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Verhärtete Fronten zwischen London und Brüssel

Mit dem Regierungsantritt der britischen Premierministers Boris Johnson haben sich im Ringen um den Brexit die Fronten zwischen London und Brüssel verhärtet. Beide Seiten warfen sich am Donnerstag «inakzeptable» Lösungsansätze vor.

Agentur
sda
25.07.19 - 18:36 Uhr
Politik

Johnson nannte das vorliegende Abkommen zum geplanten Austritt Grossbritanniens aus der EU «inakzeptabel», EU-Unterhändler Michel Barnier Johnsons Forderungen nach dessen Veränderung. Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon verlangte von Johnson einen Kurswechsel und bekräftigte ihr Ankündigung eines Unabhängigkeitsreferendums Schottlands.

Johnson erklärte vor dem Londoner Unterhaus die Vorbereitungen für einen ungeregelten Brexit zur «höchsten Priorität». Der Tory-Chef drohte damit, im Falle eines ungeregelten Brexits die Austrittsrechnung von 39 Milliarden Pfund (gut 49 Milliarden Franken) nicht zu begleichen und das Geld stattdessen in die Vorbereitungen eines vertragslosen Austritts zu stecken.

«Ich würde es bevorzugen, wenn wir die EU mit einem Abkommen verliessen - ich würde es stark bevorzugen», sagte er. Eine Neuverhandlung des Austrittsvertrags sei «selbst zu diesem späten Zeitpunkt» noch möglich, und er werde «mit Hochdruck daran arbeiten», ein neues Abkommen zu erreichen. Das von seiner Vorgängerin Theresa May verhandelte Abkommen sei jedoch «für das Abgeordnetenhaus und das Land inakzeptabel», sagte Johnson.

EU: «Das bestmögliche Abkommen»

Die EU hat eine Neuverhandlung des Austrittsabkommens seit Monaten kategorisch abgelehnt. EU-Sprecherin Mina Andreeva sagte am Donnerstag, die Haltung der EU sei unverändert, das Abkommen sei «das bestmögliche».

Barnier bezeichnete seinerseits Johnsons Forderungen als «inakzeptabel». Der EU-Unterhändler reagierte in einer E-Mail an EU-Botschafter, welche die Nachrichtenagentur AFP einsehen konnte, auf Johnsons Ruf nach Nachverhandlungen, insbesondere über die umstrittene Grenzregelung für Nordirland, den sogenannten Backstop.

Barnier hatte unmittelbar nach Johnsons Wahl zum Tory-Chef lediglich die Bereitschaft erklärt, die politische Erklärung zu den künftigen Beziehungen zu Grossbritannien nach dem EU-Austritt «zu überarbeiten». Die EU kündigte an, dass Johnson erstmals nach seinem Amtsantritt am Donnerstag gegen 17.45 Uhr mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker telefonieren werde.

Radikaler Schnitt im Kabinett

Johnsons Kabinett traf am Donnerstag erstmals zusammen. In einem radikalen Schnitt hatte der neue Premierminister mehr als die Hälfte der Ministerämter neu besetzt. Schlüsselposten vergab er an Brexit-Hardliner wie den früheren Brexit-Minister Dominic Raab, der Jeremy Hunt im Amt des Aussenministers nachfolgt.

Die Mehrheit der Abgeordneten im Londoner Parlament will einen ungeregelten Brexit verhindern. Oppositionsführer Jeremy Corbyn forderte Johnson kurz nach dessen Wahl zum Tory-Chef zu Neuwahlen auf.

Schottland ist besorgt

Es sei «dringend erforderlich, dass Sie den Kurs sofort ändern, um bleibenden Schaden für das Volk von Schottland abzuwenden», schrieb Sturgeon an Johnson. Angesichts des geplanten EU-Austritts Grossbritanniens sei es «mehr als je zuvor wesentlich, dass wir in Schottland eine alternative Option haben». Ihre linksgerichtete Partei SNP strebt die Loslösung Schottlands vom Vereinigten Königreich an.

Das Brexit-Votum in Grossbritannien hat Schottlands Unabhängigkeitsbestrebungen befeuert. Während bei dem Referendum über einen EU-Austritt im Juni 2016 landesweit 52 Prozent der Bürger für den Brexit stimmten, votierten in Schottland 62 Prozent für einen Verbleib in der EU.

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