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Bundesrat ernennt Informatiker und Ex-Banker Süssli zum Armeechef

Der Bundesrat ernennt einen Ex-Banker und Informatikspezialisten zum Chef der Armee. Der 52-jährige Thomas Süssli folgt auf Philippe Rebord, der Ende Jahr aus gesundheitlichen Gründen zurücktritt.

Agentur
sda
04.09.19 - 16:18 Uhr
Politik
Der Bundesrat ernennt den obersten Cyberkrieger zum Chef der Armee. Bevor Thomas Süssli Chef der Führungsunterstützungsbasis wurde, war er als Informatiker und Bankmanager tätig.
Der Bundesrat ernennt den obersten Cyberkrieger zum Chef der Armee. Bevor Thomas Süssli Chef der Führungsunterstützungsbasis wurde, war er als Informatiker und Bankmanager tätig.
KEYSTONE/PETER KLAUNZER

Süssli war zwar als möglicher Nachfolger im Gespräch gewesen. Wahrscheinlicher schien aber die Wahl von Claude Meier, Chef des Armeestabs, oder Divisionär Hans-Peter Walser, Kommandant der Territorialdivision 2. Auch Brigadier Germanie Seewer stand auf der Shortlist von Verteidigungsministerin Viola Amherd. Mit ihr wäre erstmals eine Frau Armeechefin geworden.

Doch Amherds Wahl fiel auf den Quereinsteiger Süssli - Programmierer, Wirtschaftsinformatiker, Unternehmer und Bankmanager - der noch 2015 für die Bank Vontobel in Asien unterwegs war. Erst im Juli 2015 wurde Süssli Berufsoffizier.

Der Bundesrat ernannte ihn damals zum Kommandanten der Logistikbrigade 1. 2018 erfolgte die Beförderung zum Divisionär und die Ernennung zum Chef der Führungsunterstützungsbasis der Armee. Damit war Süssli organisatorisch eine Stufe unter dem Armeechef angekommen.

Cyber-Krieger

Dass ihm als ehemaligem Sanitätssoldaten und Projektmanager der «Pulvergeruch» zum Armeechef fehlt, glaubt Süssli nicht. Er habe als Milizoffizier häufig die gleichen Ausbildungen gemacht wie seine Berufskollegen, sei durch die gleichen Führungsausbildungen gegangen, dazu habe er noch zivile Erfahrung. Entscheidend sei, die Experten früh einzubeziehen - auch jene mit dem Pulvergeruch.

Amherd ihrerseits machte klar, dass es gerade Süsslis Werdegang ist, die ihn zum Armeechef qualifizieren. Süssli habe zahlreiche komplexe Grossprojekte umgesetzt und grosse Erfahrungen im Bereich Cyber vorzuweisen, sagte sie. Ausserdem habe er ein grosses Mass an Führung-, Organisations- und Sozialkompetenz.

Die Verteidigung gegen Cyber-Bedrohungen gehört zu den grössten Herausforderungen für die Armee. Die Bedrohung sei seit Jahren bekannt, die Abwehr ständig ausgebaut worden, sagte Süssli. Als Chef der Führungsunterstützungsbasis ist er für den Bereich Cyber verantwortlich. Vor einem Jahr lancierte er die erste Cyber-RS. «Auch in Friedenszeiten tobt im virtuellen Raum ein Krieg», sagte er damals.

Hybride Konflikte

Süssli ist keineswegs auf den Cyberkrieg fixiert. Die neuen Bedrohungen hätten die alten nicht abgelöst, sie seien hinzugekommen, hielt er fest. So nannte er denn auch die Umsetzung der Armeereform WEA an erster Stelle der Herausforderungen. Dabei geht es unter anderem darum, die Truppe vollständig auszurüsten und bei Bedarf rasch mobilisieren zu können.

In Süsslis Amtszeit wird auch die Abstimmung über den Kauf neuer Kampfflugzeuge fallen - mögliches Abstimmungsdatum ist der 27. September 2020. Zudem gilt es, neue Fliegerabwehrraketen zu kaufen und die Bodentruppen neu aufzustellen. Im Verteidigungsdepartement denkt man zur Zeit darüber nach, wie diese besser auf hybride Konflikte vorbereitet werden können.

Kulturwandel an der Armeespitze

Panzerverbände spielen in diesen Überlegungen eine untergeordnete Rolle. Süssli wird also einen Kulturwandel begleiten müssen, in der die Armee auch mit Desinformation, nicht-staatlichen Gegnern und Gefechtssituationen mitten im Wohngebiet fertig werden muss.

Amherd bestritt nicht, dass es an der Armeespitze einen Kulturwandel braucht. «Ich bin überzeugt, dass Divisionär Süssli die Armee erfolgreich in die Zukunft führen wird», sagte sie.

Bleibt die Frage, warum Süssli eine erfolgreiche Karriere in der Privatwirtschaft relativ spät gegen das Soldatenleben eintauschte. Eine «Herzensangelegenheit», erklärte er. Die Ernennung zum Berufsoffizier habe er als «Berufung» erlebt, die er nie bereut habe.

Gesundheitliche Gründe

Anders als Süssli ist Armeechef Rebord seit über 30 Jahren Berufsmilitär. Anfang April hatte er angekündigt, auf Ende Jahr zurücktreten zu wollen. Als Grund gab er eine schwere Thrombose und einen anstehenden Eingriff am Hüftgelenk an. Rebord leidet deswegen unter starken Schmerzen. Er werde sich «durchbeissen», sagte er damals.

Rebord hat Ende 2016 die Nachfolge von André Blattmann übernommen. Im April 2016 hatte ihn der Bundesrat schon zu Blattmanns Stellvertreter ernannt. Die WEA-Umsetzung und das Projekt Kampfjet-Kauf gingen bisher ohne grössere Störungen voran.

Belastet wurde Rebords Amtszeit jedoch durch den Spesenskandal in der Armee. Rebord hatte die Partnerinnen von Stabsoffizieren mit dem Helikopter an ein Seminar im Wallis einfliegen lassen. Nachdem ein Untersuchungsbericht solche Praktiken enthüllt hatte, räumte Rebord moralische Fehler ein und versprach einen Kulturwandel.

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