×

Frankreichs Ex-Präsident Jacques Chirac 86-jährig gestorben

Der frühere französische Präsident Jacques Chirac ist tot. Er starb am Donnerstag im Alter von 86 Jahren, wie sein Schwiegersohn Frédéric Salat-Baroux der Nachrichtenagentur AFP sagte. Chirac sei am Morgen im Kreis seiner Angehörigen «friedlich» gestorben.

Agentur
sda
26.09.19 - 14:33 Uhr
Politik

Beide Kammern des Pariser Parlaments legten eine Schweigeminute ein. Zahlreiche Politiker äusserten sich betroffen; für 20.00 Uhr wurde eine Fernsehansprache von Präsident Emmanuel Macron angekündigt.

Der konservative Politiker Chirac prägte wie kaum ein anderer Politiker über Jahrzehnte das Bild Frankreichs und war bei seinen Landsleuten wegen seiner Volksnähe populär. Im Laufe seine langen politischen Karriere war Chirac mehrfach Minister, zweimal Premierminister und zwölf Jahre lang - von 1995 bis 2007 - Präsident Frankreichs.

In der Aussenpolitik sah sich Chirac in der Tradition von Republikgründer Charles de Gaulle und vertrat den Kurs eines aussenpolitisch unabhängigen Frankreichs, insbesondere auch im Verhältnis zu Washington. Dies sorgte besonders für Aufsehen, als er sich gemeinsam mit dem deutschen Kanzler Gerhard Schröder im Jahr 2003 gegen den US-Einmarsch im Irak stemmte.

Auf EU-Ebene setzte der überzeugte Europäer Chirac die enge Partnerschaft mit Deutschland fort - und vertrat immer wieder vehement auch die Interessen der französischen Landwirte. Zum politischen Erbe Chiracs gehören daneben die Verkürzung der Amtszeit des Präsidenten von sieben auf fünf Jahre, die Abschaffung der Wehrpflicht und die Anerkennung der Mitverantwortung des französischen Staates für Nazi-Verbrechen.

Wegen Veruntreuung verurteilt

Nach seinem sozialistischen Vorgänger François Mitterrand, der von 1981 bis 1995 im Präsident war, kam Chirac auf die zweitlängste Amtszeit eines französischen Staatschefs nach dem Zweiten Weltkrieg. Er war aber auch der erste Präsident, der nach dem Ausscheiden aus dem Amt 2011 verurteilt wurde - wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder.

Ihm wurde nachgewiesen, über ein System der Scheinbeschäftigungen Gelder in die Parteikasse geleitet zu haben. Die Affäre reichte in seine Zeit als Pariser Bürgermeister in den 1990er Jahren zurück, als er knapp dreissig Mitarbeiter aus der Stadtkasse bezahlte, obwohl sie gar nicht für die Verwaltung arbeiteten.

Chiracs letzte Lebensjahre waren geprägt von Gedächtnisverlusten und Schwerhörigkeit. Seinen letzten grossen Auftritt in der Öffentlichkeit absolvierte er 2014 in Paris am Musée du Quai-Branly, das seither seinen Namen trägt. Chirac hatte sich stets durch seine Leidenschaft für Kunstschätze aus fernen Ländern und für das Sumo-Ringen ausgezeichnet.

«Weiser und weitsichtiger Staatsmann»

Der ehemalige französische Präsident François Hollande würdigte seinen Amtsvorgänger als grossen Vertreter Frankreichs. «Er war ein Kämpfer», erklärte Hollande, der von 2012 bis 2017 im Élyséepalast regierte, am Donnerstag via Twitter. «Die Franzosen, gleich welcher Auffassung, verlieren heute einen Staatsmann, aber auch einen Freund», schrieb der Sozialist.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zeigte sich bestürzt. Juncker sei «bewegt und am Boden zerstört» durch die Nachricht vom Tode Chiracs, sagte eine Sprecherin in Brüssel. Europa verliere damit «nicht nur einen grossen Staatsmann», sondern Juncker persönlich auch «einen guten Freund».

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel würdigte Chirac als «herausragenden Partner und Freund». «Ich trauere mit seiner Familie und mit dem französischen Volk um einen grossen Staatsmann und Europäer», erklärte Merkel nach Angaben ihres Sprechers.

Der russische Präsident Wladimir Putin bezeichnete Chirac als weisen und weitsichtigen Staatsmann. Eine ganze Ära in der Geschichte Frankreichs sei mit seinem Namen verbunden, heisst es in einem Beileidsschreiben, das der Kreml am Donnerstag in Moskau veröffentlichte.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Politik MEHR