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Präsident Zeman: Auch Tschechien hat an Nowitschok-Gift geforscht

Diese Enthüllung ist eine Überraschung: Tschechien hat nach Darstellung seines Staatschefs mit einem Nervengift aus der Nowitschok-Klasse im Labor experimentiert. Ein eng verwandter Kampfstoff soll den Doppelagenten Sergej Skripal vergiftet haben.

Agentur
sda
04.05.18 - 02:44 Uhr
Politik
Nach zahlreichen Dementi: Tschechiens Präsident Milos Zeman hat öffentlich erklärt, sein Land habe auch mit dem Nervengift Nowitschok experimentiert. (Archivbild)
Nach zahlreichen Dementi: Tschechiens Präsident Milos Zeman hat öffentlich erklärt, sein Land habe auch mit dem Nervengift Nowitschok experimentiert. (Archivbild)
KEYSTONE/EPA/MARTIN DIVISEK

In Tschechien ist ein Nervengift aus der hochgefährlichen Nowitschok-Klasse nach Angaben der Staatsführung zu Forschungszwecken synthetisiert worden. «Die Menge des hergestellten Gifts war angeblich klein, und es wurde nach den Versuchen vernichtet», sagte Präsident Milos Zeman am Donnerstagabend im Fernsehsender Barrandov.

Ein Nervengift aus der Nowitschok-Klasse war nach britischen Angaben bei dem Anschlag auf den Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter im englischen Salisbury Anfang März verwendet worden. Zeman zufolge dürfte es sich um den Stoff A-234 gehandelt haben, während in Tschechien an der Substanz A-230 geforscht worden sei.

Nur wenige Labore

Das Experiment habe im November stattgefunden in einem militärischen Forschungsinstitut in Brünn (Brno), der zweitgrössten tschechischen Stadt. «Wir wissen wo, wir wissen wann, also wäre es Heuchelei, so zu tun, als ob nichts geschehen wäre», sagte der 73 Jahre alte Staatschef. Er berief sich dabei auf einen neuen Bericht des tschechischen Militärnachrichtendienstes. Nach Einschätzung von Fachleuten sind nur wenige Labore in der Welt in der Lage, mit derart gefährlichen Nervenkampfstoffen zu arbeiten.

Grossbritannien macht Russland für den Anschlag auf Skripal verantwortlich. Das Aussenministerium in Moskau wies dies zurück und unterstellte seinerseits Tschechien, Grossbritannien, der Slowakei und Schweden, als mögliche Herkunftsländer des verwendeten Kampfstoffs infrage zu kommen. Die Regierung in Prag wies dies aber bisher vehement zurück. «Die Russen haben alle Grenzen überschritten», sagte beispielsweise Ministerpräsident Andrej Babis von der populistischen ANO-Partei.

Freund Putins

Zeman, der im Januar vom Volk für eine zweite, fünfjährige Amtszeit wiedergewählt wurde, gilt als russlandfreundlich - und liegt damit bisweilen mit der Regierung von Babis über Kreuz. Im November war er im Schwarzmeerkurort Sotschi mit Kremlchef Wladimir Putin zusammengekommen. Einen Monat zuvor hatte er die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland in einer Rede vor dem Europarat als «vollendete Tatsache» bezeichnet.

Die Kampfstoffe der Nowitschok-Gruppe waren in der früheren Sowjetunion entwickelt worden. Tschechien betreibt im südmährischen Vyskov (Wischau) ein Nato-Kompetenzzentrum zur Abwehr von ABC-Waffen, also atomaren, biologischen und chemischen Kampfstoffen. Der frühere Warschauer-Pakt-Staat ist seit 1999 Mitglied des transatlantischen Bündnisses. Die internationale Chemiewaffenkonvention verbietet unter anderem die Entwicklung und den Besitz von Chemiewaffen, schliesst aber die Forschung zu Abwehrzwecken nicht aus, solange bestimmte Bedingungen und Meldepflichten erfüllt sind.

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