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Fischer der Stadt wehren sich gegen Vorwürfe von Bürgern

Wegen der vielen Algen und des wenigen Wassers in der Jona klingelt beim Fischerverein Rapperswil-Jona das Telefon dauernd. Einige möchten helfen, die Fische zu retten, andere beschimpfen die Fischer als «Tierquäler». Diese erklären, wieso sie es für falsche Tierliebe halten, Algen zu entfernen oder die Fische aus dem Bach zu holen.

Südostschweiz
29.07.18 - 00:05 Uhr
Politik

Andri Pfister sieht sich dieser Tage mit einem seltenen Interesse vieler Menschen an seinem Hobby konfrontiert. «Ich habe in den letzten Tagen über ein Dutzend Anrufe aus der Bevölkerung erhalten», erklärt Pfister. Er ist Obmann der Bachbewirtschaftungsgruppe im Fischereiverein Rapperswil-Jona. Ausserhalb des Vereins interessiert sich normalerweise niemand für seine Tätigkeit.

Nun, wo die Jona nur noch ein Rinnsal und dafür voller Algen ist, die teils etwas streng riechen, ist nicht nur auf Facebook eine grosse Diskussion losgegangen (Ausgabe vom Mittwoch). Viele melden sich auch direkt bei Pfister. «Einige wollen helfen, um die Fische zu retten», erklärt er. Etwa, indem sie mit einem Kübel in den Bach steigen und die Algen entfernen. «Andere sagen, wir seien ‘fuuli Sieche’, Tierquäler oder gar Totschläger.» Dies, weil sich die Fischer von Rapperswil-Jona entschlossen haben, weder die Algen aus der Jona zu entfernen noch die verbliebenen Fische umzusiedeln.

Eingreifen führt zu Gen-Chaos

Das Abfischen, das viele Fischereivereine und auch der Kanton betreiben, wenn Bäche vor dem Austrocknen stehen, lehnen die Fischer der Stadt ab. «Die Rettung einzelner Fische ist verlockend und zugleich gefährlich», sagt Andri Pfister. Durch das wenige Wasser, die hohen Temperaturen und den dadurch geringen Sauerstoffgehalt in der Jona seien die Fische bereits so geschwächt, dass viele ein Abfischen mittels der üblichen Elektroschocks aktuell gar nicht überleben würden. Zudem nähmen bei der relativ brutalen Prozedur auch andere Tiere wie Krebse oder Molche Schaden. Ganz gefährlich sei auch die Verbreitung von Krankheiten. «Wenige Milliliter Wasser reichen, um die Krebspest in ein neues Gewässer zu tragen», so Pfister.

Ein weiteres Problem sei der fehlende Lebensraum, ergänzt Doris Beyeler. «Jeder Bach- oder Seeabschnitt ist bereits von Fischen besetzt. Wenn wir Bachfische in den See schmeissen, führt das dort zu einem Verdrängungskampf», sagt Beyeler, die praktisch jeden Stein in der Jona kennt. Obwohl in der Jona, als Beispiel, überall die gleichen Forellen vorkämen, hätten sich diese genetisch an die verschiedenen Bachabschnitte, die teils durch Schwellen getrennt seien, angepasst. «Das Abfischen und Umsiedeln führt zu einer Vermischung des Genpools.» Die Anpassungsleistung der Fische werde zunichtegemacht. Andersherum würden die aktuelle Extremsituation nur jene Fische überleben, die sich am besten anpassen können. Davon profitierten die Nachfolgegenerationen bei kommenden Hitzeperioden.

Laut Obmann Pfister sind das keine wilden Theorien, sondern wissenschaftlich belegte Fakten. In Fachkreisen sei das schon lange bekannt. Trotzdem gelten die Fischer aus Rapperswil-Jona in der Szene noch als «Öko-Freaks». Sie können darüber nur schmunzeln.

«Wir sind die Ersten, denen die Fische leidtun.»

«Wir sind die Ersten, denen die Fische leidtun», sagt Pfister. «Und wir sind uns bewusst, dass im Bereich des Joner Zentrums, wo die Jona breit und hart verbaut ist, 80 bis 100 Prozent der Fische diesen Sommer nicht überleben werden.» Aktuell messe das Wasser 23 Grad. Bei 25 Grad beginne die Todeszone für Fische. Aus den genannten Gründen sei man aber strikte gegen das Abfischen.

Bestärkt haben die Fischer der Stadt Beobachtungen im Wagnerbach. Dieser sei vor ein paar Jahren komplett ausgetrocknet. «Im folgenden Jahr hatte es bereits wieder Fische drin», sagt Pfister.

Andri Pfister zeigt, dass es unter den Brücken in der Jona praktisch keine Algen hat – Schatten sei dank.
Andri Pfister zeigt, dass es unter den Brücken in der Jona praktisch keine Algen hat – Schatten sei dank.

Verbauung als Hauptproblem

Das Entfernen der Algen lehnen die Fischer ebenfalls ab. «Es bringt nichts.» Bei den aktuellen Temperaturen seien diese innert einer Woche wieder da. Zudem würde das manuelle Entfernen für die geschwächten Fische grossen Stress bedeuten (siehe auch Box unten).

«Die Algen sind nicht die Ursache des Problems, sondern ein Symptom davon», erklärt Pfister. Wenig und warmes Wasser führe zu Algenwachstum. Das Wasser der Jona im Siedlungsbereich ist auch deshalb viel zu warm, weil der Bach breit und hart verbaut ist, praktisch ohne schattenspendende Pflanzen. «Unter den Brücken hat es in der Jona praktisch keine Algen», sagt Pfister und zeigt auf einen entsprechenden Abschnitt im Bach.

Die Bachbewirtschaftungsgruppe setzt sich deshalb stark für die Beschattung der Bäche in ihrem Pachtgebiet ein. Oft gehen dem langwierige Verhandlungen mit den Eigentümern voraus. Bauern, die Parzellen an Bächen bewirtschaften, begeistern sich selten für Hecken und Sträucher, weil sich dadurch ihr Aufwand beim Mähen erhöht. «Wir bieten deshalb sogar an, das Mähen am Bach zu übernehmen», sagt Pfister. Jüngst habe man den Meil-ackerbach beschatten dürfen – mit finanziellen Support der Stadt. Wie Pfister weiss, sind auch Überlegungen im Gang, die Jona im Stadtgebiet zu revitalisieren. Nützlich für die Fische wäre – neben mehr Schatten – etwa ein vertieftes Gerinne in der Bachmitte, das die Fliessgeschwindigkeit des Wassers erhöht.

Fischen für viele nur Nebentätigkeit

In der 25-köpfigen Bachbewirtschaftungsgruppe muss jeder mindestens 20 Stunden im Jahr der Bachpflege widmen. Bei den besonders engagierten Mitgliedern sind es 200 Stunden und mehr – ehrenamtlich. Sie schaffen Unterstände für Fische, beschatten die Bäche, verbessern deren Struktur, machen Gewässeranalysen, kartieren Laichgruben, räumen Abfall weg und bilden Jungfischer aus.

Das eigentliche Fischen nimmt nur noch einen kleinen Teil der Zeit ein, die die Fischer der Bachbewirtschaftungsgruppe ihrem Hobby widmen. Dabei darf jedes Mitglied maximal zehn Fische pro Jahr fangen – eine Selbstbeschränkung des Vereins. Den Fischern der Stadt tut es deshalb weh, wenn sie nun als gewissenlose Tierquäler beschimpft werden.

Sorgen um die Fische in der Jona? So können Sie helfen!
Wer aktuell den Fischen in der Jona helfen möchte, lässt sie laut dem Fischereiverein der Stadt am besten in Ruhe. Das heisst, nicht in der Jona rumplanschen, keine Hunde darin herumspringen lassen und auch auf «Wild-West-Ritte» auf dem Pferd durch den Fluss verzichten. «Jeder zusätzliche Stress für die Fische ist aktuell zu vermeiden.» Zudem solle man unbedingt auf die Wasserentnahme aus der Jona und deren Zuflüssen verzichten. «Das ist ohnehin verboten.» Wer etwas Ungewöhnliches beobachte, solle den Fischereiverein kontaktieren. Ebenso seien Freiwillige bei Abfallsammelaktionen oder der Bachpflege stets willkommen. (pb)

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