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Roma sollen nicht als nationale Minderheit anerkannt werden

Die Roma in der Schweiz warten weiter auf ihre Anerkennung als nationale Minderheit. Der Bundesrat hat ein entsprechendes Gesuch aus verschiedenen Gründen abgelehnt. Die Betroffenen prüfen weitere Schritte.

Agentur
sda
01.06.18 - 17:47 Uhr
Politik
Zehntausende Roma haben das Schweizer Bürgerrecht. Trotzdem sollen sie nicht wie die Jenischen und die Sinti als nationale Minderheit anerkannt werden. Laut dem Bundesrat sind verschiedene Kriterien nicht erfüllt oder unzureichend belegt. (Archiv)
Zehntausende Roma haben das Schweizer Bürgerrecht. Trotzdem sollen sie nicht wie die Jenischen und die Sinti als nationale Minderheit anerkannt werden. Laut dem Bundesrat sind verschiedene Kriterien nicht erfüllt oder unzureichend belegt. (Archiv)
KEYSTONE/STR

Eigentlich sollte das lange Warten endlich ein Ende haben. Am Freitagabend kam für die Schweizer Roma-Organisationen und die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) aber die Enttäuschung: Der Bundesrat lehnte einen Antrag auf Anerkennung der Roma als nationale Minderheit ab.

Zwanzig Jahre nach dem Erfolg der Jenischen und der Sinti, offiziell im Sinne des Rahmenübereinkommens des Europarats anerkannt zu werden, werden die Roma in der Schweiz damit weiterhin nur als Bestandteil der Gesellschaft respektiert. Die Kriterien für eine Anerkennung als Minderheit seien nicht erfüllt, schreibt der Bundesrat.

Zu wenig starke Bindung zur Schweiz

Begründet wird der Entscheid damit, «dass sowohl das Kriterium der Schweizer Staatsangehörigkeit als auch das Kriterium des Willens, die gemeinsame Identität zu bewahren, nicht genügend belegt sind». Zudem sei das Kriterium der seit langem bestehenden Bindungen zur Schweiz nicht erfüllt.

Erfüllt scheint dagegen das Kriterium, dass die Personengruppe dem Rest der Bevölkerung des Landes oder eines Kantons zahlenmässig unterlegen sein muss. Weil aber alle Kriterien erfüllt sein müssen, reicht dies nicht.

Vor Diskriminierung schützen

Für die Betroffenen dürfte es nur ein kleiner Trost sein, dass der Bundesrat die Roma als «ein anerkannter Bestandteil der Schweizer Gesellschaft» bezeichnet. Roma seien vor Rassismus und Diskriminierung zu schützen.

So seien die Roma in der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR) vertreten, sie hätten in der Arbeitsgruppe «Verbesserung der Bedingungen für die fahrende Lebensweise und zur Förderung der Kultur von Jenischen, Sinti und Roma» teilgenommen und würden Teil des einschlägigen Aktionsplans des Bundes sein.

Ausserdem finanziere die Fachstelle für Rassismusbekämpfung (FRB) regelmässig Projekte der Roma und für Roma, um die Öffentlichkeit für ihre Situation zu sensibilisieren, schreibt der Bundesrat. Auch das Bundesamt für Kultur unterstütze Projekte zugunsten der Roma in den Bereichen Kultur und Mediation.

Jahrhundertelange Tradition

Auch ohne Anerkennung als nationale Minderheit haben die Schweizer Roma laut dem Bundesrat die gleichen Rechte wie die anderen Schweizer Bürgerinnen und Bürger. So seien sie berechtigt, die eigene Kultur zu pflegen und die eigene Sprache zu sprechen.

Das geht den Gesuchstellern freilich viel zu wenig weit. Sie kritisieren den Entscheid des Bundesrats als politisch. «Es zeigt einmal mehr, dass Roma trotz jahrhundertelanger Anwesenheit in der Schweiz noch immer als Fremdkörper wahrgenommen werden», lässt sich der Präsident der Roma Foundation, Stéphane Laederich, in einer Mitteilung zitieren.

«Das ist diskriminierend»

2016 anerkannte der Bundesrat die Sinti unter ihrer Selbstbezeichnung als nationale Minderheit an. Sinti sind eine Teilgruppe der Roma, die ihren eigenen Gruppennamen bevorzugen.

Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb nun nicht auch die Roma von der Schweiz als nationale Minderheit anerkannt würden, schreibt die Gesellschaft für bedrohte Völker. Damit würden die Minderheiten gegeneinander ausgespielt. «Das ist diskriminierend.»

Der Kampf geht weiter

Der Bundesrat hätte laut den Gesuchstellern mit einem positiven Entscheid die Chance gehabt, «dass Erbe der repressiven Zigeunerpolitik abzubauen und den Roma rechtlichen Schutz zu gewähren». Dass dies nicht erfolgt sei, sei skandalös.

Die Schweizer Roma-Organisationen und die Gesellschaft für bedrohte Völker prüfen nach eigenen Angaben gegenwärtig völkerrechtliche Schritte, bleiben jedoch mit den involvierten Bundesstellen im Gespräch.

In der Schweiz leben zwischen 80«000 bis 100»000 Roma - rund dreissig Prozent mit Schweizer Pass. In Österreich und Deutschland sind die Roma bereits als nationale Minderheiten anerkannt.

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