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Churer Energiewende «mit angezogener Handbremse»

Die Stadt Chur hat als erste Bündner Gemeinde einen Energierichtplan aufgegleist. Noch ist die finale Version nicht auf dem Tisch, dennoch gibt es in der Vernehmlassung Kritik vom WWF und VCS Graubünden.

29.03.19 - 05:14 Uhr
Politik
Luftbildaufnahme
Die Stadt Chur muss für den Energierichtplan Kritik einstecken.
MARCO HARTMANN

Nicht erst seit Jugendliche mit Transparenten freitags durch die Churer Innenstadt ziehen, ist die klimaverträgliche Energieversorgung der Stadt Chur ein politisches Thema. Seit geraumer Zeit arbeitet die Stadt Chur an einem Planungsinstrument, das die langfristigen Schwergewichte der Churer Energieversorgung darlegt. Die Rede ist vom sogenannten Energierichtplan.

Auf gutem Weg, aber...

Mit dem aufgegleisten Energierichtplan wird Chur die erste Gemeinde in Graubünden, die über ein solches Planungsinstrument verfügen wird. Für Stefan Grass, Präsident des VCS Graubünden, eine Entwicklung in die richtige Richtung: «Gerade in der heutigen Zeit ist es wichtig, dass auch Kommunen Rechenschaft über ihren eigenen Energiehaushalt und Energiepotenziale ablegen.» Trotzdem schreiben die beiden Umweltorganisationen WWF und VCS in einer gemeinsamen Mitteilung, dass noch nicht alles optimal laufe. «Konkret muss der Ausstieg aus den fossilen Energien, insbesondere die Loslösung der Gasabhängigkeit schneller vonstatten gehen», ergänzt Grass.

Im Energierichtplan wird angedeutet, dass künftig verstärkt auf Biogas gesetzt werden soll. Für den VCS Präsidenten ist das Augenwischerei. «Das Potenzial für Biogas wird in der Schweiz überschätzt. Biogas wird das fossile Gas niemals ersetzen können. Stattdessen sollte in andere erneuerbare Energien wie beispielsweise das Anergienetz oder in zusätzliche Fernwärmeleitungen investiert werden», führt Grass weiter aus.

Bei der Axpo-Tegra AG in Domat/Ems verpufft heute eine «grosse Menge Energie» als Abwärme in den Rhein. Mit einer neuen Fernwärmeleitung nach Chur könnte diese Energie genutzt werden. Eine entsprechende Leitung besteht heute von der Gevag in Untervaz nach Chur bereits.

Axpo Tegra
Die Axpo Tegra in Domat Ems. MARCO HARTMANN

Um den Rundumschlag auf den Punkt zu bringen, enerviert sich Grass darüber, dass in der ursprünglichen Energiestrategie 2020, zu Zeiten von Stadtrat Roland Tremp, auch der Verkehr integriert wurde. Aktuell fokussiert der Energierichtplan nur auf die Energieversorgung und lässt den Verkehr aussen vor.

Kritik verständlich

Der zuständigen Stadtrat Tom Leibundgut nimmt die Kritik gelassen hin: «Ein Umweltverband hat aus meiner Sicht die Pflicht, gewisse Punkte zu kritisieren. Nun liegt der Ball bei der Politik, um die angestossenen Massnahmen oder Kritikpunkte umzusetzen.» Bezüglich der Fernwärmeleitung von der Axpo-Tegra AG entgegnet Leibundgut, dass man zu Zeiten der Erstellung des Richtplans noch gar nicht genau wusste, ob es die Axpo-Tegra AG künftig noch geben wird. «Der Richtplan verhindert indes die Erschliessung der Axpo-Tegra AG mit einer Fernwärmeleitung nicht», sagt Leibundgut.

Der Kritikpunkt, dass im Energierichtplan kein Wort über den Verkehr verloren wird, lässt Leibundgut teilweise gelten. «Der Stadtrat arbeitet zurzeit an einem Gesamtverkehrskonzept, das noch dieses Jahr vorgestellt werden soll. Dass wir die Energie und den Verkehr nicht im selben Konzept vereinen, erachten wir nicht als Mangel.»

Nichtsdestotrotz zeigt Leibundgut Verständnis für die Aufgabe der Umweltorganisationen. Dem Stadtrat auf die Finger zu schauen und in der Vernehmlassung Kritikpunkte einzubringen, ist wichtig, damit essentielle Punkte nicht in Vergessenheit geraten.

Nach der Vernehmlassung geht der Energierichtplan zum Kanton, der ihn schlussendlich in Kraft setzt.

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