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«Unverantwortlich»: Sánchez nach Abstimmungspleite am Pranger

Spanien droht nach einer neuen Abstimmungspleite von Ministerpräsident Pedro Sánchez eine Wiederauflage der politischen Blockade von 2016. Das Parlament in Madrid erteilte am Donnerstag den Wiederwahl-Absichten des 47 Jahre alten Sozialisten erneut eine klare Absage.

Agentur
sda
25.07.19 - 16:42 Uhr
Politik
Abgang von Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchez (links) nach der Abstimmungspleite im Parlament in Madrid.
Abgang von Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchez (links) nach der Abstimmungspleite im Parlament in Madrid.
KEYSTONE/EPA EFE/BALLESTEROS

Sánchez' sozialdemokratisch orientierte Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) hatte es zuvor versäumt, bei komplizierten Verhandlungen ein Koalitionsabkommen mit dem linksalternativen Bündnis Unidas Podemos (UP) zu erzielen. «Meine Überzeugungen sind wichtiger als das Amt des Regierungschefs», rechtfertigte Sánchez seine ablehnende Haltung gegenüber den Linksalternativen.

Die enthielten sich am Ende der Stimme, während die Konservativen, Liberale, Rechtspopulisten und andere mit Nein stimmten. Die neue Pleite von Sánchez setzte einen von der Verfassung vorgeschriebenen Wettlauf gegen die Zeit in Gang: Hat die viertgrösste Volkswirtschaft der Eurozone bis Mitternacht des 23. Septembers keine Regierung, muss König Felipe VI. am Tag darauf eine neue vorgezogene Parlamentswahl ansetzen, die voraussichtlich im November stattfinden würde.

Bis dahin würden die Sozialisten geschäftsführend und mit einer parlamentarischen Minderheit weiterregieren. Die Befugnisse sind dann aber deutlich eingeschränkt - nicht nur, was die politischen Möglichkeiten, sondern auch was die Moral betrifft.

2016 lässt grüssen

Erinnerungen an 2016 werden wach. Damals war das Land fast ein Jahr lang ohne reguläre Regierung geblieben. Die schwache konservative Regierung, die aus der Blockade hervorging, hielt nicht lange. Sie wurde im Juni 2018 von Sánchez per Misstrauensvotum gestürzt.

Der Sozialist musste im Februar wiederum die Wahlen vorziehen, als die katalanischen Separatisten ihm die Unterstützung für den Etatentwurf verweigerten. Die Neuwahl am 28. April gewann die PSOE zwar klar, die absolute Mehrheit verpasste die Partei aber deutlich.

Medien mutmassen in Spanien, dass Sánchez die Abstimmungspleiten dieser Woche in Kauf genommen hat, weil er glaubt, dass seine Partei bei einer Neuwahl noch besser als im April abschneiden würde. Da könnte er sich aber irren. Das meinen nicht nur die politischen Gegner des Sozialisten, die - wie der Generalsekretär der konservativen Volkspartei PP, Teodoro Garcia Egea - sagten, Sánchez habe bewiesen, dass ihm «nicht über den Weg zu trauen» sei.

«Eine historische Chance verpasst»

Aber auch einige, die der PSOE nahestehen, glauben, dass die Rechnung nicht aufgehen könnte. PSOE und UP hätten in «höchst unverantwortlicher Form eine historische Chance verpasst», eine progressistische Regierung zu bilden, sagte der Generalsekretär des grössten Gewerkschaftsverbandes CCOO, Unai Sordo, und warnte vor einem «grauenvollen Szenario». Er habe mit Wählern beider Lager gesprochen, die wegen der «unseriösen Koalitionsverhandlungen» über eine Abstrafung nachdenken.

Das Linksbündnis UP, das als viertstärkste Kraft aus der Neuwahl hervorgegangen war, wollte Sánchez keinesfalls ohne Gegenleistung ins Amt verhelfen und hatte auf mehrere Ministerposten gepocht. Schliesslich hatten sich beide Seiten auch etwas aufeinander zubewegt. Während Sánchez jedoch nur Ressorts von nebensächlichem Rang offerierte, wollte UP mehr, so vor allem das Arbeitsministerium - das die PSOE aber nicht hergeben wollte.

UP-Chef Pablo Iglesias kritisierte bei einer Rede im Parlament Sánchez' Verhalten als «respektlos» und «schäbig» und betonte: «Wir wollen Kompetenzen, nicht nur Sessel.» Ein Podemos-Sprecher wurde noch deutlicher: «Wir wollten das Gästezimmer und haben die Hundehütte angeboten bekommen.»

Zwei Monate Zeit für Korrektur

Hätten sich PSOE und UP geeinigt, so hätte Spanien - in dem lange ein Zweiparteiensystem herrschte - die erste Koalitionsregierung seit dem Ende der Franco-Diktatur vor vier Jahrzehnten bekommen. Was nicht ist, kann aber noch werden: Immerhin hat Sánchez ja noch zwei weitere Monate Zeit, um eine Regierung auf die Beine zu stellen.

Gelingt dies nicht, folgt das, was die Spanier schon kennen: Ein weiterer Ruf zu den Urnen - mit dem vorprogrammierten Dilemma, dass wegen der starken Zersplitterung der Stimmen wieder ein «Bloqueo» droht.

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