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Geheimdienste sind überzeugt von russischer Beeinflussung der Europawahl

Geheimdienste sind überzeugt, dass Russland den Europawahlkampf als Chance zur Destabilisierung der EU sieht. Allerdings hat sich die Strategie zur Beeinflussung offensichtlich geändert. Aus Moskau kommen zu Vorwürfen klare Worte und Spitzen in Richtung EU.

Agentur
sda
13.04.19 - 11:21 Uhr
Politik
Wie weit reicht Moskaus Arm? Geheimdienste sind überzeugt, dass Russland den Europawahlkampf als Chance zur Destabilisierung der EU sieht und über soziale Netzwerke wie Facebook Einfluss nimmt. (Symbolbild)
Wie weit reicht Moskaus Arm? Geheimdienste sind überzeugt, dass Russland den Europawahlkampf als Chance zur Destabilisierung der EU sieht und über soziale Netzwerke wie Facebook Einfluss nimmt. (Symbolbild)
KEYSTONE/ALESSANDRO DELLA BELLA

Russland versucht sich nach Erkenntnissen europäischer Geheimdienste in den Europawahlkampf einzumischen. Es gebe Bemühungen, über soziale Netzwerke oder Medien wie den mehrsprachigen Nachrichtenkanal RT russlandfreundliche oder EU-kritische Parteien zu unterstützen, heisst es nach Informationen der deutschen Nachrichtenagentur DPA in aktuellen Lageberichten.

Besonders junge Menschen stünden im Fokus der Beeinflussungsversuche. Auch werde die Bedeutung des Europaparlaments und damit auch einer Stimmabgabe in Frage gestellt. Das EU-Parlament wird zwischen dem 23. und 26. Mai neu gewählt.

Zugleich wird nach Angaben ranghoher Geheimdienstvertreter betont, dass das russische Vorgehen bislang weniger sichtbar ist als vor der US-amerikanischen Präsidentschaftswahl 2016 oder der Wahl in Frankreich im Mai 2017. Damals waren in den USA unter anderem gehackte Mails der Demokraten veröffentlicht worden, um deren Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton zu schaden. In Frankreich wurde die rechtspopulistische und russlandfreundliche Kandidatin Marine Le Pen sogar mit russischen Geldern unterstützt.

Neue Taktik

Als möglicher Grund für den Taktikwechsel Russlands werden in Geheimdienstkreisen jüngste Vergeltungsaktionen gewertet: So hatten Europäer und Amerikaner im vergangenen Jahr den Nervengiftanschlag auf einen Doppelspion zum Anlass genommen, um mehr als 150 russische Botschaftsmitarbeiter auszuweisen. Bei der grossen Mehrzahl von ihnen soll es sich in Wahrheit um Spione gehandelt haben.

Mit der Aktion seien Netzwerke zerstört worden, die Russland mit sehr viel Geld und sehr viel Aufwand aufgebaut habe, erklärte ein ranghoher Geheimdienstmitarbeiter auf Nachfrage der DPA. Extrem unangenehm und imageschädigend für Russland seien auch die niederländischen Enthüllungen zum russischen Abhörangriff auf die OPCW gewesen. In diesem Fall habe man der Öffentlichkeit deutlich und präzise wie in kaum einem anderen Fall gezeigt, wie Russland vorgehe. Folge sei ein gerechtfertigter Sturm der Empörung gewesen.

Hintermänner schwer auszumachen

Wer genau hinter den russischen Kampagnen zur Wahlbeeinflussung steckt, ist selbst für europäische Geheimdienste schwer zu durchschauen. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass die politische Führung in Moskau strategische Ziele ausgebe. Diese könnten zum Beispiel lauten, russlandfreundliche Kräfte zu fördern oder Streit innerhalb der EU oder Nato zu schüren.

Die Ziele würden dann von den verschiedenen Diensten oder anderen Akteuren relativ eigenständig und ohne viel Koordination umgesetzt. So sei neben dem russischen Inlandgeheimdienst FSB und dem militärischen Auslandsgeheimdienst GRU vor allem die sogenannte Internet Research Agency in Sankt Petersburg in dem Bereich aktiv. Letztere versuche gezielt, die öffentliche Meinung im Internet zu manipulieren - zum Beispiel, indem sie in Diskussionsforen die Stimmung beeinflusse oder entsprechende Inhalte mit fingierten Identitäten über soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter verbreite.

Moska weist Vorwürfe zurück

Die Regierung in Moskau wies die Vorwürfe auf Nachfrage als haltlos zurück. Russland mische sich nicht in die Europawahl ein und habe das auch bei anderen Wahlen nicht vor, teilte das Aussenministerium der DPA mit. Die EU sei in einer schweren Krise, in der die traditionellen Parteien nicht mehr auf die Wähler eingingen und somit Euroskeptiker und Populisten stärkten.

«Bei einer derart radikalen Veränderung gibt es die grosse Versuchung, jemanden zu suchen, der irgendwie »am Rande« an diesem Prozess schuld sein könnte», schrieb das Ministerium provozierend in Richtung EU. Es sei einfacher, die Erfolge von Populisten und Nationalisten durch einen «zerstörerischen Einfluss» von aussen zu erklären.

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