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Verwahrung pendent: Partei erhält doch noch Einsicht in alle Akten

Die vom Zürcher Obergericht im Jahr 2013 erstmals ausgesprochene Verwahrung für einen Tibeter ist nach wie vor nicht rechtskräftig. Das Bundesgericht hat die Beschwerde des Verurteilten teilweise gutgeheissen, weil dieser nicht Einsicht in alle Akten hatte.

Agentur
sda
23.08.18 - 12:00 Uhr
Politik
Das Bundesgericht hat im Zusammenhang mit einer Verwahrung zum zweiten Mal die Beschwerde eines Tibeters teilweise gutgeheissen. (Archiv)
Das Bundesgericht hat im Zusammenhang mit einer Verwahrung zum zweiten Mal die Beschwerde eines Tibeters teilweise gutgeheissen. (Archiv)
KEYSTONE/LAURENT GILLIERON

Damit wurde der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, wie das Bundesgericht in einem am Donnerstag publizierten Urteil festhält. Ein vom Obergericht beauftragter Sachverständiger hatte für sein Gutachten selbständig Unterlagen beim Psychiatrisch-Psychologischen Dienst (PPD) des Zürcher Amts für Justizvollzug angefordert.

Darin befinden Informationen zum Verlauf der bisherigen Behandlung des Gewalttäters. Das Gericht hatte diese Akten nie verlangt. Der Beschwerdeführer, beziehungsweise sein Verteidiger, hatten zwar auch Akten beim PPD beantragt und erhalten. Allerdings ist gemäss Entscheid des Bundesgerichts unklar, ob es sich um die gleichen Unterlagen handelt.

Überprüfung ermöglichen

Weil das Gericht und die Parteien in der Lage sein müssen, ein Gutachten auf seine Schlüssigkeit zu überprüfen, muss aus diesem hervor gehen, auf welche Akten es sich abstützt. Standen diese wie in diesem Fall, dem Gericht nicht und der Partei nur teilweise zur Verfügung, wird der Anspruch auf rechtliches Gehör eines Angeklagten verletzt, wie das Bundesgericht festhält.

Die Lausanner Richter kommen aber noch in einem weiteren Punkt zum Ergebnis, dass der Gutachter nicht korrekt vorgegangen ist. Ein Sachverständiger sei nicht befugt selbst Beweise zu erheben. Dies sei Aufgabe der Verfahrensleitung.

Auch wenn die Erstellung des Gutachtens mit Mängeln behaftet ist, ist es deshalb nicht unverwertbar. Des Obergericht muss deshalb auf Geheiss des Bundesgericht die fraglichen Aktenstücke beim PPD einholen und den Parteien zur Einsicht vorlegen. Anhand der vollständigen Unterlagen wird das Obergericht zudem prüfen müssen, ob das Gutachten schlüssig ist, um dann über die Verwahrung zu entscheiden.

Der Tibeter wurde wegen vorsätzlicher Tötung, versuchter vorsätzlicher Tötung und weiterer Delikte zu einer Freiheitsstrafe von 19 Jahren verurteilt. Seine Opfer waren immer Frauen.

Wie das Bundesgericht schreibt, ist unbestritten, dass der Mann psychisch schwer gestört ist und seine Taten im Zusammenhang mit dieser Störung stehen. Stritt ist jedoch, ob die Rückfallgefahr mit einer Therapie vermindert werden kann oder ob der Mann verwahrt werden muss. (Urteil 6B_56/2018 vom 02.08.2018, zur Publikation vorgesehen)

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