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Caritas nimmt Bund bei Bekämpfung der Kinderarmut in die Pflicht

Die Caritas fordert das neue Parlament, den Bund und die Kantone auf, schweizweit Familienergänzungsleistungen zur Verhinderung von Kinderarmut durchzusetzen. Es brauche ein Rahmengesetz des Bundes, dieser und die meisten Kantone seien bisher untätig geblieben.

Agentur
sda
02.12.19 - 10:30 Uhr
Politik

Dass sich der Bund aus der Armutsbekämpfung heraushalte und die Zuständigkeit alleine den Kantonen übertrage, ist für Caritas-Direktor Hugo Fasel «nicht akzeptabel», wie er am Montag gemäss Redetext vor den Medien in Bern erklärte. Der Bund betreibe bei der Bekämpfung der Kinderarmut leider «Arbeitsverweigerung», kritisierte auch Martin Flügel, Leiter Politik und Public Affairs bei Caritas.

Ein Rahmengesetz muss laut Fasel Ergänzungsleistungen für Familien gesetzlich verankern, für Familien in der ganzen Schweiz flächendeckend einführen, Mindestvorschriften für dessen Ausgestaltung festgelegen und die Mitfinanzierung der Leistungen durch den Bund definieren.

In jeder Schulklasse ein Kind

In der Schweiz leben laut Marianne Hochuli, Leiterin Bereich Grundlagen bei Caritas, rund 1,7 Millionen Kinder. Davon seien rund 100'000 von Armut betroffen. In jeder Schulklasse sitze also durchschnittlich ein solches Kind. Armutsgefährdet seien sogar mehr als drei. 70 Prozent aller armutsbetroffenen Kinder wachsen laut Hochuli in Working-Poor-Haushalten auf.

Weitere Risikofaktoren seien Familien mit flexiblen Arbeitsverhältnissen, die deswegen oft vor unüberwindbaren Problemen stünden. Und Kinder von Alleinerziehenden seien überdurchschnittlich von Armut betroffen, weil das Risiko bei einer Scheidung schlecht abgesichert sei.

Grösste Gruppe in der Sozialhilfe

Ein Drittel aller Sozialhilfebeziehenden in der Schweiz seien Kinder und Jugendliche. Sie bildeten die grösste Gruppe in der Sozialhilfe. Die Armut wirkt sich laut Caritas auf die Lebensläufe dieser Kinder aus. Sie haben geringere Bildungs- und Lebenschancen.

Auf Bundesebene sei es bisher leider nicht gelungen, die Existenzsicherung von Familien voranzutreiben, bedauerte auch Hochuli. In den vier Kantonen Waadt, Genf, Tessin und Solothurn, die Familienergänzungsleistungen eingeführt haben, zeigten sich indes klar positive Wirkungen. Die Armutsquoten seien teilweise doch beträchtlich gesunken.

Vorreiter Kanton Waadt

Als Vorzeigebeispiel gilt der Caritas insbesondere der Kanton Waadt. Dort werden die Leistungen bis ins Jugendalter ausbezahlt und für den Bezug wird kein Erwerbseinkommen oder -pensum vorausgesetzt, wie dies in den anderen drei Kantonen der Fall ist.

Die übrigen 22 Kantone haben die Familienergänzungsleistungen vor allem aus finanziellen Gründen nicht eingeführt. Dabei habe sich gezeigt, dass deutlich weniger Familien Sozialhilfe beziehen müssen, wenn der Kanton Ergänzungsleistungen für Familien bezahle.

Nicht einfach eine «linke Idee»

Ergänzungsleistungen für Familien seien nicht einfach eine «linke Idee», sagte Flügel laut Redetext. Dies zeige der Umstand, dass das Instrument von kantonalen Parlamenten mit bürgerlichen Mehrheiten eingeführt worden sei. Das sei liberale Sozialpolitik.

Nebst der Verhinderung der Familienarmut schafften Ergänzungsleistungen für Familien die Grundlage für mehr Selbstverantwortung, bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt und höhere Chancengleichheit der Betroffenen. Zudem hätten sie auch präventiven Charakter und seien effizienter, weil der administrative Aufwand weniger gross sei als bei der Sozialhilfe.

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