident Graubündens.
MARCO HARTMANN

Herr Della Vedova, Sie sind seit sechs Monaten höchster Bündner. Haben Sie sich das Amt so vorgestellt, wie es nun ist?

In der Tat habe ich es mir so vorgestellt, wie ich das Amt nun erlebe. Ich bin sehr viel unterwegs und treffe sehr viele Leute. Überrascht hat mich einzig, wie sehr sich die Leute freuen, wenn man ihre Veranstaltungen besucht – was aber nicht an mir liegt, sondern am Amt, das ich bekleide. Ein positiver Empfang ist eine Motivationsspritze, auch weiterhin viel unterwegs zu sein.

Ein freundlicher Empfang dürfte wohl zu denen schönen Seiten gehören, die das Amt eines Standespräsidenten mit sich bringt.

Ja. Überhaupt ist es schön, so viele tolle Anlässe besuchen zu dürfen. Dabei freue ich mich gleichermassen auf grosse wie kleine Veranstaltungen. Ich war letztens bei einer Veranstaltung der Landeskirche, die von Frauen organisiert wurde. Darauf freute ich mich genauso sehr wie auf das bevorstehende Jahrestreffen des World Economic Forum in Davos, das internationale Ausstrahlung geniesst.

Also werden Sie am WEF dabei sein?

Ja, ich werde bei der Eröffnung des 50. Jahrestreffen und bei der Eröffnung des House of Switzerland dabei sein. Ausserdem werde ich noch einige Veranstaltungen in Davos besuchen. Welche, ist aber noch offen.

Gibt es weitere Aspekte, die Sie an diesem Amt erfreuen?

Ich habe mir zu Beginn meiner Amtszeit vorgenommen, gewisse Punkte bei meinen Ansprachen stets umzusetzen. Und das habe ich bisher durchgezogen. Umso mehr freut es mich, wie meine Ansprachen – vor allem jene im Grossen Rat – bisher angekommen sind.

Von welchen Punkten sprechen Sie?

In jeder Ansprache will ich ein konkretes Thema ansprechen, nicht etwa philosophieren. Deshalb ging es in einer meiner ersten Reden um die Transparenz bei der Parteienfinanzierung. Es soll aber auch vor allem um Themen gehen, die den Alltag vieler Leute betreffen. Ausserdem will ich die Leute nicht langweilen, weshalb keine meiner Reden länger sein darf als eine A4-Seite.

Was gehört zu den weniger schönen Seiten, die das Amt mit sich bringt?

Man hat weniger Zeit für die Familie. Aber sonst gibt es keine. Es ist eine Frage der Einstellung. Man muss sehen, welche Ehre es ist, dieses Amt bekleiden zu dürfen. Man muss sehen, welche Chancen dieses Amt mit sich bringt. Und man muss sehen, dass man nur ein Jahr lang Zeit hat, das Amt zu übernehmen. Da muss man einfach mit Herzblut dabei sein.

Was für Chancen?

In dieser Position habe ich die Möglichkeit Orte zu besuchen, die ich sonst nur selten oder gar noch nie besucht habe. Ich kann mit den Menschen reden, die dort leben und arbeiten. Und ich kann aus erster Hand erfahren, wo der Schuh drückt. Wenn ich die Probleme kenne, kann ich Vorstösse einreichen, die diese Probleme angehen.

Während Ihrer Amtszeit können Sie aber keine Vorstösse einreichen. Sie müssen neutral sein.

Ganz genau. Ich sammle wertvolle Erfahrungen, die ich nach meiner Amtszeit nutzen kann.

Haben Sie Mühe damit, neutral zu sein?

Nein. Das Amt verlangt es so. Und auch das ist nur eine Kopfsache, mental Training. Natürlich würde ich gerne meine Meinung manchmal äussern, etwa zur Steuerrevision (lacht). Das war meine Feuertaufe. Aber es ist Teil des Amtes, neutral zu sein. Ausserdem kann ich nach einem Jahr wieder aktiv politisieren.

Noch sechs Monate und dann zählen auch Sie zu den Alt-Standespräsidenten. Was steht noch an?

Ich will alle Täler Graubündens gesehen und besucht haben, bevor mein Amt endet. Und die einzigen Täler, die ich noch nicht besucht habe, sind Avers und das Safiental. Aber ich werde bald auch dort sein. Es ist schon einiges in Planung.

Und dann? Was ist Ihr nächstes Ziel? Die Bündner Regierung? Das Parlament in Bern? Die CVP-Parteispitze?

Zurzeit geniesse ich diese Zeit, wie sie begrenzt ist. Im Moment bin ich Standespräsident und weiter schaue ich nicht.

Und das sollen wir glauben?

Ja. Ich hatte mal Ambitionen. Das gebe ich zu. Aber die Abwahl als Gemeindepräsident von Poschiavo vor anderthalb Jahren war mir ein Denkzettel. Seither lebe ich Tag für Tag, versuche das Beste zu machen, und mir selbst treu zu bleiben. Deshalb denke ich nicht weiter.

Kristina Schmid berichtet über aktuelle Geschehnisse im Kanton und erzählt mit Herzblut die bewegenden Geschichten von Menschen in Graubünden. Sie hat Journalismus am MAZ studiert und lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern im Rheintal, worüber sie in ihrem Blog «Breistift» schreibt. Mehr Infos

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