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Kesb-Präsident wehrt sich gegen Kündigung des Stadtrats

Walter Grob, Chef der Kesb Linth, wurde vom Stadtrat von Rapperswil-Jona fristlos entlassen. Zu Unrecht, wie er findet. Jetzt wehrt er sich gegen die Kündigung – und holt zum Rundumschlag gegen den Stadtrat aus.

13.11.18 - 04:35 Uhr
Politik
Walter Grob, geschasster Präsident der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Linth, wehrt sich gegen die Kündigung.
Walter Grob, geschasster Präsident der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Linth, wehrt sich gegen die Kündigung.
RETO SCHNEIDER

Der Streit zwischen dem Chef der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) Linth, Walter Grob, und seiner Arbeitgeberin, der Stadt Rapperswil-Jona, geht in die nächste Runde. Am 23. Oktober teilte der Stadtrat mit, dass er Grob entlässt und per sofort freistellt – ein Paukenschlag (diese Zeitung berichtete). Gestern kam die Reaktion: Grob verkündete, die «missbräuchliche Kündigung» anzufechten. Und er listete auf zwei A4-Seiten sämtliche Verfehlungen auf, die sich der Stadtrat, einzelne Personen daraus und weitere Involvierte in seinen Augen geleistet hatten.

Grobs Abrechnung beginnt mit Bruno Hug, dem ehemaligen Verleger der Wochenzeitung «Obersee Nachrichten» (ON), welche von 2014 bis 2017 eine «beispiellose Hetzkampagne» gegen die Kesb geführt habe. Dagegen klagte der damalige Stadtrat – die rechtliche Auseinandersetzung dauert bis heute an (siehe Artikel unten).

Vor Gericht Recht gekriegt

Auch Martin Stöckling, Stadtpräsident von Rapperswil-Jona, kriegt in Grobs Mitteilung sein Fett weg: Unter seiner Führung habe der neue Stadtrat «mit allen Mitteln versucht, die Klage gegen die ON im Sinne von Hug zurückzuziehen». Das sei lediglich nicht gemacht worden, weil Kesb-Mitarbeiter empört reagiert hätten. Wenig später hiess das zuständige Gericht die Klage gegen die ON und die zwei hauptverantwortlichen Redaktoren in fast allen Punkten gut.

An dieser Stelle weitet sich Grobs Kritik vom Stadtpräsidenten auf den ganzen Stadtrat aus: «Während aus der ganzen Schweiz Glückwünsche zum gewonnenen Prozess eintrafen, liess sich der Stadtrat mit keiner Zeile vernehmen», kreidet Grob an. Das Vertrauen der Kesb-Mitarbeiter in die Verwaltung sei darob weiter dahingeschmolzen.

Stadtpräsident ist befangen

Im Frühling 2017 gab Stadtpräsident Stöckling das Kesb-Dossier aufgrund von Befangenheit an den nebenamtlichen Stadtrat Roland Manhart weiter: das nächste Ziel in Grobs «Anklageschrift». Grob wirft Manhart vor, das Team der Kesb mit «ungeschickten Interventionen» immer mehr gegen sich aufgebracht zu haben. Er habe den Unmut im Team ignoriert und auf Kritik mit der schriftlichen Androhung von personalrechtlichen Massnahmen reagiert. «Obwohl von der Situation völlig überfordert, wollte Stadtrat Manhart die Verantwortung für das Kesb-Dossier aber nicht an einen geeigneten Kollegen abgeben», kritisiert Grob.

Den eigentlichen Grund für die Entlassung nennt Grob «fadenscheinig» und «mit Sicherheit nicht ausreichend». Laut dem Kesb-Chef gab es Differenzen bezüglich der Öffnungszeiten: Die Kesb Linth wollte die verlängerten Öffnungszeiten am Montag – «diese wurden während Jahren nie benutzt», sagt Grob – streichen und dafür auch ausserhalb der Öffnungszeiten Termine nach Vereinbarung anbieten. «Gegen diesen Entscheid fuhr Stadtrat Manhart ohne vorgängiges Gespräch grosses Geschütz auf, indem er per Einschreiben mit personalrechtlichen Konsequenzen drohte», beklagt Grob.

Kündigungswelle als Folge

Zu guter Letzt sei die Kündigung auch deshalb missbräuchlich, weil der Stadtrat verschiedene Verfahrensrechte verletzt habe: Manhart habe seine Kollegen im Stadtrat nur unvollständig informiert. Und auch die übrigen Linthgebiet-Gemeinden, denen laut Grob ein Anhörungsrecht vor der Entlassung zusteht, seien nur bruchstückhaft informiert und nicht zur Sache angehört worden. Gefehlt hätten in der Information an die übrigen Gemeinden auch die von Grob vorgeschlagenen Alternativen zu einer Kündigung.

Für Grob ist klar: Seine Kündigung hatte zur Folge, dass in den Tagen danach fünf der 14 Kesb-Mitarbeiter ebenfalls gekündigt hätten, zwei seien seither ausserdem krankgeschrieben. «Anstatt das Problem an der Wurzel anzugehen und seinem überforderten Kollegen das Dossier zu entziehen, richtet der Stadtrat einen Scherbenhaufen an und nimmt bewusst in Kauf, dass eine funktionierende Behörde ins Chaos gestürzt wird», so der Vorwurf. Leidtragende seien einmal mehr die Kesb-Mitarbeiter sowie die Schutzbedürftigen: «Die Aufbauarbeit der letzten vier Jahre, in denen keine einzige Kündigung erfolgte, wird auf einen Schlag zerstört», bilanziert der geschasste Kesb-Chef.

«Immenser finanzieller Schaden»

Das Fehlverhalten, welches sich der Stadtrat in Grobs Augen geleistet hat, richte auch «einen immensen finanziellen Schaden» an: «Die entstandenen personellen Lücken müssen kurzfristig mit teuren externen Beratern geschlossen werden. Das Versagen des Stadtrates von Rapperswil-Jona kommt die Steuerzahler im Linthgebiet somit teuer zu stehen», schliesst Grob seinen Rundumschlag.

Die Reaktion vonseiten der Stadt kam am Nachmittag. In einem kurzen Statement teilte der Stadtrat mit: «Wir nehmen zur Kenntnis, dass Walter Grob seine Kündigung rechtlich als missbräuchlich anficht.» Der Stadtrat habe vor der Kündigung des Anstellungsverhältnisses eine juristische Lagebeurteilung vornehmen lassen, welche zu einem anderen Ergebnis gekommen sei. «Zu den erhobenen Vorwürfen nimmt der Stadtrat aus ar-beitsrechtlichen Gründen und aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes im Einzelnen keine Stellung.» Insgesamt seien die Ausführungen von Grob «sehr einseitig und beispielhaft für das verlorengegangene Vertrauen». Damit ist klar: Die Kesb-Affäre dürfte die Gerichte auch in Zukunft weiter beschäftigen.

Jeder gegen jeden: Die Chronologie der Streitereien um die Kesb Linth

Die Schlammschlacht um die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Linth in Rapperswil-Jona will nicht enden. Seit Jahren tobt die Auseinandersetzung, die nun erneut eine gerichtliche Fortsetzung nimmt: Höhepunkt war der Kesb-Prozess im Dezember 2017 am Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland: Damals hatten die Behörden rund 300 Persönlichkeitsverletzungen eingeklagt, welche die Gratiszeitung während einer fast zweijährigen Kampagne gegen die Kesb Linth veröffentlicht haben soll.

Die 1981 gegründete Gratiszeitung «Obersee Nachrichten» (ON) berichtet in 56 Ausgaben über zehn Fälle der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Linth. Die Stadt Rapperswil-Jona als Trägergemeinde der Kesb und Kesb-Präsident Walter Grob klagen wegen Persönlichkeitsverletzung. Ihr Anwalt verlangte nicht «die Löschung ganzer Artikel», sondern nur der Stellen, «in denen der Kesb vorgeworfen wird, grundlos und eigennützig in das Leben vollkommen unbescholtener und mündiger Menschen einzugreifen».

Der damalige Stadtpräsident Erich Zoller (CVP) und Stadtrat Pablo Blöchlinger (SP) werden abgewählt – Zoller nach fünf Jahren im Amt, Blöchlinger nach vier. Die beiden Politiker führten dies auf den Einfluss der ON zurück. Die Zeitung hatte behauptet, der Stadtrat habe bezüglich Auswahlverfahren und Wahl des Kesb-Chefs Walter Grob gemauschelt. Er sei der einzige Kandidat gewesen, den der Stadtrat geprüft habe. Laut Zoller waren aber 21 Bewerbungen eingegangen und fünf Bewerber zum Gespräch eingeladen worden.

Das Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland heisst die Klage gegen die «Obersee Nachrichten» und die beiden Journalisten Bruno Hug und Mario Aldrovandi in wesentlichen Punkten gut. In der 215-seitigen Urteilsbegründung ist die Rede von einer gezielt geführten Kampagne gegen die Kesb Linth und gegen Walter Grob. Die Prozesskosten sind mit 375 000 Franken immens. Hug geht in Berufung und kündigt an, er werde den Entscheid notfalls bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte weiterziehen.
Der Stadtrat Rapperswil-Jona, der alleinigen politischen Verantwortung für die Kesb Linth überdrüssig, entlässt Kesb-Chef Grob und stellt ihn per sofort frei. Stadtrat Roland Manhart (CVP) begründet den Schritt mit «organisatorisch-administrativen Vorfällen».

Fachlich habe es keine Beanstandungen gegeben. Die Stadt steht im Fokus, weil die andern neun Gemeinden ihre Aufgaben im Vormundschaftsbereich an sie delegiert haben. Nun wird eine regionale Kesb-Organisation geprüft; das kann ein Zweckverband oder eine öffentlich-rechtliche Organisation sein. (cz)

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