×

Kronfavorit Würth muss sich auf einen Viererkampf einstellen

Neben CVP, SVP und FDP streben auch die Grünen nach dem freien St. Galler Ständeratssitz. Die SVP hofft auf Mithilfe der FDP, um CVP-Mann Benedikt Würth noch abfangen zu können.

08.12.18 - 04:30 Uhr
Politik
Bekommt Konkurrenz: FDP, SVP und Grüne wollen CVP-Finanzdirektor Benedikt Würth am Einzug in den Ständerat hindern.
Bekommt Konkurrenz: FDP, SVP und Grüne wollen CVP-Finanzdirektor Benedikt Würth am Einzug in den Ständerat hindern.
ARCHIV

Es waren News ohne News-Wert, als CVP-Regierungsrat Benedikt Würth aus Rapperswil-Jona am Freitagmorgen per Medienmitteilung seine Kandidatur für den frei gewordenen St. Galler Sitz im Ständerat bekannt gab. Denn keine halbe Stunde nach der Wahl von Karin Keller-Sutter (FDP) in den Bundesrat hatte die CVP am Mittwoch Anspruch darauf erhoben. Würths Interesse war unter Politbeobachtern schon lange bekannt.

Fest steht inzwischen auch: Innerhalb der kantonalen CVP ist der St. Galler Finanzdirektor gesetzt. Wie Parteipräsident Patrick Dürr auf Anfrage erklärt, haben sich die anderen potenziellen Anwärter – die Nationalräte Markus Ritter, Nicolò Paganini und Thomas Ammann – hinter den 50-jährigen Würth gestellt. Dass dieser am 5. Dezember von den Parteidelegierten nominiert wird, ist damit eine Formsache.

Würth will Brückenbauer sein

Wie Würth in seiner Mitteilung erklärt, reizt ihn die politische Arbeit im Ständerat, weil dort in schwierigen Situationen Kompromisse und Lösungen entwickelt würden. «Dies habe ich in meiner bald 20-jährigen Exekutivtätigkeit gelernt: als Stadtpräsident von Rapperswil-Jona, als st. gallischer Volkswirtschaftsdirektor und zurzeit als Finanzdirektor und Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen», schreibt Würth. Weil er den Kanton St. Gallen «in- und auswendig» kenne und in Bern bereits über ein Netzwerk verfüge, könne er als Ständerat regionalen Anliegen zum Durchbruch verhelfen (siehe auch «Vier Fragen an …» unten).

Wie am Freitag ebenfalls bekannt geworden ist, zeichnet sich bei der Ersatzwahl am 10. März ein Kampf zwischen vier Parteien ab. Nachdem SVP und FDP wie die CVP bereits am Mittwoch ihren Anspruch bekräftigt hatten, haben sich nun auch noch die Grünen ins Spiel gebracht. «Wir liebäugeln mit einer Kandidatur», bestätigt Parteipräsident Thomas Schwager einen Bericht des «St. Galler Tagblatts». Zu Namen will er sich jedoch noch nicht äussern.

Schaufenster für die Grünen

Klar ist: Dass einem Grünen neben dem amtierenden SP-Ständerat Paul Rechsteiner der Einzug ins Stöckli gelingt, ist im bürgerlichen Kanton St. Gallen so gut wie ausgeschlossen. «Das wäre ein Wunder», meint auch Schwager. Für die Partei sei die jetzige Wahl jedoch ein geeignetes Schaufenster, um sich für die Nationalratswahlen im Oktober 2019 und für die Kantonsratswahlen im März 2020 zu präsentieren.

Anders sieht die Situation für CVP, SVP und FDP aus. Für die drei bürgerlichen Parteien dürfte es leichter sein, einen Sitz im Stöckli bei der Ersatzwahl im März zu erobern, als bei der regulären Erneuerungswahl im Oktober den 66-jährigen Rechsteiner zu verdrängen. So sieht es zumindest SP-Kantonalpräsident Max Lemmenmeier: «Paul Rechsteiner hat einen hervorragenden Leistungsausweis in Bern», betont er. Zusammen mit Keller-Sutter habe Rechsteiner für den Kanton viel erreicht – zuletzt beim Bahn-Ausbauschritt 2035. Laut Lemmenmeier wird sich die SP bei der Ersatzwahl im März voraussichtlich nicht einmischen und dafür Rechsteiners Wahlkampf für Oktober frühzeitig lancieren.

Rollen sind klar verteilt

Unbestritten ist unter den St. Galler Parteipräsidenten auch, dass die Rollen bei der Ersatzwahl im März klar verteilt sind – unabhängig davon, wen SVP und FDP ins Rennen schicken. Dass das von links bis rechts anerkannte Polit-Schwergewicht Würth als Favorit startet, stellt niemand in Abrede. Denn Fakt ist: Bereits bei der letzten Regierungsratswahl im Februar 2016 erhielt er am meisten Stimmen und konnte zuletzt vor zehn Tagen mit dem breit abgestützten Steuer-Kompromiss des Kantonsrats den grössten Erfolg seiner langen Politkarriere feiern.

Dennoch haben SVP und FDP die Hoffnung noch nicht aufgegeben, wie die beiden Parteipräsidenten Walter Gartmann und Raphael Frei betonen. Die Wahrscheinlichkeit sei gross, dass es bei vier Kandidaten zu einem zweiten Wahlgang komme, sagt Gartmann. «Wenn SVP und FDP dann am gleichen Strick ziehen, haben wir Chancen, Würth zu schlagen.» Gartmann hofft, dass für die SVP der 48-jährige Bildungschef Stefan Kölliker antritt, der eine Kandidatur «ernsthaft» prüft, wie er mehrfach wiederholt hat. «Das wäre mein Wunschszenario», doppelt Gartmann nach.

Dobler wägt noch ab

Weniger weit als die SVP scheint die FDP in ihrer Kandidatensuche zu sein. «Klar ist, dass wir antreten – mit wem, ist hingegen noch sehr offen», sagt Parteipräsident Frei. Die Parteileitung stehe im Austausch mit mehreren Personen. Eine davon ist der 38-jährige Nationalrat Marcel Dobler aus Rapperswil-Jona, der sein Interesse bereits am Donnerstag via Twitter öffentlich gemacht hat. Ob er tatsächlich auch antrete, stehe aber noch nicht fest, erklärt Dobler. Dies hänge von zwei Faktoren ab: zum einen von den Rückmeldungen aus der Partei, zum anderen von seinem Engagement beim Spielwarenhändler Franz Carl Weber, bei dem er im Juli als Teilhaber eingestiegen ist. «Ich stelle mich nur zur Verfügung, wenn ich genug Zeit in den Wahlkampf investieren kann», sagt Dobler.
 

Keine vorgezogene Regierungsratswahl

Gleich zwei Regierungsräte zieht es in den Ständerat: Neben Finanzdirektor Benedikt Würth (CVP), der seine Kandidatur am Freitag bekannt gemacht hat, zeigt sich auch Bildungsdirektor Stefan Kölliker (SVP) an der Nachfolge von Karin Keller-Sutter interessiert. Die St. Galler Regierung hat nun laut Würth eine Leitlinie festgelegt: Sollte eines ihrer Mitglieder im ersten Wahlgang am 10. März oder im zweiten Wahlgang am 19. Mai gewählt werden, so würde dieses die laufende Amtszeit noch zu Ende bringen. Eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger würde erst bei den Gesamterneuerungswahlen am 8. März 2020 bestimmt.

Vier Fragen an …

Benedikt Würth
Ständeratskandidat CVP


1 Sie gelten im Kampf um die Nachfolge von Karin Keller-Sutter im Ständerat als grosser Favorit. Erwarten Sie einen Spaziergang ins Stöckli?

Keineswegs, denn der Wahlkampf wird hart und intensiv sein. Auch wenn noch nicht bekannt ist, wer gegen mich antritt, erachte ich meine Chancen auf jeden Fall als intakt. Was mich von anderen unterscheidet: Ich habe meinen Leistungsausweis in der Exekutive erlangt und bin nicht in Verbänden vernetzt. Diese Unabhängigkeit kann Vor- und Nachteil sein. Sicher bin ich kein Parteisoldat.

2 Wie wollen Sie sich als Ständerat politisch positionieren?

Ich bin ein Vertreter der bürgerlichen Mitte. Ich stehe für einen leistungsfähigen Staat, der mit den ihm anvertrauten Mitteln effizient umgeht. Politik ist jedoch nicht nur eine Frage der Position, sondern auch des Stils – gerade im Ständerat, der ein Gegengewicht zum immer stärker polarisierten Nationalrat bildet. Im Ständerat geht es oft darum, über die Parteigrenzen hinweg Lösungen und Kompromisse aufzugleisen. Dass ich das kann, habe ich in meinen bisherigen Funktionen mehrfach bewiesen.

3 Als Ständerat wollen Sie regionalen Anliegen zum Durchbruch verhelfen. Was steht für Sie dabei im Vordergrund?

Ich sehe zwei Schwerpunkte. Zum einen die Engpassbeseitigung auf Strasse und Schiene. Für das Linthgebiet bedeutet das die Verkehrsentlastung in Rapperswil-Jona, die Stadtbahn Obersee und das vierte Gleis in Zürich Stadelhofen für die Zürcher S-Bahn. Zum anderen ist die nächste Botschaft zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation sehr wichtig, weil damit unsere Fachhochschulen und die Berufsbildung gestärkt werden können.

4 Welche Haltung nehmen Sie in der Europapolitik ein? Soll der Bundesrat dem umstrittenen Rahmenabkommen mit der EU zustimmen?

Die Schweiz braucht einen geregelten Zugang zum europäischen Binnenmarkt, unsere Unternehmen sind darauf angewiesen. Das vorliegende Verhandlungspaket ist jedoch zu wenig abgestützt. Wir sollten uns deshalb die Zeit nehmen, in weiteren Gesprächen mit der EU ein mehrheitsfähiges Paket zu schnüren. Ich begrüsse es, dass der Bundesrat nun zu dem Thema eine interne Konsultation anvisiert.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Politik MEHR