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Branche bekundet Sympathie

Die Mitarbeiter der Schweizerischen Depeschenagentur setzen ihren Streik auch am Donnerstag fort. Der Verwaltungsrat zeigt erstmals Gesprächsbereitschaft.

31.01.18 - 19:39 Uhr
Politik

Normalerweise schreiben die Inlandredaktoren der Schweizerischen Depeschenagentur (SDA) zu jedem Entscheid des Bundesrates eine Meldung – ohne Ausnahme. Normal aber ist bei der einzigen vollwertigen Nachrichtenagentur des Landes in dieser Woche nichts. Obwohl der Bundesrat auch diesen Mittwoch etliche Beschlüsse fasste, blieb der Informationskanal der SDA während Stunden stumm. Statt ihrer Arbeit nachzugehen, demonstrierten die Mitarbeiter vor dem Hauptsitz der Tamedia in Zürich. Diese ist nicht nur der grösste Verlag der Schweiz, sondern auch im Besitz der Familie Coninx – und deren 72-jähriger Patron Hans Heinrich präsidiert den Verwaltungsrat der Nachrichtenagentur seit 2003.

Mit ihrem Streik protestiert die SDA-Belegschaft gegen den grössten Stellenabbau in der 123-jährigen Geschichte des Unternehmens: 36 von 150 Vollzeitstellen sollen wegfallen. Um ihrer Hauptforderung – «verhandeln statt auspressen» – Nachdruck zu verleihen, pressten die Mitarbeiter der Nachrichtenagentur vor dem Tamedia-Gebäude Zitronenhälften aus. Ein Verhandlungstisch, an dem zwei unbesetzte Stühle standen, komplettierte die Symbolik.

«Das gibt uns viel Kraft»

Insgesamt demonstrierten rund 300 Personen gegen die SDA-Spitze, darunter auch etliche Mitarbeiter des «Tages-Anzeigers» und der «Wochenzeitung» sowie weiterer Redaktionen. Inzwischen erklären sich nämlich auch immer mehr Journalisten, die bei privaten Medien arbeiten, solidarisch mit ihren SDA-Kollegen. So posierten zwei Dutzend Mitarbeiter der «Nordwestschweiz» mit Schildern, auf denen sie ihre Solidarität bekundeten, und verbreiteten ein Foto davon via Twitter; ein «Blick»-Reporter erklärte auf demselben sozialen Medium, viele Ringier-Leute würden hinter dem SDA-Streik stehen; und ein «Watson»-Journalist schrieb, er habe in der Zeitungskrise der Neunzigerjahre ähnliche Situationen erlebt, doch « fehlte uns damals der Mut zum Streik». Es sei erfreulich, dass sich die Belegschaft der SDA «nicht unterkriegen lässt».

Die Mitarbeiter der SDA-Redaktionskommission, die den Streik organisiert, zeigte sich hocherfreut: «Die Unterstützung von unzähligen Kolleginnen und Kollegen aus anderen Medienhäusern gibt uns sehr viel Kraft, unseren Kampf für eine starke Nachrichtenagentur fortzusetzen», sagte Sprecher Sebastian Gänger.

Mit den Journalistinnen und Journalisten zeigten sich in den letzten Tagen auch verschiedene kantonale Regierungen besorgt, die SDA könne nach dem angekündigten Personalabbau die Qualität ihrer regionalen Berichterstattung nicht länger aufrechterhalten. So schrieb die Zürcher SP-Regierungsrätin Jacqueline Fehr ebenfalls auf Twitter: «Die Demokratie braucht verlässliche und unabhängige Informationen und darum die SDA!» Am Mittwoch waren die Vorgänge bei der Nachrichtenagentur auch Thema im Bundesrat. Die Landesregierung hoffe, die Sozialpartner fänden im Konflikt eine Lösung, sagte Bundesratssprecher André Simonazzi vor den Medien. Mit dem Schweizer Eishockey-WM-Rekordteilnehmer und ZSC-Captain Mathias Seger solidarisierte sich am Mittwoch auch ein erster prominenter Sportler mit den streikenden Journalisten.

Verwaltungsrat lädt zum Gespräch

Der Streik wird unbefristet fortgesetzt. Immerhin hat der SDA-Verwaltungsrat, der zuvor tagelang auf Tauchstation gewesen war, am Mittwochabend erstmals Gesprächsbereitschaft signalisiert: Coninx und zwei weitere Verwaltungsräte empfangen am Donnerstagmittag eine Delegation der Redaktionskommission zu einem «Vorgespräch» in Zürich. Von Verhandlungen über die Forderungen der Belegschaft freilich ist noch keine Rede. Coninx und weitere Verwaltungsräte liessen am Mittwoch Anfragen der «Südostschweiz» unbeantwortet.

Mit dem Aargauer FDP-Nationalrat Thierry Burkart schaltet sich nun ein weiterer Medienpolitiker in die Debatte um die SDA ein. In Zeiten schrumpfender Redaktionsbudgets werde die staatspolitische Aufgabe der SDA zunehmend wichtiger, sagt er auf Anfrage der «Südostschweiz». «Wir sollten uns daher überlegen, ob sie einen Teil der Billag-Gebühren erhalten soll.»

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