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Andri Perl widerspricht dem Bundesrat

Am 25. November entscheiden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über ein Gesetz, das verdeckte Beobachtungen durch Sozialversicherungen ermöglicht. Am Dienstag hat der Bundesrat Argumente für das Gesetz präsentiert. SP-Grossrat Andri Perl stört sich an der Argumentation des Bundesrates und widerspricht diesem in mehreren Punkten.

Südostschweiz
10.10.18 - 18:28 Uhr
Politik
Bundesrat Alain Berset tritt wieder vor die Medien.
Bundesrat Alain Berset tritt wieder vor die Medien.
KEYSTONE

Innenminister Alain Berset machte sich am Dienstag vor den Medien für das Gesetz stark, welches verdeckte Beobachtungen durch Sozialversicherungen möglich machen soll. Er argumentierte mit dem Vertrauen in die Sozialversicherungen. Diese ermöglichten den Menschen ein Leben in Würde und finanzieller Sicherheit, gab Berset zu bedenken.

Es sei ihre Pflicht, genau abzuklären, wer Anspruch auf eine Leistung habe, beispielsweise eine Rente der Invaliden- oder der Unfallversicherung. Bei solchen Abklärungen brauche es in Ausnahmefällen auch eine verdeckte Beobachtung.

«Unter Beeinflussung der Versicherungslobby durchgepaukt»

Gegen das geplante Gesetz spricht sich der Bündner SP-Grossrat Andri Perl aus. Er zeigte sich aber auf Anfrage über die Position des Bundesrates wenig überrascht. Es sei zu erwarten gewesen, dass der Bundesrat gleich wie die Mehrheit des Schweizer Parlaments argumentiere. Er ist weiter der Meinung, dass dieser Entscheid im Parlament  «unter Druck und unter Beeinflussung der Versicherungslobby enorm schnell durchgepaukt wurde».

Der Bundesrat räumt ein, dass das Gesetz ein starker Eingriff in die Privatsphäre sei. Umso wichtiger sei es, dass es keine unnötigen, willkürlichen oder unverhältnismässigen Observationen gebe, sagte Berset. Mit dem Gesetz würden jedoch enge Grenzen gesetzt.

So seien Observationen nur erlaubt, wenn es konkrete Anhaltspunkte auf einen unrechtmässigen Bezug von Versicherungsleistungen gebe. Die Observierten müssten im Nachhinein informiert werden und könnten gerichtlich beurteilen lassen, ob die Massnahme rechtmässig gewesen sei. Das beuge willkürlichen Beobachtungen vor.

Uneinigkeit über die Grenzen

Trotzdem gibt es im Gesetz einige Streitpunkte. So steht im Gesetz, dass die zu observierende Person sich an einem allgemein zugänglichen Ort befinden muss oder an einem Ort, der von einem solchen aus frei einsehbar ist.

Doch während der Bundesrat der Ansicht ist, dass Observationen im Innern eines Hauses, etwa im Treppenhaus oder in der Waschküche, mit dem Gesetz nicht zulässig sind, sieht dies Perl etwas anders: «Meiner Meinung nach lässt dieses Gesetz zu, dass man auch im eigenen Haus  observiert wird.» Wenn beispielsweise ein Fenster frei einsehbar sei, könne man durch dieses gefilmt werden.

Die Uneinigkeit über die Umsetzung des Gesetzes zeigt gemäss Perl, dass es ungeschickt formuliert ist. So gebe es auch Rechtsprofessoren, die bezüglich dieser Gesetzesformulierung bereits dem Bundesrat widersprochen haben.

Perl, der in der Junisession des Grossen Rates bereits von der Bündner Regierung wissen wollte, wie es um Privatdetektive in Graubünden steht, ist aber auch noch mit anderen Punkten des Gesetzes nicht einverstanden: «Das Gesetz geht mir insbesondere dort zu weit, wo man die Kompetenzen zur Überwachung aus der Hand gibt.» So beispielsweise, wenn man Versicherungen und Privatdetektiven diese Möglichkeit gebe. «Für diese Berufsgattung gibt es null Regulierung, wer was überwachen darf und wer nicht.» Für Perl ist für den Versicherungsbetrug die Polizei zuständig.

Viele Einsparungen durch Observationen

Jürg Brechbühl, Direktor des Bundesamts für Sozialversicherungen, erklärte am Dienstag gegenüber SRF, dass in den Jahren 2009 bis 2016 insgesamt 320 Millionen Franken durch IV-Observationen eingespart worden seien. Deshalb müsste es doch eigentlich auch im Interesse von Perl sein, dass solche Observationen möglich sind? Perl meint dazu: «Ich würde mich nicht ganz grundsätzlich gegen die Möglichkeit aussprechen, Versicherungsbetrug zu bekämpfen. Aber das Gesetz, so wie es jetzt ist, gibt den Versicherungen und Privaten viel zu viele Kompetenzen.» Perl spricht sich deshalb dafür aus, einen Schritt zurück zu machen und ein besseres Gesetz zu erarbeiten. (kup/sda)

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Grossrat Andri Perl (er schreibt auch in der SO) finde ich seit jeher hervorragend.
https://www.blick.ch/news/schweiz/sozialversicherungen-liberales-komite…
https://www.beobachter.ch/burger-verwaltung/staatliche-kontrolle-steuer…
https://www.beobachter.ch/politik/sozialdetektive-bald-mehr-macht-als-d…
https://www.beobachter.ch/burger-verwaltung/scheindomizil-wie-sich-reic…
21.04.2011 (!) - Steuerdetektive analog zu Sozialdetektiven gibt es in keinem Kanton der Schweiz. Bei einem Sozialhilfe- oder IV-Bezüger macht man aber genau das. Bei Verdacht auf Missbrauch observieren Detektive, und Sozialarbeiter machen unangemeldet Hausbesuche. Allein die Stadt Zürich beschäftigt zwölf Sozialdetektive. Im ganzen Kanton – wie auch in allen anderen Kantonen – gibt es dagegen wie erwähnt keinen einzigen Steuerdetektiv.
https://www.handelszeitung.ch/management/14-reiche-familien-kassieren-5…
https://www.bild.de/geld/wirtschaft/steuerhinterziehung/lielingssport-s…
...
https://www.srf.ch/sendungen/kassensturz-espresso/themen/versicherungen
Zitat: "Eva Meier hat alles versucht, wieder gesund zu werden. Deshalb stört es sie besonders, wie die Versicherung mit ihr umgeht: «Es hat mich sehr geschmerzt, dass die Basler mich wie ein Mensch zweiter Klasse behandelt hat und mit mir umgegangen ist, als wäre ich Abfall.»"
...
SVP-Ausschaffungs-Initiative gilt NICHT für Steuerhinterziehung:
https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Sozialmissbrauch-Ab-300-F…
https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Diese-Verbrecher-will-die…
https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/steuerhinterzieher-statt-auslaen…
...
Siehe meinen Kommentar:
https://www.suedostschweiz.ch/leserbriefe/2018-04-16/aerzte-koennen-get…

Hier der (neue) funktionierende Link:

https://www.srf.ch/sendungen/kassensturz-espresso/themen/versicherungen…

Zitat: "Eva Meier hat alles versucht, wieder gesund zu werden. Deshalb stört es sie besonders, wie die Versicherung mit ihr umgeht: «Es hat mich sehr geschmerzt, dass die Basler mich wie ein Mensch zweiter Klasse behandelt hat und mit mir umgegangen ist, als wäre ich Abfall.»"

 

 

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