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Polizei benennt russische Verdächtige im Fall Skripal

Ein halbes Jahr nach dem Attentat auf den russischen Ex-Doppelagenten Sergej Skripal und seine Tochter Julia hat die britische Polizei zwei Verdächtige benannt: Es handelt sich demnach um Russen, die Pässe auf die Namen Alexander Petrow und Ruslan Boschirow nutzten.

Agentur
sda
05.09.18 - 14:03 Uhr
Politik
Die britische Polizei sucht im Fall Skripal nach zwei verdächtigen Russen und veröffentlichte unter anderem dieses Foto.
Die britische Polizei sucht im Fall Skripal nach zwei verdächtigen Russen und veröffentlichte unter anderem dieses Foto.
KEYSTONE/EPA LONDON METROPOLITAN POLICE/HANDOUT

Den beiden Tatverdächtigen wird Verabredung zum Mord sowie der Besitz und Gebrauch des Nervenkampfstoffs Nowitschok zur Last gelegt, wie der Chef der britischen Anti-Terror-Polizei, Neil Basu, auf einer Pressekonferenz sagte.

Grossbritannien beantragte europäische Haftbefehle, stellte aber keine Auslieferungsanträge an Moskau. Die russische Verfassung verbietet die Auslieferung von eigenen Staatsangehörigen.

Vater und Tochter Skripal waren am 4. März bewusstlos auf einer Parkbank in der südenglischen Kleinstadt Salisbury entdeckt worden. Sie waren mit dem Nervengift Nowitschok vergiftet worden. Beide entkamen nur knapp dem Tod. Sie leben inzwischen an einem geheimen Ort. Der Fall löste eine schwere diplomatische Krise aus.

Nowitschok gehört zu den tödlichsten Kampfstoffen und kann über die Haut oder Atemwege in den Körper gelangen. Die Überlebenschancen sind sehr gering. Sowjetische Forscher entwickelten die Serie neuartiger Nervengifte in den 1970er und 80er Jahren heimlich, um internationale Verbote zu umgehen. Auch andere Länder forschten damit.

Moskau weist Vorwürfe zurück

«Wir haben jetzt ausreichend Beweise, um Anklagen im Zusammenhang mit dem Angriff auf Sergej und Julia Skripal zu erheben», sagte ein Polizeisprecher. Die Verdächtigen seien wahrscheinlich unter falschen Namen eingereist und etwa 40 Jahre alt. Scotland Yard veröffentlichte Fahndungsfotos der Männer und bat die Bevölkerung um Hinweise.

Das russische Aussenministerium wies alle Vorwürfe umgehend zurück. «Die in den Medien veröffentlichten Namen und Bilder sagen uns nichts», sagte Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa der Agentur Tass zufolge in Moskau. London solle nicht die Öffentlichkeit manipulieren, sondern bei der Aufklärung mit Russland kooperieren.

Die beiden Verdächtigen sind laut Polizei am 2. März nach Grossbritannien geflogen. Am Folgetag sollen sie die südenglische Stadt Salisbury ausgekundschaftet haben und am 4. März - dem Tag des Attentats - wieder abgereist sein. In ihrem Hotel in London seien winzige Spuren des verwendeten Nervengifts nachgewiesen worden.

Unbeteiligte vergiftet

Vor etwa zwei Monaten kam ein britisches Paar aus dem nahen Amesbury versehentlich mit dem Nervengift in Kontakt. Der Mann hatte ein Parfümfläschchen gefunden, das er seiner Freundin schenkte. Sie hatte sich mit der Flüssigkeit besprüht - die dreifache Mutter starb acht Tage nachdem sie ins Krankenhaus eingeliefert worden war.

Das Gift ist in beiden Fällen identisch. Das bestätigten Untersuchungen der Organisation für ein Verbot von Chemiewaffen (OPCW), teilte das Aussenministerium am Dienstagabend in London mit. London warf Moskau erneut vor, Drahtzieher des Anschlags zu sein.

Die Polizei betonte in einer Stellungnahme: «Wir haben keinen Zweifel, dass beide Vorfälle miteinander zusammenhängen, und sie bilden nun ein Ermittlungsverfahren.»

Diplomatische Krise

Infolge der Krise wiesen Grossbritannien, die USA und verbündete Staaten mehr als 140 russische Diplomaten aus. Der Kreml reagierte mit ähnlichen Massnahmen. Die USA stellten zudem fest, dass Russland für den Einsatz von Massenvernichtungswaffen verantwortlich sei. Das löst laut Gesetz Sanktionen aus, wie es sie bislang nur gegen Nordkorea und Syrien gab.

Seit Ende August ist eine erste Runde von Strafmassnahmen in Kraft. Sie sind zwar noch relativ milde, doch der Rubelkurs und die Aktien russischer Unternehmen gerieten unter Druck.

Schwerer wird eine zweite Sanktionsrunde nach drei Monaten die russische Wirtschaft treffen. Sie könnte das Auslandsgeschäft russischer Banken lahmlegen; die Fluggesellschaft Aeroflot könnte Landerechte in den USA verlieren.

Moskau behält sich Gegenmassnahmen vor, doch viele Optionen hat der Kreml nicht: Zu klein ist der Handel, zu gross die Abhängigkeit von US-Technik, um die USA treffen zu können

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