×

Irgendwo zwischen Wattebausch-Werfen und dem Frontangriff auf den Mann

Der Ton ist schärfer geworden, die grosse Schlacht wurde es dann aber doch nicht: Die «Finalissima» der sieben Bündner Regierungsratskandidaten hat gestern Neues und weniger Neues zutage gefördert. Und die Erkenntnis, dass «schnell» relativ ist.

Olivier
Berger
25.05.18 - 05:33 Uhr
Politik
Wahlpodium Somedia Bündner Regierungsratswahlen Wahlen 2018
Marc Melcher und Andri Franziscus fühlen den Regierungsratskandidaten auf den Zahn.
Olivia Item / OLIVIA ITEM

Zumindest für den langjährigen «Südostschweiz»-Karikaturisten Orlando Eisenmann war die Sache am Ende eines langen Abends klar. Er zeichnete die sieben Regierungsratskandidaten und liess zwei davon sich gegenseitig mit Wattebäuschen bewerfen. Die grosse «Finalissima» von Somedia, Radiotelevisiun Svizra Rumantscha und Regionaljournal Graubünden von Radio SRF: ein Kuschelabend also?

Zwischen Ärger und Zorn

Nun, ganz so in eitel Minne verlief die einzige Podiumsdiskussion mit allen sieben Kandidaten dann doch nicht. Dafür sorgten auch die beiden Gesprächsleiter Marc Melcher und Andri Franziscus. Sie stiegen mit jenem Thema ins Gespräch ein, das diesen Wahlkampf seit Anfang Monat prägt: den Diskussionen um das Baukartell und dem Polizeieinsatz gegen den Informanten.

Dabei zeigte sich BDP-Regierungsrat Jon Domenic Parolini emotional. «Ich fühle mich durch gewisse Berichterstattungen in ein falsches Licht gerückt», gab er unumwunden zu. Polizeikommandant Walter Schlegel (SVP) betonte, er habe nichts gegen die verschiedenen laufenden Untersuchungen. «Ich bin froh, dass sie durchgeführt werden», sagte er (siehe Frontseite). Der parteilose Kandidat Linard Bardill beteuerte: «Ich bin nicht mehr in der Phase des Zorns.»

Die Regierung – kein Team?

Allein auf die Aufarbeitung des Baukartell-Skandals beschränkte sich der Abend allerdings nicht. Auf die Frage, wieso die Bündner Regierung in den letzten vier Jahren nicht immer den besten Eindruck hinterlassen habe, antwortete SP-Kandidat Peter Peyer: «Das müssen sie die amtierenden Regierungsräte fragen.» Für CVP-Bewerber Marcus Caduff funktioniert die heutige Regierung «zu wenig als Team» – ein Vorwurf, von dem Caduff auch den eigenen Parteikollegen, Regierungsrat Mario Cavigelli, nicht ausnahm.

Den Vorwurf übrigens, einen Soft-Wahlkampf zu betreiben, wollte keiner der sieben Kandidaten auf sich sitzen lassen. «Ich führe einen Wahlkampf, der anständig ist», erklärte Schlegel. Einzig Bardill gab zu, ganz gerne auf den Mann zu spielen. «Es werden Männer gewählt, nicht Fussbälle», begründete er seine Haltung. Dass er selber schon Ziel Bardill’scher Attacken geworden ist, beeindruckt Caduff offenbar wenig. «Das muss man über sich ergehen lassen können wie das Wetter», sagte er.

«Mehr vom Kuchen»

Bei der Digitalisierung wünschte sich Peyer, «in den nächsten vier Jahren einen Schub hinzubekommen». Schlegel forderte: «Wir müssen unsere Jugend bereit machen.» Volkswirtschaftsdirektor Parolini verwies auf laufende Projekte des Kantons, die ein Ziel hätten. Man wolle «mehr vom Kuchen nach Graubünden holen».

Dass die Hoffnung auf einen High-tech-Standort Graubünden reine Träumerei sei, bestritt Cavigelli. «Ich glaube nicht, dass das per se unmöglich ist», betonte er. FDP-Regierungsrat Christian Rathgeb gab gar zu bedenken, mit der Digitalisierung gebe es «keine Randregionen mehr». Bardill wiederum forderte zur besseren technischen Erschliessung flankierende Massnahmen. «Es ist nur mit den Kabeln noch nicht gemacht.»

Nicht einig beim Tourismus

Weit auseinander gingen die Meinungen auch beim Tourismus. «Es läuft einiges schief», warnte Caduff. Peyer verlangte Taten statt Worte. «Wir müssen nicht noch mehr Weissbücher schreiben», sagte er. Rathgeb wiederum fand, dass «die Unternehmer am besten wissen, wie sie Erfolge haben». Ratschläge von der Politik bräuchten sie nicht.

Er zeichnete die sieben Kandidaten und liess zwei davon sich gegenseitig mit Wattebäuschen bewerfen.

Wie das Zeitgefühl von Politikern funktioniert, erlebte das Publikum bei den verschiedenen Kurzfragerunden. Die geforderten Ja/Nein-Antworten gab es dabei kaum; gegen das bisweilen ausufernde Mitteilungsbedürfnis der Politiker konnten auch die beiden gestandenen Gesprächsleiter nur selten etwas ausrichten.

 

Olivier Berger wuchs in Fribourg, dem Zürcher Oberland und Liechtenstein auf. Seit rund 30 Jahren arbeitet er für die Medien in der Region, aktuell als stellvertretender Chefredaktor Online/Zeitung. Daneben moderiert er mehrmals jährlich die TV-Sendung «Südostschweiz Standpunkte». Mehr Infos

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Politik MEHR