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«Ein Vorteil, dass ich nicht schon in diesem Filz bin»

Stefan Gasser kandidiert als Gemeindepräsident von Glarus Nord. Es sieht sich als unverbrauchte Kraft, die die Dinge pragmatisch angehen will. Zur Stärkung der Dörfer schlägt er Interessengemeinschaften vor.

Daniel
Fischli
23.01.18 - 04:30 Uhr
Politik
Stefan Gasser kandidiert für den Gemeinderat Glarus Nord.
Stefan Gasser kandidiert für den Gemeinderat Glarus Nord.
SASI SUBRAMANIAM

Herr Gasser, welches ist das wichtigste Problem, das Glarus Nord in den nächsten vier Jahren lösen muss?

Ich komme jetzt nicht mit der Nutzungsplanung. Das ist eine Aufgabe, die man lösen muss, aber kein Problem. Aber ich möchte die Bevölkerung wieder mehr integrieren und offen denken. Man spürt in der Bevölkerung ein gewisses Misstrauen.

Und wie würden Sie dieses Problem lösen?

Ich würde in allen Dörfern Interessengemeinschaften schaffen. Sie würden über die Geschäfte der Gemeindeversammlung vorinformiert und könnten in den Dörfern Versammlungen einberufen – kleine Gemeindeversammlungen. Darüber würden Berichte mit einer Empfehlung verfasst und im Bulletin zur Gemeindeversammlung abgedruckt – wie diejenigen der Geschäftsprüfungskommission.

Was erhoffen Sie sich davon?

Ich stelle mir vor, dass so eine gewisse Ruhe in der Bevölkerung entstehen würde. Die Molliser, Biltner, Mühlehorner und so weiter könnten ihre regionalen Anliegen besser einbringen.

Und auf diese Art, glauben Sie, würde das Misstrauen in der Gemeinde kleiner werden?

Das Misstrauen muss kleiner werden. Wenn wir eine lebendige Gemeinde haben wollen, darf es keine Totgeburten mehr geben. Jetzt laufen ganz einfache Abläufe falsch: Man gibt Geld aus, lässt die Bevölkerung am Rand etwas mitmachen, und am Schluss gibt es einen Rohrkrepierer.

Sie spielen auf die Nutzungsplanung an?

Zum Beispiel, ja. Vielleicht ist es ein Vorteil, dass ich nicht schon in diesem Filz bin und mich ganz pragmatisch frage, was ich als Bürger gerne hätte. Die Gemeinderäte sind die Angestellten der Gesellschaft und sollen deren Aufträge ausführen. Wenn sie selber Aufträge erfinden, müssen sie die Bevölkerung zuerst fragen, ob ein Interesse vorhanden ist, bevor unkontrolliert Geld verschwindet.

Den Auftrag zur Nutzungsplanung hat sich der Gemeinderat nicht selber gegeben.

Nein, aber niemand hat ihm vorgegeben, wie er es machen soll. Man hätte andere Wege gehen können.

Welche denn?

Einfacher, direkter, mit der Bevölkerung. Es braucht keine grossen Studien von auswärts, die viel Geld verschlingen.

Die Bevölkerung wurde über die Konferenzen einbezogen.

Ich war dabei. Ausser dass man wieder «Dorf» sagt und nicht «Stadt» ist nicht viel dabei herausgekommen.

Konkret: Wie kann man es anders machen?

So, wie es gemacht wird, kann man es nicht machen. Man kann nicht die Einsprecher zu einem Runden Tisch einladen. Es geht um individuelle Probleme, die man individuell behandeln muss. Das muss Chefsache sein. Die Zeit dafür muss man sich nehmen.

Es gibt vom Bund einen Auftrag auszuzonen. Darum kommt man nicht herum.

So klar ist das nicht. Wir hatten auch 30 Jahre lang den Auftrag, die Fruchtfolgeflächen auszuscheiden. Es muss für die Auszonungen nicht im nächsten halben Jahr eine Lösung her.

Wie kommen die Finanzen der Gemeinde ins Lot?

Man muss die Verwaltung wieder vom Wünschbaren zum Machbaren zurückführen. Nicht bei den Lehrern, dort gibt der Kanton vieles vor. Aber es könnte in der Verwaltung Stellen geben, die man überdenken soll.

Welche?

In der Gemeinde, in der Administration. Nehmen wir die Liegenschaften der Gemeinde: Es gibt Liegenschaften, die wir wahrscheinlich nicht mehr brauchen. Ohne sie braucht es auch weniger Leute für den Unterhalt und die Verwaltung. Oder: Braucht es in der Gemeinde einen Medienverantwortlichen?

In Analysen hat man festgestellt, dass wir im Kanton Glarus die effizientesten Verwaltungen der Schweiz haben.

Wer eine Analyse bestellt, bekommt das Resultat, das er will. Wir können uns diese grosse Organisation nicht leisten, wenn wir bei den Steuern nicht noch unattraktiver werden wollen. Der neue Gemeindepräsident muss über die Bücher.

Gibt es etwas, das Sie an Martin Laupper beeindruckt hat?

Nein. Er macht Fehler, er macht auch Gutes. Er musste in der neuen Gemeinde den Anfang machen, was natürlich schwierig ist. Aber mir ist zu viel zu schnell gelaufen. Niemand hat gesagt, die Umstrukturierung müsse in acht Jahren abgeschlossen sein.

Was würden Sie anders machen?

Ich würde die Gemeindeversammlungen anders gestalten: Jeder Gemeinderat müsste seine Dossiers selber vertreten. Es kann doch nicht sein, dass einer allein vier Stunden lang dort oben steht und spricht. Wir sehen ja die Fähigkeiten der andern gar nicht.

Sie haben noch keine politische Erfahrung.

Ich habe wahrscheinlich mehr als viele andere.

Sie waren nie in einem Gemeinderat oder Schulrat oder im Landrat.

Ich war in den Kommissionen, im Hintergrund.

Welche Kommissionen?

In der Wirtschaftskommission Bilten. Nach dem Grounding der Firma Kunz habe ich dort mitgearbeitet. Ich habe den Gewerbeverein Bilten gegründet, war dessen Präsident und habe im kantonalen Vorstand mitgearbeitet. Ich war überall, aber immer im Hintergrund. Ich hätte Gemeindepräsident von Bilten werden können, habe mich dann aber zurückgezogen, weil mich eine Partei nicht unterstützen wollte. Man sollte aber nicht von politischen Ausweisen reden und darüber, wie lange jemand schon in einem Landrat oder Gemeinderat sitzt. Sondern man sollte über Leistungsausweise reden.

Was ist Ihr Leistungsausweis?

Ich habe ein Geschäft aufgebaut, drei Firmen gegründet. In jungen Jahren habe ich die Postgarage geleitet. Ich habe viel praktisch gearbeitet. Ich habe nicht Lorbeeren abgeholt, sondern gearbeitet. Wenn ich Gemeindepräsident würde, würde ich meine Arbeit gewissenhaft verrichten, nicht an der Front mit einem Cüpli herumstehen, das kann jeder.

Was sagen Sie als Biltner zum umstrittenen Projekt der LDA, die Holzextrakte herstellen will?

Ich und die Biltner haben sich gegen das Projekt gewehrt. Die Zeit der einfachen Industriearbeitsplätze ist leider vorbei. Was wir ansiedeln könnten, wären Wohnungen für wohlhabende ältere Leute aus dem Raum Zürich. Dort sind die Wohnungen zu teuer. Wenn die Leute mit 65 mit ihrem Geld aus der Pensionskasse aus der Stadt wegziehen wollen, müssen wir ihnen unsere Natur verkaufen. Man könnte auf dem Areal eine Altersüberbauung machen mit eigener Metzgerei, Bäckerei und Kantine.

Daniel Fischli arbeitet als Redaktor bei den «Glarner Nachrichten». Er hat Philosophie und deutsche Sprache und Literatur studiert. Mehr Infos

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