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Die Zürcher Regierungsratswahl ist schon fast gelaufen

Im Zürcher Regierungsrat werden zwei Sitze frei. Für diese bewerben sich acht Parteivertreter. Natalie Rickli (SVP)
 und Thomas Vogel (FDP) sind die einzigen, die mit einer Wahl rechnen dürfen, weil sie «nur» traditionelle Parteisitze verteidigen. Thematisch stechen gegensätzliche Positionen im bürgerlichen Lager ins Auge.

Linth-Zeitung
07.10.18 - 04:30 Uhr
Politik

von Thomas Schraner


Nachdem die FDP am Donnerstag als letzte Partei ihre Nominationen vorgenommen hat, ist die Liste der zahlreichen neuen Regierungsratskandidaturen komplett (abgesehen von möglichen Jux-Kandidaten). Unter diesen acht sind aufgrund der Ausgangslage nur zwei wirklich relevant: Natalie Rickli (SVP) und Thomas Vogel (FDP). Diese beiden wollen die jeweiligen Sitze ihrer nicht wieder antretenden Parteikollegen Markus Kägi (SVP) und Thomas Heiniger (FDP) verteidigen. Dass diese beiden Parteien seit Jahren wie die SP je zwei Sitze in der Regierung haben, ist im Grundsatz unbestritten. Begehrt ist der verbleibende, einfacher erreichbare siebte Sitz, den sich ebenfalls seit Jahren jeweils eine kleinere Partei unter den Nagel reisst. Momentan besetzt ihn die CVP mit Silvia Steiner. Sie luchste ihn vor vier Jahren den Grünen ab. Steiner hat aber – wie die andern schon amtierenden Regierungsräte – den Bisherigenbonus und sitzt auch sonst fest im Sattel. Bei allem Respekt für die übrigen Neukandidierenden ausser Rickli und Vogel: Ihre Chancen sind gering, obwohl unter ihnen Persönlichkeiten figurieren, die durchaus das Zeug zum Regierungsrat hätten.

Sind Rickli und Vogel also so gut wie gewählt? Was den FDP-Kandidaten Vogel anbetrifft, sieht es tatsächlich danach aus. Er ist ein eingemitteter Freisinniger, der weit über das eigene Lager hinaus gut ankommt. Dies ist bekanntlich eine unerlässliche Voraussetzung für eine Wahl in den Regierungsrat. Bei Rickli scheint die Wahl deshalb weniger selbstverständlich zu sein, obwohl auch bei ihr vieles dafür spricht. Sie ist der nationale Star der SVP und legt jeweils einen guten Auftritt hin. Aber sie polarisiert ausserhalb des Fan-Lagers – oder hat es bis jetzt zumindest getan. Das weiss auch die SVP, setzt aber aus guten Gründen trotzdem auf sie. Die Partei beruft sich auf die Erfahrung, dass SP-Regierungsrätin Jacqueline Fehr im bürgerlichen Lager ebenfalls polarisierte, 2015 aber trotzdem in die Regierung einziehen konnte. Die SVP könnte versucht sein, Rickli im Wahlkampf Zurückhaltung zu verordnen, damit Mitte-Wähler nicht vor den Kopf gestossen werden. Anzeichen solcher Anpassungen gab es in jüngster Zeit bereits. Rickli wirkte manchmal fast schon «staatsfraulich». Dass sie bei der Frage des Waffenhandels sogar mit links stimmte, kam dort gut an.

Das bewährte politische Rezept in solch heiklen Situationen ist altbekannt und heisst: Kreide fressen und Gegensätze übertünchen. Von diesen Gegensätzen stechen im bürgerlichen Lager derzeit einige ins Auge. Sie sind relevant, weil SVP, FDP und CVP wie vor vier Jahren einen Lagerwahlkampf für den Regierungsrat zu führen gedenken. Bei der Steuervorlage 17, einem gewichtigen Geschäft, steht die nationale SVP quer zur gemeinsamen Position von FDP und CVP (und SP). Der Zürcher Finanzdirektor Ernst Stocker (SVP) steht hingegen wie die FDP-Elite, zu der auch Kandidat Vogel zählt, klar zur Bundesvorlage. Rickli stimmte in Bern dagegen. Ein ähnlicher Gegensatz zeigt sich bei der SVP-Selbstbestimmungsinitiative. In Europafragen ist der dauernd präsent. Immerhin sind bei der von Stocker präsentierten kantonalen Umsetzung der Steuervorlage 17 die Gegensätze im bürgerlichen Lager ziemlich eingeebnet. Das wird man aber weniger merken, weil im Wahlkampf nationalen Themen dominieren dürften. Bei einer anderen heissen Frage, der Prämienverbilligung auf Kantonsebene, gibt es ebenfalls keinen Konsens zwischen SVP, FDP und CVP. Die CVP überholt hier gerade links.

Harmonie gibt es allerdings auch im linken Lager nicht. Die Differenzen sind dort aber weniger tief und insofern weniger auffällig, als die SP bei den Regierungsratswahlen lediglich zwei bisherige Sitze verteidigen will. Zwar weiss die AL noch nicht, ob sie Mario Fehr empfehlen soll. Aber es spielt kaum eine Rolle, da Fehr im bürgerlichen Lager wohlgelitten ist und wahrscheinlich auch als Parteiloser gewählt würde. Gespannt darf man sein, wie Jacqueline Fehr beim ersten Wiederwahltermin am 24. März 2019 abschneidet. Sie hat zwar bis jetzt kaum Fehler gemacht, ist aber für viele Bürgerliche noch immer ein rotes Tuch. Widersprüche gibt es im linken Lager auch in Sachfragen. So stützt die nationale SP die Steuervorlage 17, ihre Zürcher Vertreter im Nationalrat liegen sich aber deswegen arg in den Haaren. Die AL hat das Referendum ergriffen und droht damit, bei der kantonalen Vorlage dasselbe zu tun. Dissens also auch hier. Dessen ungeachtet unterstützt die SP den grünen und den AL-Regierungskandidaten. 

Zurück zur Frage, ob man auch Rickli beim gegenwärtigen Stand der Dinge als gewählt betrachten kann. Wie gesagt, vieles spricht dafür. Der harte Umgang mit Sexualstraftätern, den sie propagiert, ist im Volk populär. Dass sich Rickli in der kantonalen Politik nicht so auskennt, dürfte weniger eine Rolle spielen. Dass sie aber die einzige chancenreiche neue Frauenkandidatur ist und ihre Wahl eine Frauenmehrheit im Regierungsrat bewirken würde, könnte einigen Wählerinnen im Mitte-Lager gut gefallen. Ironie der Geschichte: Rickli selber ist alles andere als eine Gender-Politikerin. 

Wird Rickli ebenso wie FDP-Favorit Vogel gewählt, darf man auf die Departementsverteilung gespannt sein. Wir spekulieren schon jetzt: Vielleicht hat Jacqueline Fehr Lust, die Gesundheitsdirektion zu übernehmen. Als Nationalrätin gehörte die Gesundheit zu ihren Kernthemen. Die Bürgerlichen schoben sie 2015 in die schlagzeilenträchtige Direktion Justiz und Inneres ab. Dort aber könnte Natalie Rickli ihr Lieblingsthema Straftäter höchstpersönlich bearbeiten. Baujuristin Carmen Walker Späh wiederum könnte die Gelegenheit beim Schopf packen und in ihr Fachdepartement, die Baudirektion, wechseln. Und FDP-Regierungsneuling Thomas Vogel würde dann in der Volkswirtschaftsdirektion einsteigen, was besser zu ihm zu passen scheint als die Bau- oder Gesundheitsdirektion. Der Möglichkeiten sind viele. 

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