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Systemfehler beheben

Die Bündner Regierung gibt Millionen aus, ohne zuvor das Volk zu Fragen. Eine Analyse.

Dario
Morandi
07.04.18 - 04:30 Uhr
Politik
Reihe Mitte: Christian Rathgeb, Jon Domenic Parolini, Mario Cavigelli, Martin Jäger und Barbara Janom Steiner (v.li.).
Reihe Mitte: Christian Rathgeb, Jon Domenic Parolini, Mario Cavigelli, Martin Jäger und Barbara Janom Steiner (v.li.).
YANIK BÜRKLI

Nach dem Verkauf von 93 000 Aktien der Ems-Gruppe ist auf politischer Ebene eine alte Diskussion neu aufgeflammt. Worum gehts? Um die Finanzkompetenzen der Bündner Regierung. Sie hat bei Geschäften, die das Finanzvermögen betreffen, mehr oder weniger freie Hand. Das zeigte sich 2012 mit aller Deutlichkeit. Damals erwarb die Regierung aus «strategischen und volkswirtschaftlichen Überlegungen», wie sie argumentierte, für 86 Millionen Franken das Repower-Aktienpaket des Elektrizitätskonzerns Alpiq.

Im vergangenen Jahr ist es umgekehrt gelaufen: Da hat die Regierung in eigener Regie für 63 Millionen Franken die bereits erwähnte Beteiligung an der Ems-Chemie abgestossen und damit ohne Not ein ertragreiches Stück an Volksvermögen veräussert. Obwohl es beim Repower- ebenso wie beim Ems-Geschäft um zweistellige Millionenbeträge ging, gab es keine Volksabstimmung. Rechtlich ist dagegen nichts einzuwenden. Die Bewirtschaftung des Finanzvermögens ist ein operatives Geschäft und demnach allein Sache der Regierung.

Dass solche Alleingänge im Grauen Haus zu veritablen Rohrkrepierern mutieren können, weiss man seit dem kostenintensiven Abenteuer mit dem Kauf der Repower-Aktien. Daraus resultierte unter anderem wegen des Preissturzes am Strommarkt und dem damit verbundenen Wertzerfall der Papiere ein Buchverlust in zwei- bis dreistelliger Millionenhöhe. Auf politischer Ebene thematisiert wurde der Flop erstmals von der FDP. Deren damaliger Fraktionschef, der Churer Grossrat Rudolf Kunz, sprach im Parlament von einer «kompletten Fehlleistung der Regierung». Der Kanton habe sich bei diesem Geschäft «wie eine Investmentbank aufgeführt». Böse Worte, was das Desaster rund um Repower angeht, gab es ausserdem von der SVP.

Und jetzt mehren sich Stimmen, die nach besseren Aufsichtsmöglichkeiten über die Regierung und ihr Finanzgebaren rufen. Wenn der Kanton zwei neue Lastwagen anschaffen wolle, werde zuvor eine Volksabstimmung abgehalten. Wenn er jedoch Aktien für 85 Millionen Franken kaufe oder solche für 63 Millionen Franken abstosse, hätten weder der Grosse Rat noch das Volk etwas zu sagen, tönt es aus den bürgerlichen Fraktionen im Grossen Rat. Viele sehen es als Systemfehler, der Regierung einen so grossen finanziellen Ermessensspielraum zu gewähren.

Eine Korrektur vorzunehmen ist nach Meinung von Juristen anspruchsvoll, da es sich bei der Bewirtschaftung des Kantonsvermögens tatsächlich um eine operative Aufgabe der Regierung handelt. Nicht ohne Grund: Entscheide müssten da oft rasch und unbürokratisch gefällt werden, um rechtzeitig auf eine Entwicklung reagieren zu können. Der Weg über den Grossen Rat oder eine Volksabstimmung sei dann eben zu lang, heisst es. Um die Regierung an die Kandare zu nehmen, braucht es nach Ansicht von Rechtsexperten eines: eine entsprechende Verfassungsänderung. Oder dann, wie es ein Politbeobachter formuliert, «zumindest eine grossrätliche Geschäftsprüfungskommission (GPK), die den Mut hat, der Regierung bei Bedarf ordentlich auf die Füsse zu stehen.

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Dazu braucht es keine Grösse Kommission (nur wieder Sitzungselder produzieren), oder die ganze GPK, es recht ein Ausschuss von 2 bis 3 Personen die der Regierung beratend zur Seite steht und sicher keine Volksabstimmung. Mir ist nicht bekannt, dass in kantonalen Angelegenheiten über Beschaffung von LKW der Stimmbürger abgestimmt hat, in gemeindlichen schon, bitte nicht übertreiben.

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