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So stimmten Eure Vertreter im Grossen Rat

Wie oft sind alle Parteien im Grossen Rat einer Meinung und welcher Parlamentarier ist am häufigsten anwesend? Eine umfassende Analyse zum Stimmverhalten der Bündner Parlamentarier.

24.05.18 - 04:30 Uhr
Politik

Die Antwort auf die erste Einstiegsfrage gleich vorweg: Die Bündner Grossräte diskutieren viel und lange, doch am Ende sind sie doch häufig einer Meinung. In der laufenden Legislatur herrschte bei nicht weniger als der Hälfte aller Abstimmungen im Grossen Rat Konsens unter den Parteien. Jede zweite Abstimmung war demnach völlig unbestritten. Die Daten für diesen Befund liefert Clau Dermont. Der Bündner Politologe analysierte zwischen 2015 und 2018 das Stimmverhalten aller 120 Grossrätinnen und Grossräte sowie deren Stellvertretungen bei insgesamt 360 Abstimmungen (dokumentiert auf grwatch.ch). Er benutzte dazu die sogenannten W-Nominate-Methode, die ursprünglich für den US-Kongress entwickelt wurde. Dabei werden die Abstimmungsentscheide der einzelnen Parlamentsmitglieder genutzt, um sie anhand von zwei Konfliktachsen zu «sortieren» (siehe obere Grafik; entdecken Sie auf «suedostschweiz.ch» zusätzlich, welche Grossrätin bzw. welcher Grossrat hinter welchem Punkt steckt).

«Ich habe alle Daten aus der politischen Realität des Grossen Rates bezogen. Also von politischen Vorlagen, über die auch wirklich abgestimmt wurde», sagt Dermont. Das sei ein wichtiger Unterschied zu der bekannten Online-Wahlhilfe Smartvote.

Allein gegen den Rest

Die Grafik von Dermont orientiert sich an den Konfliktachsen links/rechts und progressiv-kantonal/konservativ-regional. Dabei zeigt sich auf den ersten Blick das bekannte Bild mit SP und SVP an den politischen Polen. SP und SVP hatten in der laufenden Legislatur auch am häufigsten eine exklusive Position eingenommen und allein gegen den Rest des Parlaments gestimmt (Grafik unten).

In dieser Wertung folgt – mit einigem Abstand allerdings – die CVP als erste grosse bürgerliche Fraktion. «Allein gegen alle» stimmte die CVP tendenziell bei Vorstössen, die sie selber in die Debatte eingebracht hatte. Etwa beim Wirtschaftsgesetz, wo sie sich vergebens für die stärkere Berücksichtigung der regionalen Masterpläne eingesetzt hatte. In immer noch beachtlichen 227 Abstimmungen stimmten BDP, CVP und FDP aber zusammen.

Die CVP ist gemäss Dermonts Erhebung neben den Grünliberalen (GLP) die einzige wirkliche Mittepartei in Graubünden. Die Grossräte der CVP-Fraktion stimmen ausserdem am konservativsten und setzten sich am häufigsten für regionale Lösungen ein.

Mit der Maus auf einen Punkt fahren, dann seht Ihr den Grossrat hinter der entsprechenden Position.

 

BDP und FDP sind die beiden Parteien, die hinsichtlich ihres Abstimmungsverhaltens im Bündner Kantonsparlament die grössten Gemeinsamkeiten aufweisen. Ganze 275 Mal stimmten sie in der laufenden Legislatur auf einer Linie. Auf der Links-Rechts-Achse gibt es kaum Unterschiede zwischen den beiden Parteien, jedoch positioniert sich die FDP klar progressiver und tendiert häufiger zu kantonalen Lösungen, welche für alle Regionen gleich gelten und die Strukturen schlanker halten. Die GLP hat sich als progressive Mittepartei positioniert und hat damit eine eigene Nische besetzen können.

Majorz führt nicht zu mehr Unabhängigkeit

Dermont hat auch die Abstimmungsdisziplin in den Fraktionen gemessen. Die beiden Polparteien SP und SVP stimmten im laufenden und zurückliegenden Jahr am geschlossensten ab, gefolgt von FDP, CVP und BDP.

Zieht man den Vergleich zum Nationalrat, lassen sich hinsichtlich Fraktionsdisziplin kaum Unterschiede erkennen, die Fraktionsdisziplin ist im Grossen Rat sogar tendenziell höher. Mit Blick auf das unterschiedliche Wahlsystem der beiden Parlamente ist dieser Befund nicht ohne Brisanz. Anhänger des Majorzwahlsystems, nach welchem der Bündner Grosse Rat gewählt wird, argumentieren unter anderem damit, dass sie in erster Linie Köpfe und nicht Parteien wählen wollten. «Die dabei gewählten Volksvertreter stimmen dadurch aber offensichtlich nicht unabhängiger», sagt Dermont.

Einen Unterschied zum Nationalrat hat Dermont aber festgestellt. Gemäss dem W-Nominate-Raster politisierte die SVP national in der laufenden Legislatur mit viel grösserem Abstand am rechten Rand als in Graubünden. Die Gründe sieht Dermont in den politischen Themen, die in Graubünden debattiert werden. «Die nationalen Kernthemen der SVP – Migration und EU – finden kantonal kaum statt», so Dermont. Deshalb falle es der Bündner SVP im Grossen Rat auch schwer, sich von den übrigen bürgerlichen Parteien deutlicher rechts abzusetzen.

Der disziplinierteste Grossrat

Bleibt noch die zweite Einstiegsfrage nach dem Parlamentarier mit der grössten Anwesenheitsdisziplin zu beantworten. Gemäss Dermont ist dies in der laufenden Legislatur Roland Kunfermann (CVP, Thusis). Kunfermann nahm an 358 von 360 Abstimmungen teil. Am unteren Ende dieser Rangliste steht sein Parteikollege Heinrich Berther aus Disentis mit 195 Abstimmungen.

Diese und weitere Auswertungen zum Bündner Grossen Rat finden sich auf der Webseite grwatch.ch. Betrieben wird die Webseite vom Politologen Clau Dermont.

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