×

Der Polit-Sumpf rund um das Baukartell

Zwar ist die Geschichte rund um das Bündner Baukartell bereits ein alter Hut, seit der Veröffentlichung der vierteiligen Reportage des Online-Magazins «Republik» und dem neusten Urteil der Wettbewerbskommission (Weko) jedoch wieder in aller Munde. Und damit sind auch zahlreiche Bündner Politiker wieder ins Kreuzfeuer geraten. Der Überblick.

Südostschweiz
27.04.18 - 17:44 Uhr
Politik
Der Skandal zieht immer weitere Kreise.
Der Skandal zieht immer weitere Kreise.
BILDER ARCHIV/MONTAGE SÜDOSTSCHWEIZ

Neue Untersuchungen der Wettbewerbskommission haben schweizweit den bisher grössten Fall von Preisabsprachen im Baugewerbe aufgedeckt. Tatort ist der Kanton Graubünden, wo Bauunternehmen über Jahre Ausschreibungen manipulierten.

Die Wettbewerbskommission (Weko) büsste sieben involvierte Firmen mit insgesamt 7,5 Millionen Franken, wie sie am Donnerstag mitteilte. Festgestellt wurde, dass die Baufirmen im Unterengadin in Kartellen bei etwa 400 öffentlichen und privaten Projekten im Hoch- und Tiefbau die Preise abgesprochen hatten. Zudem wurden die Aufträge verteilt. Die Ermittlungen umfassen die Jahre 1997 bis 2008.

Ein Volumen von mindestens 100 Millionen Franken wurde auf diese Weise von den Firmen kartellmässig aufgeteilt. Die Absprachen fanden in so genannten Vorversammlungen statt, welche vom Graubündnerischen Baumeisterverband (GBV) organisiert wurden. Der Ramoscher Bauunternehmer Adam Quadroni brachte dies ans Licht. Er selbst war in Absprachen verwickelt.

Verfahrenskosten für den Verband

Dem Verband wurde keine Busse aufgebrummt, weil er laut Weko nicht als Anbieter von Dienstleistungen auftritt. Er muss allerdings Verfahrenskosten von 40'000 Franken zahlen.

Vor den Medien in Chur wusch die Führungsriege des GBV ihre Hände in Unschuld. Sowohl Geschäftsführer und BDP-Politiker Andreas Felix als auch GBV-Präsident Markus Derungs bestritten, von den Manipulationen gewusst zu haben.

«Bleibe Regierungsratskandidat»

Der Fall von illegalen Absprachen weist in Graubünden eine politische Komponente auf. Der Geschäftsführer des Baumeisterverbandes, Andreas Felix, kandidiert für einen Sitz in der Kantonsregieurng. Der Präsident der Bündner BDP betonte am Donnerstag in Chur vor den Medien: «Ich bleibe Regierungsratskandidat.» Am Freitag dann die Kehrtwende - der Druck ist zu gross. Felix gibt den Rücktritt als Kandidat und als Parteipräsident der BDP Graubünden bekannt.

Die Bündner Regierung reagierte heftig auf die neusten Weko-Enthüllungen. Sie sei «empört» und «konsterniert» über das Ausmass der Preisabsprachen, liess sie verlauten. Gegen fehlbare Unternehmen will der Kanton vorgehen. In Frage kämen, submissions-, zivil- und strafrechtliche Schritte.

Auch Bündner Politiker im Fokus

Wer nun denkt dass damit die Geschichte zu Ende ist, der irrt gewaltig. Nebst Andreas Felix, sind auch die Regierungsräte bzw. -kandidaten Jon Domenic Parolini, Walter Schlegel und Christian Rathgeb in die Geschichte vermeintlich verwickelt. Dazu kommt auch der frühere Regierungsrat und jetztige Ständerat Stefan Engler.

Konkret: Jon Domenic Parolini soll als damaliger Gemeindepräsident von Scuol von den Absprachen gewusst haben und untätig geblieben sein. Dieser bestreitet die Vorwürfe vehement. Der Whistleblower Adam Quadroni habe ihm zwar einst eine Liste gezeigt, die Gemeinde sei aber nicht betroffen gewesen und Quadroni habe ihn keine Kopie der belastenden Unterlagen machen lassen wollen. Er habe deshalb nicht weiter handeln können.

Auch SVP-Regierungsratskandidat und Kommandant der Kantonspolizei Graubünden Walter Schlegel ist von der Affäre betroffen. Zwar nicht im Rahmen der illegalen Absprachen, sondern in Bezug auf die Verhaftung des Whistleblowers. Gemäss eigenen Angaben von Quadroni war diese unverhältnismässig. Und auch der Präsident der Bündner SP, Philipp Wilhem, bezeichnet die Rolle der Kantonspolizei in dieser Geschichte als «fragwürdig».

Philipp Wilhelm im Interview Demian Spescha.

Walter Schlegel selbst betont, dass die Verhaftung nichts mit den Preisabsprachen zu tun hatte, sondern auf Hinweise zurückgehe, dass sich Quadroni selbst und anderen etwas habe antun wollen. Man werde die Vorwürfe aber untersuchen, so der Polizeikommandant.

Walter Schlegel im Interview mit Demian Spescha.

Würde ein Fehlverhalten der Kantonspolizei zu Tage kommen, wäre plötzlich auch der Bündner Justizdirektor Christian Rathgeb im Fokus. Bisher blieb es um ihn und eine allfällige Verantwortung aber ruhig.

Anders sieht dies beim ehemaligen Regierungsrat und Baudirektor und jetztigen Ständerat Stefan Engler aus. Er soll von den Absprachen ebenfalls gewusst haben. Gegenüber der Zeitung «Südostschweiz» erklärte Engler nun: «Alle wollen wissen, wieso man nicht früher auf die Machenschaften aufmerksam geworden ist – besonders im Hinblick auf die Zukunft. Ich persönlich begrüsse diese Untersuchung. Sie wird ergeben, dass ich keine Informationen unterschlagen habe, weil ich zu keinem Zeitpunkt Anhaltspunkte für einen solchen Skandal hatte.» (koa/sda)

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.

Nur schon die Art und Weise, wie Schlegel nicht müde wird, den Zusammenhang zwischen Baukartell und dem Polizeieinsatz wegzureden, muss einem neutralen Beobachter mehr als verdächtig vorkommen. Ausserdem sind die zeitlichen Zufälle sogar für einen Kanton GR etwas gar auffällig. Für mich unwählbar.

Es mag ja sein, dass dieser Einsatz nicht im Zusammenhang mit der WEKO-Abklärung stand. Nun ist es aber so, dass die polizeiliche Einschätzung möglichst umfassend sein sollte, d.h. es wird das "Gesamtumfeld" miteinbezogen. Wenn nun aber eine Person derart fertig gemacht wurde, ist die Einschätzung wohl negativer als ungebracht. Und - sorry - wenn derart viel gemauschelt wird ... kann ich mir schlichtweg nicht vorstellen, dass die Polizei davon völlig unbeeinflusst blieb.
Somit ist die Polizei wohl instrumentalisiert worden um Quadroni noch gefügiger zu machen .... . Es bleibt zu hoffen, dass eine PUK zustande kommt; dann wird hoffentlich kein Zusammenhang mittels Notizen oder unter Befragungsdruck daraus resultiert.

Artikel im "Blick" und die Aussagen von Quadroni sind klar: Die Bündner Polizei unter dem Kommando von Schlegel hat diese gewalttätige Aktion verantwortet. Die Polizei als Kampf- und Schlägertruppe, die einen Bürger wegen angeblicher Selbstmordgefahr brutal zusammenschlägt, demütigt, schikaniert, verletzt - nach so etwas ist man traumatisiert.

Sind wir hier in der Ex-DDR, wo die Kampftruppen der SED das mit Regimekritikern machten? Geht's eigentlich noch? So ein Polizeiverhalten ist völlig daneben! Komischerweise sind die Verursacher der Korruption immer noch frei und wurden nie verhaftet. Der Whistleblower ist der Geschädigte, weil die Schweizer Parlamentarier immer noch ein Gesetz zum Schutz von solchen Zeugen ablehnen (kein Wunder, sie mischen ja mit!).

Dieser Walter Schlegel SVP will auch noch Regierungsrat werden? Das verhindert hoffentlich der Stimmbürger!!!! Man kann froh sein, wenn man mit Polizei und Behörden im Kanton GR nichts zu tun hat... da ist man nachher ruiniert, körperlich, psychisch und finanziell.

Die Regierung tut gut dran, wen sie das ganze Aufklären lässt, ich behaupte solche Preisabsprachen gibt es nicht nur im Engadin sondern im ganzen Kanton, jeder wo mit der Baubranche zu tun hat, weiss das es leider solche Absprachen gibt.

Damit die Untersuchungen Glaubwürdig sind, sollte die Regierung einen Ausserkantonalen Staatsanwalt oder eine Unabhängige PUK beauftragen, welche genau abklärt was vorgefallen ist, für gewisse Regierungsräte wie Regerungsratskandidaten konnte es bei der Wahl eng werden.

Mehr Kommentare anzeigen
Mehr zu Politik MEHR