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Bündner Ställe sind Thema im Berner «Palais fédéral»

Heute diskutiert der Nationalrat über die Umnutzungen von Maiensässen. Die Chancen für die Forderungen der Bündner Promotoren stehen gut – nicht aber jene für die Bündner Standesinitiative.

Olivier
Berger
27.02.18 - 04:30 Uhr
Politik
Zähes Ringen erwartet: Heute diskutiert der Nationalrat über die Zukunft der Bündner Ställe und Maiensässe.
Zähes Ringen erwartet: Heute diskutiert der Nationalrat über die Zukunft der Bündner Ställe und Maiensässe.
THEO GSTÖHL

Als der Bündner Grosse Rat vor bald zwei Jahren mit einer satten Mehrheit von 86:24 Stimmen eine Standesinitiative zur Erhaltung zerfallender Maiensässe beschloss, mischte sich in die Kritik auch leiser Spott. Nicht nur die Regierung vertrat die Auffassung, Standesinitiativen könne man sich schenken, weil sie in Bern ohnehin in irgendeiner Schublade stillschweigend beerdigt würden.

Insofern haben die Befürworter der Initiative und damit einer Lockerung der heutigen Bestimmungen des Raumplanungsrechts bereits einen Etappensieg eingefahren. Heute Dienstag nämlich wird sich der Nationalrat als erste der beiden Kammern des Bundesparlaments mit den Ställen und Maiensässen befassen. Traktandiert sind neben der Behandlung der Bündner Standesinitiative auch die Beratungen einer gleichlautenden Standesinitiative aus dem Kanton Wallis und einer Motion der zuständigen Kommission des Ständerats.

Mehrheiten und Minderheiten

Just der Vorschlag aus der zuständigen Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (Urek) des Ständerats macht den Befürwortern der Umnutzung von Ställen und Maiensässen Hoffnung darauf, im Nationalrat zu reüssieren. Zwar hat sich eine Mehrheit der Urek des Nationalrats für eine restriktivere Fassung des ständerätlichen Vorschlags entschieden – mit 12:11 Stimmen fiel die Zustimmung zu einer Verschärfung aber äusserst knapp aus.

Eine starke Minderheit der nationalrätlichen Kommission konnte sich zudem nicht nur mit der liberaleren Haltung der ständerätlichen Urek anfreunden. Namentlich die Vertretung der SVP stimmt sogar den Standesinitiativen aus Graubünden und dem Wallis zu. Der Entscheid gegen die beiden Initiativen der Kantone fiel in der Nationalratskommission mit 15:9 Stimmen denn auch weniger deutlich aus als eigentlich erwartet.

Der Albulataler CVP-Grossrat Reto Crameri, Urheber der Bündner Standesinitiative, hofft, dass der Nationalrat auf die weniger restriktive Linie der Ständerats-Urek einschwenken wird. Dem Gegenvorschlag aus der Urek des Nationalrats vermag er nämlich wenig abzugewinnen. «Es bestünde in diesem Fall die Gefahr, dass ausgerechnet jener sogenannte Kompensationsansatz als Idee wieder aufgegriffen wird, der in der Vernehmlassung – zu Recht – auf erheblichen Widerstand gestossen ist.»

Damit meint Crameri die Vernehmlassung zu einer neuerlichen Revision des nationalen Raumplanungsgesetzes (Ausgabe vom 23. Juli). In seinem Entwurf schlägt der Bundesrat zwar vor, dass die «Kantone aufgrund räumlich relevanter Gegebenheiten» eigene Regelungen für Bauten ausserhalb der Bauzone beschliessen können. Er verlangt aber, dass beim Ausbau eines Stalls oder eines Maiensässes anderswo ein Gebäude abgerissen wird.

Bürgerliche Zuversicht

Die beiden Standesinitiativen werden heute wohl chancenlos bleiben. Das glaubt auch die Bündner SP-Nationalrätin Silva Semadeni, die heute als Kommissionssprecherin der Urek in italienischer Sprache amten wird. Ihre eigene Fraktion lehne auch die ständerätliche Motion ab. «Die SP-Fraktion ist klar gegen eine weitere Zersiedelung der Landschaft im Berggebiet und allgemein in der Schweiz», betont Semadeni. Sie könne sich aber vorstellen, dass die Motion des Ständerats «in der einen oder anderen Version angenommen» werden könnte.

«Ich bin zuversichtlich, dass die Motion ohne die Kompensations- pflicht überwiesen wird.»

Die Abstimmung im Nationalrat dürfte sich tatsächlich zwischen einer der beiden Varianten der Motion entscheiden. Die CVP-Fraktion steht dabei einstimmig hinter der liberaleren Variante der Urek des Ständerats, wie der Bündner CVP-Nationalrat Martin Candinas betont. «Ich bin zuversichtlich, dass die Motion ohne die Kompensationspflicht überwiesen wird.»

Candinas’ Zuversicht ist nicht ganz unbegründet. Wenn neben den 30 Mitgliedern der CVP-Fraktion auch die 68 Nationalrätinnen und Nationalräte der SVP geschlossen die Variante der ständerätlichen Urek unterstützen, fehlen für eine Mehrheit gerade einmal drei Stimmen. Die Bündner SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo betont: «In den Grundzügen wurden die Anliegen der Bündner Standesinitiative zum Raumplanungsgesetz im Parlament erkannt. Das ist positiv.» Die SVP werde der Standesinitiative zustimmen. «Als zweitbeste Option wird die Motion der Urek des Ständerats unterstützt.»

Unterstützung für die Motion gibt es laut dem Bündner BDP-Nationalrat Duri Campell auch aus seiner Fraktion. Die Standesinitiative werde es im Rat wohl schwer haben. «Der Motion des Ständerats gebe ich aber eine reelle Chance.» Er selber werde sowohl der Initiative wie auch der Motion zustimmen.

Damit dürfte die Motion sogar in der Fassung des Ständerats eine klare Mehrheit finden – unabhängig von der Haltung der FDP. Beim Freisinn ist die Ausgangslage bisher ziemlich uneinheitlich. Für den Bündner FDP-Ständerat Martin Schmid sind die Chancen allerdings «intakt, dass die Motion der Urek des Ständerats auch im Nationalrat eine Mehrheit finden könnte».

Olivier Berger wuchs in Fribourg, dem Zürcher Oberland und Liechtenstein auf. Seit rund 30 Jahren arbeitet er für die Medien in der Region, aktuell als stellvertretender Chefredaktor Online/Zeitung. Daneben moderiert er mehrmals jährlich die TV-Sendung «Südostschweiz Standpunkte». Mehr Infos

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