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Kantonsrat begünstigt grosse Parteien

Der St. Galler Kantonsrat will die Listennummern bei kantonalen und eidgenössischen Wahlen nach Wählerstärke vergeben. Ein neues Wahlsystem, das Kleinparteien mehr Chancen gibt, lehnt er ab – ebenso Frauenquoten.

Südostschweiz
12.06.18 - 15:48 Uhr
Politik

von Christoph Leiber

Selten hat die St. Galler Regierung im Kantonsrat so viel Lob erhalten wie für ihr neues Gesetz über Wahlen und Abstimmungen, über das gestern debattiert wurde. Yvonne Suter (CVP, Rapperswil-Jona) sprach von einer «modernen, bürgerfreundlichen Vorlage». Guido Etterlin (SP, Rorschach) würdigte den Entwurf als «umfangreich und ausgereift».

Dass das bestehende Gesetz aus dem Jahr 1971 einer Revision bedarf, war im Rat unbestritten. Wie Vertreter aus allen Parteien betonten, verlangen insbesondere die Möglichkeiten, welche die Informatik bei der Stimmabgabe und Auszählung bietet, nach neuen Regelungen.

Dennoch gab es Punkte, die in der gestrigen ersten Lesung für längere Diskussionen sorgten. Schliesslich musste die frisch gewählte Ratspräsidentin Imelda Stadler (FDP, Lütisburg, siehe Kasten) in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit die weitere Debatte auf Mittwoch vertagen.

Je mehr Stimmen, desto tiefer

Gegenüber dem heutigen Gesetz hat der Kantonsrat gestern eine erste Änderung beschlossen. Neu sollen bei den Kantonsrats- und Nationalratswahlen die Listen nach Wählerstärke vergeben werden: Je mehr Stimmen eine Partei bei den letzten Wahlen erhalten hat, desto tiefer ist ihre Nummer.

«Die Regierung hat eine moderne, bürgerfreundliche Vorlage ausgearbeitet.»

Yvonne Suter, CVP-Kantonsrätin, Rapperswil-Jona

Für die neue Regelung, wie sie die Kantone Zürich, Luzern und Basel-Stadt kennen, machten sich mit der SVP und der CVP die beiden wählerstärksten Parteien im Kanton stark. Die FDP und die SP sprachen sich dagegen aus. Heute nummeriert die Staatskanzlei die Listen nach Eingang, was zu einem «grotesken Gerangel» führt, wie Erwin Böhi (SVP, Wil) sagte. Die Regierung hatte vorgeschlagenen, frühzeitig vorliegende Listen an einem Stichtag zu sammeln und deren Reihenfolge per Los zu bestimmen. Dieser Vorschlag unterlag mit 51 zu 62 Stimmen.

Zürcher System kommt nicht

Keine Chance hatte die SP-Grünen-Fraktion mit ihrem Antrag, für die Sitzvergabe bei Kantonsratswahlen ein neues System einzuführen, wie es der Kanton Zürich seit 2007 anwendet. Dieses stellt sicher, dass die Parteien so viele Sitze erhalten, wie es dem kantonalen Wähleranteil entspricht. Wenn also eine Partei über alle Wahlkreise hinweg zu kurz kommt, wird dies korrigiert. Davon profitieren Kleinparteien, die in Wahlkreisen mit wenigen Sitzen keine Chance haben. Auf der bürgerlichen Seite fand das Anliegen kein Gehör. So warnte CVP-Sprecherin Suter vor «mathematischen Pirouetten, die den Eigenheiten der Regionen nicht gerecht werden». Der Rat lehnte den Antrag mit 82 zu 27 Stimmen ab.

Keine Chance hatten die beiden Linksparteien auch mit ihrer Forderung, dass die Parteien auf ihren Wahllisten mindestens ein Drittel Frauen präsentieren müssten. Dieser Antrag scheiterte mit 20 zu 87 Stimmen.

SVP hat Bedenken wegen E-Voting

Erst am Mittwoch wird der Rat den Teil der Vorlage behandeln, der eine schrittweise Einführung von E-Voting im Kanton vorsieht. SVP-Sprecher Böhi äusserte dazu in der gestrigen Eintretensdebatte «allergrösste Bedenken», während die FDP laut ihrem Sprecher Jens Jäger (Wangs-Vilters) vor einer flächendeckenden Einführung noch einmal den Kantonsrat abstimmen lassen will. Heute ist E-Voting erst in fünf Pilotgemeinden möglich, darunter Rapperswil-Jona.

Kantonsrat setzt Spital-Kommission ein
Gleich zu Beginn der Juni-Session wurde die St. Galler Spitalstrategie gestern zum Thema im Kantonsrat. , dazu eine Spezialkommission einzusetzen. Wie SVP-Fraktionspräsident Michael Götte (Tübach) erklärte, , den die Regierung und der Verwaltungsrat der St. Galler Spitalverbunde gebildet haben.
Ende Mai hatte der Verwaltungsrat bekannt gegeben, dass er . Die Spitäler in Altstätten, Walenstadt, Wattwil, Flawil und Rorschach sollen zu Gesundheitszentren mit noch unklarem Leistungsangebot umgewandelt werden. Darüber entscheiden muss die Politik. Hintergrund der Pläne ist . Noch 2014 hat der Kanton entschieden, an neun Spitälern festzuhalten und in deren Erneuerung eine Milliarde Franken zu investieren.

Imelda Stadler ist die neue Präsidentin
Der Kantonsrat hat an seiner gestrigen Sitzung Imelda Stadler (FDP, Lütisburg) zu seiner neuen Präsidentin gewählt. Sie erhielt 99 Stimmen. Zum Vizepräsidenten wählte der Rat Daniel Baumgartner (SP, Flawil) – dies mit 93 Stimmen.
Zudem hat der Kantonsrat gestern . Durch das neue Gesetz über die Berufsbildung wird die Aufsicht über die Berufsschulen zentralisiert. Durch einen Nachtrag zum Steuergesetz die maximalen Abzüge auf 25 000 Franken. Durch einen Nachtrag zum Schulgesetz lockert der Kantonsrat in der Oberstufe die Trennung von Sekundar- und Realschule. Gutgeheissen wurde gestern auch das neue Publikationsgesetz, das für die Gesetzessammlung des Kantons und vorsieht.

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