×

Volksinitiative gegen Tier- und Menschenversuche stösst auf Kritik

Die eidgenössische Volksinitiative «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot» ist am Montag mit rund 124'000 Unterschriften in Bern bei der Bundeskanzlei eingereicht worden. Die Initiative stösst bei Forschungsinstitutionen und beim Schweizer Tierschutz auf Kritik.

Agentur
sda
18.03.19 - 14:45 Uhr
Politik

Die Initiative will alle Versuche an Tieren und Menschen sowie die Einfuhr von Produkten, für die Tier- und/oder Menschenversuche durchgeführt wurden, verbieten. Ziel der Initiative mit dem Titel: «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot - Ja zu Forschungswegen mit Impulsen für Sicherheit und Fortschritt» ist es auch, Tierversuche in der Bundesverfassung als Quälerei und «Verbrechen» einzustufen. Auch Versuche an Menschen sollen verboten werden.

Modernere Methoden als Tierversuche

Renato Werndli, Co-Präsident des Initiativkomitees, erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA, die Initianten seien überzeugt, dass die Forschung viele modernere Methoden als Tierversuche habe, beispielsweise um Medikamente zu erforschen. Obwohl Forscher seit 200 Jahren Fortschritte bei Krankheiten wie Diabetes, Rheuma, Krebs, Alzheimer oder Parkinson mit Tierversuchen versprächen, sei die Situation für die Kranken nicht besser geworden.

Die am Montag eingereichte Initiative ist nicht die erste Initiative, die sich mit dem Verbot von Tierversuchen beschäftigt: 1992 wurde eine Vorlage abgelehnt, die eine «drastische und schrittweise Einschränkung der Tierversuche» vorgesehen hätte. 2007 kam im Kanton Genf eine Initiative gegen Tierversuche nicht zustande. Die Schweizer Liga gegen Vivisektion (SLGV) hatte zu wenig Unterschriften eingereicht.

Werndli schätzt die Chancen der aktuellen Initiative besser ein als bei der vor rund 25 Jahren abgelehnten Initiative zum gleichen Thema. In der Bevölkerung habe inzwischen ein Umdenken stattgefunden. Auch die Forschung sehe langsam ein, dass es modernere Methoden gebe, erklärte er.

Forschung gegen Verbot

Forschungsinstitutionen warnten am Montag vor den Folgen einer Annahme der Initiative. Swissuniversities, die Standesorganisation von Schweizer Universitäten und Fachhochschulen, warnte, die Initiative vertrete eine extreme Haltung, die nicht nur die Forschung gefährde, sondern auch verhindere, dass Menschen und Tiere in der Schweiz von künftigen medizinischen Fortschritten profitieren könnten.

Die Verwendung von Tiermodellen und klinischen Studien ist nach Ansicht von Swissuniversities notwendig, um Grundlagenwissen zu erwerben und neue Medizinprodukte und -verfahren zu entwickeln. Die Tierversuchsgesetzgebung der Schweiz gehöre zu den strengsten der Welt. Die heutigen gesetzlichen Grundlagen würden eine ethisch vertretbare Forschung gewährleisten.

Gegner sehen Forschungsstandort in Gefahr

Deutliche Worte gegen die Initiative fand am Montag auch der Schweizerische Nationalfonds (SNF). Durch ein totales Verbot von Tierversuchen und klinischen Studien würde die Schweiz den Anschluss an die internationale Forschung verlieren, schrieb er. Tierversuche seien wichtig für die Forschung, weil sie essenzielle Erkenntnisse lieferten, die langfristig zur Entwicklung neuer Therapieansätze führen könnten.

Der Verein «Forschung für Leben» hielt am Montag fest, bei einer Annahme der Initiative wäre «der Forschungsstandort Schweiz ruiniert und die Schweiz vom weiteren medizinischen Fortschritt ausgeschlossen.» Mit dem Forschungsverbot würden die Schweizer Hochschulen auf einen Schlag vom internationalen medizinischen Fortschritt ausgeschlossen. Den Forschenden würde nur noch die Abwanderung ins Ausland bleiben.

«Wer gegenwärtig medizinischen Fortschritt ohne Tierversuche und klinische Forschung ermöglichen will, träumt», schreibt der Verein weiter. Das sei schlicht nicht möglich, denn das Wissen basiere unter anderem auch auf der komplexen Erforschung eines ganzen Organismus. Dieser lasse sich bislang noch nicht in Computermodellen abbilden. Und auch wenn dem so wäre: Irgendwann müsse ein neuer Wirk- oder Impfstoff im Menschen getestet werden.

Schweizer Tierschutz: Zu radikale Initiative

Für den Schweizer Tierschutz ist die Initiative zu radikal, wie Julika Fitzi von der Fachstelle Tierversuche beim Schweizer Tierschutz (STS) auf Anfrage feststellte. In der Konsequenz würde eine Annahme dazu führen, dass die Schweiz wirtschaftlich, geografisch und forschungsmässig international abgehängt würde.

«Wir vom Tierschutz sind aber nicht forschungs- und wirtschaftsfeindlich, im Gegenteil, wir sehen die Zukunft in einer innovativen, besseren Forschung mit Alternativmethoden ohne Tierleid», erklärte Fitzi. Die Chancen der Initiative an der Urne erwachtet der STS als eher gering.

In einem Punkt könne der Tierschutz die Initiative jedoch voll und ganz unterstützen: Die Anteile für Forschungen mit und ohne Tierversuche sollten mindestens gleich hoch sein. Für Ersatzmethoden und Methoden, die Tiere möglichst wenig belasteten, würden heute in der Schweiz jährlich nur rund 3 Millionen Franken ausgegeben. Für Tierversuche und die Versuchstierhaltung würden hingegen zwischen 100 und 200 Millionen Franken aufgewendet, erklärte Fitzi. Das müsse sich ändern,

Es sei zu begrüssen, dass mit der Initiative das Thema Tierversuche auf den Tisch komme. Die Bevölkerung sei heute sensibilisiert insbesondere gegenüber belastenden Tierversuchen. Für die Gesundheit des Menschen könne das Tier aber nicht Mittel zum Zweck sein. Es wäre sinnvoller, mit menschlichen Zellen zu arbeiten.

Aktuell: Nur, wenn keine Alternative besteht

Laut Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) dürfen Tierversuche in der Schweiz bislang nur durchgeführt werden, wenn «keine Alternativen zur Verfügung stehen». 2017 wurden in der Schweiz demnach 614'581 Tiere für Tierversuche eingesetzt, 2,4 Prozent weniger als noch 2016. Zwei Drittel der Versuchstiere waren Mäuse.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Politik MEHR