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Die grosse Analyse zu den Regierungsratswahlen

Welcher Kandidat konnte wo punkten? Wir haben die Wahlresultate für Euch analysiert.

Olivier
Berger
11.06.18 - 04:30 Uhr
Politik
BT Stammtisch Regierungsratswahlen 2018  Wahlen Regierung
Wir haben das Abschneiden bei den Wahlen unter die Lupe genommen.
OLIVIA ITEM
Regierungsratswahlen 2018
Rathgeb: Durchmarsch in der Hälfte der Gemeinde.

FDP-Regierungsrat Christian Rathgeb ist der logische Sieger der Regierungsratswahlen 2018. In der Hälfte aller 108 Bündner Gemeinden stand der Vorsteher des kantonalen Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartements gestern von allen sieben Kandidaten am höchsten in der Gunst der Wählerinnen und Wähler.

Auffallend ist, dass Rathgebs Beliebtheit keine Frage der regionalen Befindlichkeit ist. Ausser in der oberen Surselva vermochte er in allen Talschaften des Kantons zu punkten. Auf dem übrigen Kantonsgebiet lag er lediglich noch in der Gemeinde Bergün Filisur sowie in Teilen des Calancatals mehr als vier Prozentpunkte unter seinem hohen kantonalen Durchschnittswert.

Auch jene Gemeinden, wo Rathgeb sogar für seine eigenen Verhältnisse überdurchschnittlich zu punkten vermochte, sind geografisch über das ganze Gebiet Graubündens verteilt: Casti-Wergen-stein, Lohn und seine Heimatgemeinde Rhäzüns.

Rathgebs Resultat war auch nicht von der Grösse der Gemeinden abhängig. In Chur landete er auf Platz 2 im Kandidatenfeld – ebenso wie beispielsweise in Cama. Dazu kam beispielsweise auch, dass er sich in den CVP-Stammlanden wie in Ilanz/Glion direkt hinter den Kandidaten der Christdemokraten einreihen konnte.

Regierungsratswahlen 2018
Cavigelli: Punkten jenseits des San Bernardino.

CVP-Regierungsrat Mario Cavigelli erreichte in einem Viertel der Bündner Gemeinden das beste Ergebnis aller Regierungsratskandidaten. Dass der Vorsteher des kantonalen Bau-, Verkehrs- und Forstdepartements in der Surselva würde punkten können, lag als Vermutung nahe.

Cavigelli hat aber noch zweite Stammlande, wie das Ergebnis der Wahlen 2018 zeigt. Kein Kandidat ist jenseits des San Bernardino beliebter als er. So lag er in Buseno, Calanca, Cama, Castaneda, Grono, Lostallo, Mesocco, Rossa, San Vittore, Soazza und Sta. Maria an der Spitze des Kandidatenfelds. Offenbar kommt der Mann aus Domat/Ems aber in ganz Italienischbünden gut an. Auch in Brusio, Poschiavo und Bregaglia erzielte er das beste Resultat aller Kandidaten – und natürlich in seiner Wohngemeinde.

Zu beissen hatte Cavigelli einzig in Teilen von Nordbünden. In der Bündner Herrschaft und teilweise im Prättigau kam er nicht ganz an seinen ansonsten sehr guten kantonalen Durchschnittswert heran.

Wahlen Sonntag Bündner Regierung
Caduff: Das Comeback der «lavina nera».

Dass CVP-Kandidat Marcus Caduff die Surselva hinter sich scharen müssen würde, um eine Wahlchance zu haben, war hinlänglich bekannt. Nun, dieses Ziel hat der Grossrat aus dem Lugnez sogar noch übertroffen. Auch Schmitten und Rongellen gehören zu jenen Gemeinden, in welchen Caduff Spitzenreiter in der Wählergunst war.

Daneben allerdings punktete der 45-Jährige tatsächlich vor allem in seinen Stammlanden und jenen seiner Partei. Und dies in einer Art und Weise, welche an die legendäre «lavina nera» aus der Vergangenheit erinnerte. Caduff eroberte Platz 1 in den Gemeinden Breil/Brigels, Disentis/Mustér, Ilanz/Glion, Laax, Lumnezia, Medel (Lucmagn), Obersaxen Mundaun, Sumvitg, Trun, Tujetsch und Vals.

Ausserdem fiel Caduff in keiner Region des Kantons wirklich spürbar ab. Einen etwas schwereren Stand hatte er aber im Teilen des Prättigaus, im Hinterrhein und im Engadin.

Regierungsratswahlen 2018
Peyer: Der Liebling des urbanen Graubünden.

Das «rote Chur», die Kantonshauptstadt als SP-Hochburg, hat ihrem Ruf auch bei den Regierungsratswahlen alle Ehre gemacht. Der Sozialdemokrat Peter Peyer erreichte in der grössten Bündner Gemeinde mit 4307 Stimmen das beste Resultat – das sind 14 Stimmen mehr als Regierungsrat Christian Rathgeb erhielt.

Ausser in Chur lag Peyer am Ende des Wahltags in sechs weiteren Gemeinden auf dem Spitzenplatz im Kandidatenfeld: Bever, Madulain (zusammen mit Christian Rathgeb), Malans, Masein, Rothenbrunnen und in Trin, seiner Wohn- gemeinde.

Auf verlorenem Posten stand Peyer – wie zu erwarten war – in weiten Teilen der Surselva. Allerdings verfehlte er seinen durchschnittlichen Wähleranteil nur in Felsberg, Samnaun und Schmitten um mehr als vier Prozent.

Peyer ist nicht nur wegen seines Siegs in Chur gewissermassen der neue Regierungsrat des urbanen Graubünden. In Davos beispielsweise landete er auf dem dritten Platz hinter Rathgeb und Mario Cavigelli); in Landquart eroberte er knapp hinter Rathgeb gar den zweiten Rang. Von den grösseren Bündner Gemeinden vermochte er einzig in St. Moritz nicht zu punkten.

Regierungsratswahlen 2018
Schlegel: Im Norden und Süden.

SVP-Kandidat Walter Schlegel konnte in fünf Bündner Gemeinden das beste Ergebnis aller Kandidaten für sich verbuchen – das sind zwei Gemeinden weniger als sein letztlich ärgster Konkurrent, BDP-Regierungsrat Jon Domenic Parolini. Wenig überraschend stellte sich seine Wohngemeinde Trimmis mit grosser Mehrheit hinter den eigenen Mann: Hier holte Schlegel mehr als doppelt so viele Stimmen wie Parolini. «Schlegelland» waren gestern aber auch die Gemeinden Küblis, Maladers, Nufenen und Roveredo.

In Chur konnte Schlegel, Kommandant der Kantonspolizei Graubünden, immerhin für sich in Anspruch nehmen, vor Parolini geblieben zu sein: Mit 2678 Stimmen lag er aber deutlich hinter dem lokalen Wahlsieger Peter Peyer, Christian Rathgeb und Mario Cavigelli. Auch Marcus Caduff holte in der Kantonshauptstadt mehr Stimmen als Schlegel.

Überdurchschnittlich im Vergleich zu seinem Wähleranteil im Rest des Kantons schnitt Schlegel unter anderem im Puschlav, im Misox und in Flims ab. Wie die meisten anderen Nicht-CVP-Kandidaten hatte er dafür in der oberen Surselva einen schweren Stand.

Regierungsratswahlen 2018
Parolini: In der Heimat trotz Skandal beliebt.

BDP-Regierungsrat Jon Domenic Parolini glänzte bei den gestrigen Wahlen vor allem durch Beständigkeit (siehe Haupttext). In immerhin sieben Gemeinden erreichte der Vorsteher das kantonalen Departements für Volkswirtschaft und Soziales das Spitzenresultat im Kandidatenfeld. Was Parolini – nach den ganzen Diskussionen um Bauabsprachen und Kartellskandal – besonders freuen dürfte: In der engeren Heimat ist seine Beliebtheit ungebrochen. So landete er nicht nur im heimischen Scuol auf dem ersten Platz, sondern auch in La Punt Chamues-ch, Val Müstair und Valsot. Dazu kamen noch Mathon,Tschappina und Zillis-Reischen.

Parolini kann ausserdem für sich in Anspruch nehmen, dass er der Einzige der fünf übrigen Kandidaten ist, der mit der CVP in deren Stammlanden einigermassen mithalten konnte. Jedenfalls lagen seine Wahlergebnisse in der Surselva nicht wesentlich unter jenen im Rest des Kantons. In Misox schaffte es Parolini gar über den eigenen kantonalen Durchschnitt; einzig in der Gemeinde Lumnezia konnte man offensichtlich mit dem vermeintlich direkten Konkurrenten des gemeindeeigenen Kandidaten Marcus Caduff wenig anfangen.

Regierungsratswahlen 2018
Bardill: Gleichmässig zum Achtungserfolg.

Der Parteilose Linard Bardill vermochte als Einziger im siebenköpfigen Feld der Bewerber keine Gemeinde für sich zu entscheiden. Daraus allerdings zu schliessen, dass sich die Bündner Bevölkerung schlicht nicht vorstellen konnte, den Musiker in die Regierung zu wählen, wäre aber verfehlt. In fast jeder fünften Gemeinde gehörte Bardill zu jenen fünf Männern, welche sich die Bevölkerung in der Regierung wünschte. Ausserdem landete er – was für einen unabhängigen Kandidaten keine Selbstverständlichkeit ist – bloss in wenigen Gemeinden auf dem letzten Platz im Feld. Und: Es gab keine einzige Gemeinde, wo Bardill nicht mindestens eine Stimme zu holen vermochte.

Unterdurchschnittlich schnitt Bardill lediglich in Teilen Italienischbündens ab, wo sein Wähleranteil unter dem eigenen kantonalen Durchschnitt lag. Das könnte unter anderem damit zusammenhängen, dass sein Bekanntheitsgrad als Autor und Liedermacher in Deutsch- und Romanischbünden grösser ist als jenseits der italienischen Sprachgrenze.

Besonders freuen darf sich Bardill über die Unterstützung aus Sils im Engadin und Conters im Prättigau. In beiden Gemeinden erreichte er hinter dem unbestrittenen Spitzenreiter, FDP-Regierungsrat Christian Rathgeb, den zweiten Platz unter allen Kandidaten – in Conters gemeinsam mit SVP-Mann Walter Schlegel. Augenfällig ist ausserdem, dass Bardill gerade auch in sonst eher SVP-affinen Regionen zu punkten vermochte.

Olivier Berger wuchs in Fribourg, dem Zürcher Oberland und Liechtenstein auf. Seit rund 30 Jahren arbeitet er für die Medien in der Region, aktuell als stellvertretender Chefredaktor Online/Zeitung. Daneben moderiert er mehrmals jährlich die TV-Sendung «Südostschweiz Standpunkte». Mehr Infos

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Wie ich immer gesagt habe, Schlegel gehört nicht in die Regierung und Parolini nicht wiedergewählt. Das Ziel wurde leider nur zum Teil erreicht. Wenn es so bleibt, ist einer von beiden ganz sicher nicht gewählt, der andere hat einen Denkzettel bekommen. Gut so und Freude herrscht. Nur wenn Schlegel nicht gewählt bleibt, kann die Verhaftungsaktion von Quadroni korrekt untersucht werden. Denn wer fährt schon einem neu gewählten Regierungsrat mit einer Untersuchung an den Karren? Schade, dass Bardill nicht mehr Stimmen gemacht hat. Er hat jedoch einen Achtungserfolg erzielt.

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