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Politiker gedenken in Warschau der Weltkriegsopfer

Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Polen bei den Gedenkfeiern zum Beginn des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren um Vergebung für die historischen Verbrechen Deutschlands gebeten.

Agentur
sda
01.09.19 - 17:21 Uhr
Politik

«Ich verneige mich in Trauer vor dem Leid der Opfer. Ich bitte um Vergebung für Deutschlands historische Schuld. Ich bekenne mich zu unserer bleibenden Verantwortung», sagte Steinmeier am Sonntag in Warschau.

Polens Präsident Andrzej Duda empfing auf dem Pilsudski-Platz im Zentrum der polnischen Hauptstadt Staatsgäste aus mehr als 30 Ländern, unter ihnen auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und US-Vizepräsident Mike Pence.

Der Überfall auf Polen am 1. September 1939 markierte den Beginn des Zweiten Weltkriegs. In Polen wurden rund sechs Millionen Menschen getötet, etwa die Hälfte von ihnen waren Juden.

«Meine Landsleute entfesselten einen grausamen Krieg, der mehr als fünfzig Millionen Menschenleben kosten sollte, unter ihnen Millionen polnische Bürgerinnen und Bürger», sagte Steinmeier. «Dieser Krieg war ein deutsches Verbrechen.»

Die Vergangenheit sei nicht abgeschlossen: «Wir vergessen die Wunden nicht, die Deutsche Polen zugefügt haben», betonte Steinmeier und fügte auf Polnisch hinzu: «Wir werden niemals vergessen.»

«Wunder der Versöhnung»

Steinmeier verwies in seiner Rede auch auf die Aussöhnung der beiden Nachbarländer: «Dass auf diesem Platz, an diesem Tag ein deutscher Präsident vor Ihnen stehen und sprechen darf - das zeigt das lebendige Wunder der Versöhnung.» Diese Versöhnung sei eine Gnade, «die wir Deutschen nicht verlangen konnten, aber der wir gerecht werden wollen».

US-Präsident Donald Trump hatte seine Teilnahme an der Gedenkfeier in Warschau wegen des Hurrikans «Dorian» kurzfristig abgesagt und seinen Stellvertreter Pence nach Warschau geschickt. Auch der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj zählte zu den Gästen der Zeremonie. Russlands Präsident Wladimir Putin hingegen wurde nicht eingeladen.

Duda appellierte an die internationale Gemeinschaft, entschieden gegen militärische Aggressionen vorzugehen. Den deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939 hätte es möglicherweise nicht gegeben, wenn sich die Westmächte dem Anschluss Österreichs entgegenstellt und scharf gegen die Verfolgung von Juden in Deutschland protestiert hätten, sagte er.

Duda warnte in Anspielung auf Russland, imperialistische Tendenzen in Europa gebe es auch heute. «2008 Georgien, 2014 Ukraine, bis heute Grenzverschiebung, Okkupation, Kriegsgefangene und militärische Provokationen.»

Verantwortung für Europa

Steinmeier betonte, Deutschland trage für Europa eine besondere Verantwortung. Das vereinte Europa sei «die Lehre aus Jahrhunderten von Krieg und Verwüstung, von Feindschaft und Hass».

US-Vizepräsident Pence verzichtete in Warschau auf die Kritik an den aus US-Sicht zu niedrigen deutschen Verteidigungsausgaben. Er forderte nur in allgemeiner Form, dass alle Nato-Partner zu ihren Verpflichtungen bekennen müssten.

Bereits am frühen Sonntagmorgen hatte Steinmeier zusammen mit Duda in der Kleinstadt Wielun an den ersten Angriff der deutschen Luftwaffe auf Polen erinnert.

«Wielun war ein Fanal, ein Terrorangriff der deutschen Luftwaffe und ein Vorzeichen für alles, was in den dann kommenden sechs Jahren noch folgen sollte», sagte der deutsche Bundespräsident. Auch in Wielun bekannte sich Steinmeier zur historischen Schuld Deutschlands und bat Polen um Vergebung.

«Moralische Wiedergutmachung»

Das gemeinsame Gedenken der beiden Präsidenten in Wielun war eine aussergewöhnliche Geste der Versöhnung: Duda empfing Steinmeier noch vor Morgengrauen auf dem Marktplatz der Kleinstadt - genau 80 Jahre nach dem Beginn des verheerenden Luftangriffs, bei dem etwa 1200 Zivilisten getötet wurden.

Die ersten Bomben auf Wielun fielen gegen 4.40 Uhr und damit wenige Minuten vor dem deutschen Angriff auf die Halbinsel Westerplatte vor Danzig.

Duda bezeichnete den Angriff auf Wielun als «Kriegsverbrechen» und «grausame Barbarei». Er dankte Steinmeier dafür, dass er als erster deutsche Bundespräsident nach Wielun gekommen ist. «Ich bin überzeugt, dass diese Zeremonie in die Geschichte der deutsch-polnischen Freundschaft eingehen wird», sagte er. «Dass Sie hier sind, ist eine Form der moralischen Wiedergutmachung.»

Der Streit über deutsche Reparationszahlungen kam am Sonntag nicht zur Sprache. Die polnische Regierung hatte zuletzt den Druck auf Berlin erhöht, in dieser Frage zu einer Lösung zu kommen. Aus Sicht der deutsche Regierung ist das Thema hingegen «juristisch und politisch abgeschlossen».

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