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Bundesrat will nichts wissen von der Kündigungsinitiative

Der Bundesrat will die Personenfreizügigkeit mit der EU nicht kündigen. Eine Volksinitiative von SVP und Auns, die dies verlangt, lehnt er ab. Auch einen Gegenvorschlag will er nicht ausarbeiten.

Agentur
sda
30.11.18 - 17:37 Uhr
Politik

Die Landesregierung fällte diesen Richtungsentscheid an ihrer Sitzung am Freitag. Sie beauftragte zugleich das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), bis Ende August 2019 eine Botschaft zur Kündigungsinitiative auszuarbeiten.

Knappe Verhandlungsfrist

Die SVP und die Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns) wollen mit dem Volksbegehren die Zuwanderung begrenzen. Die Initiative «für eine massvolle Zuwanderung» (Begrenzungsinitiative) wurde im September eingereicht.

Bei einem Ja hat der Bundesrat ein Jahr Zeit, um mit der EU die Beendigung der Personenfreizügigkeit auszuhandeln. Gelingt das nicht, muss er das Abkommen kündigen. Neue Verträge, die Ausländern Personenfreizügigkeit gewähren, sind zudem verboten.

Die Frist von zwölf Monaten sei knapp, sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga vor den Medien. Einen vertragslosen Zustand schloss ihr Departement nicht aus. Die EU habe sich bisher weder gegenüber der Schweiz noch Grossbritannien bereit gezeigt, auf Verhandlungsbegehren zur Personenfreizügigkeit einzutreten.

Mehrfaches Ja zu bilateralem Weg

Eine Kündigung der Personenfreizügigkeit würde den bilateralen Weg der Schweiz mit der EU grundlegend in Frage stellen, begründete Sommaruga die ablehnende Position des Bundesrates. Das Volk habe dem bilateralen Weg an der Urne mehrfach und ausdrücklich zugestimmt.

«Die Bevölkerung weiss, dass eine Kündigung zum Wegfall aller Bilateralen I führen würde.» Zu diesem Paket gehören die Abkommen über technische Handelshemmnisse, öffentliches Beschaffungswesen, Landwirtschaft, Land- und Luftverkehr sowie Forschung.

Laut Sommaruga wäre der Schaden für Wirtschaft und Forschung bedeutend. 2015 hätten Studien im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) gezeigt, das das Bruttoinlandsprodukt (Bip) 2035 ohne die Bilateralen I 5 bis 7 Prozent tiefer wäre. Auch der Zugang zum EU-Binnenmarkt würde sich verschlechtern.

Gründe für das bundesrätliche Nein sind auch die alternde Gesellschaft in der Schweiz, die deshalb in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich fehlenden rund 600'000 Arbeitskräfte und die Konkurrenz durch Staaten mit ähnlicher Bevölkerungsstruktur im Kampf um Fachkräfte.

Auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen

«Die Schweiz ist zunehmend auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen, wenn die Baby Boomer in Pension gehen», sagte Sommaruga. Die Zuwanderung aus der EU ging in letzten Jahren stetig zurück; der Wanderungssaldo aus dem EU-/Efta-Raum ist zurzeit so tief wie seit 2006 nicht mehr. Per Oktober 2018 lag er bei noch 26'809 Personen.

Nach Angaben des EJPD will der Bundesrat die Zuwanderung in die Schweiz weiterhin steuern. Massnahmen in der Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik sollen dazu beitragen, im Inland mehr Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Erste Erfahrungen mit der für die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative beschlossenen Stellenmeldepflicht für Branchen mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit seien positiv, schrieb das EJPD. Die Meldepflicht gilt seit dem 1. Juli 2018.

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