×

Verhüllungsverbot spaltet die Gemüter

In Rapperswil-Jona trafen sich Gegner und Befürworter des Gesichtsverhüllungsverbots, über das die Bevölkerung im Kanton St. Gallen am 23. September abstimmt. Die Diskussion drehte sich um Burkas, Hooligans, schweizerische Werte – und auch um den Samichlaus.

Südostschweiz
14.09.18 - 04:30 Uhr
Politik
«Placebogesetz» oder «wichtig für die Sicherheit»: Die Podiums-Teilnehmer kreuzen verbal die Klingen.
«Placebogesetz» oder «wichtig für die Sicherheit»: Die Podiums-Teilnehmer kreuzen verbal die Klingen.
ANDRÉ SPRINGER

In grossen Buchstaben prangte der neue Artikel «Gesichtsverhüllungsverbot», der dritte Nachtrag zum Übertretungsstrafgesetz, an der Wand: «Wer sich im öffentlichen Raum sowie an Orten, die öffentlich zugänglich sind, durch Verhüllung des Gesichts unkenntlich macht und dadurch die öffentliche Sicherheit oder den religiösen oder gesellschaftlichen Frieden bedroht oder gefährdet, wird mit Busse bestraft.»

Im «Door 5» in Rapperswil-Jona hatten sich auf Einladung der Jungen Grünen, Jungfreisinnigen und Jungen Grünliberalen Interessierte versammelt: darunter ein Samichlaus und ein Schmutzli – doch dazu später mehr. Auf der Pro-Seite standen CVP-Fraktionspräsident Andreas Widmer und Lukas Huber, Sekretär der Jungen St. Galler SVP, während die Kontra-Seite von FDP-Kantonsrätin Elisabeth Brunner-Müller und Tobias Uebelhart (GLP) vertreten wurde.

Ist Burka überhaupt Thema?

Zu Beginn wollte Moderator Ramiz Ibrahimovic (Jungfreisinnige) von den Teilnehmenden wissen, welches deren Hauptargumente sind. Brunner-Müller wies auf den Papierkrieg hin, den dieses «Gesetz für die Galerie» verursachen würde. Widmer bedankte sich, dass nicht von einem «Burkaverbot» sondern von einem Nachtrag zum Übertretungsstrafgesetz gesprochen werde.

Die Burka sei bei dieser Vorlage nicht das Thema, sondern die Sicherheit: etwa im Kontext von Sportveranstaltungen mit vermummten Fans. Lukas Huber sagte derweil, für ihn würden sowohl die kulturelle Diskussion rund um die Burka als auch das Thema Sicherheit angeschnitten. Im Kanton St. Gallen zeige man Gesicht. Tobias Uebelhart kritisierte den «unverhältnismässigen Eingriff in die persönliche Freiheit», den dieser Artikel darstelle.

Die Befürworter rechtfertigten, weshalb der neue Artikel überhaupt nötig sei. Schliesslich gibt es ein bestehendes Vermummungsverbot, das die «Unkenntlichmachung des Gesichts bei bewilligungspflichtigen Versammlungen, Kundgebungen sowie bei Sport- und anderen Veranstaltungen» verbietet.

Müssen Werte ins Gesetz?

Der neue Artikel komplettiere dieses Verbot, weil er es auf den öffentlichen Raum ausdehne, so Widmer. Es sei unklar, was als Umfeld einer Veranstaltung bezeichnet werden könne und wo das bestehende Verbot greife. Straftaten, begünstigt durch Anonymität, fänden zudem nicht nur im Kontext von Sportevents statt, fügte Huber an. Der neue Artikel diene der Polizei als Handlungsbasis. Von den Sicherheitsargumenten hielt die Gegenseite wenig: Uebelhart verwendete den Begriff «Placebogesetz» und Brunner-Müller pflichtete bei: «Hundertprozentige Sicherheit gibt es nie.»

Im Kanton St. Gallen wohnen kaum Burkaträgerinnen. Für Widmer ist dies Beweis, dass der neue Artikel eben kein Burkaverbot anstrebe. Dennoch gab er zu verstehen, dass der Artikel durchaus präventive Wirkung hätte und Frauen mit Burka gar nicht erst in den Kanton ziehen würden. Brunner-Müller forderte derweil mehr Dialog – insbesondere zwischen Menschen unterschiedlicher Religionen – anstatt Gesetze. Dialog und schliesslich auch Integration seien aber unmöglich, wenn man sich nicht ins Gesicht schauen könne, sagte Huber. Deshalb sei eine Werteverteidigung durch das Verbot gerechtfertigt. Uebelhart wies darauf hin, dass es die Verunsicherung des Volkes aufzeige, wenn dieses seine Werte ins Gesetz schreiben müsse – zudem könne das auch gefährlich sein.

Fragen vom Samichlaus

Der Samichlaus im Publikum – unter dem Kostüm verbarg sich der Eschenbacher Ivo Kuster (SP) – schaltete sich mit der Frage ein, inwiefern Vollbärte auch als Gesichtsverhüllung gelten würden, worauf Widmer auf den «gesunden Menschenverstand» der Polizei hinwies.

Ein Rechtsanwalt im Publikum sah derweil im Gesetz ein gutes Geschäft, weil es ihm Arbeit einbringen würde. Eine Burkaträgerin würde von jedem Richter freigesprochen, weil sie den öffentlichen Frieden nicht gefährde, fügte er an. Ein weiterer Zuschauer kritisierte, dass die Burka in die Diskussion verstrickt werde. Er habe jahrelang im Ausland gelebt, etwa im Iran und im Irak, und vor Burkaträgerinnen hätte man sich nie fürchten müssen.

Der «Samichlaus» – unter dem Gewand steckt SP-Politiker Ivo Kuster aus Eschenbach – kämpft gegen das neue Gesetz:

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Politik MEHR