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Asyl: Der grosse Ansturm ist vorbei

Der Kanton verzichtet vorläufig auf die Suche nach einer neuen Asylunterkunft. Der Grund: Die Asylzahlen sind auch im vergangenen Jahr markant gesunken.

Olivier
Berger
23.01.18 - 07:26 Uhr
Politik
Der Kanton Graubünden benötigt keine weiteren Unterkünfte für Asylsuchende.
Der Kanton Graubünden benötigt keine weiteren Unterkünfte für Asylsuchende.
DANIEL GRAF

Ab dem März kann der Kanton das Transitzentrum Schiabach in Davos nicht mehr für die Unterbringung von Asylsuchenden nutzen. Vorläufig wird aber kein Ersatz gesucht. «Wir warten erst einmal die weitere Entwicklung ab», bestätigt Marcel Suter, Leiter des kantonalen Amts für Migration und Zivilrecht.

Auf dem Stand von 2010

Der Grund für den Verzicht auf die Suche nach einem neuen Reserveobjekt: Die Asylzahlen in Graubünden waren im vergangenen Jahr so tief wie nie mehr seit dem Jahr 2010. Laut Suter trafen im Kanton im vergangenen Jahr 469 neue Asylsuchende ein; im Jahr 2016 waren es noch 669 gewesen. Gemessen an den 1121 Gesuchen im Jahr 2015 haben die Asylzahlen innert zwei Jahren damit um fast 60 Prozent abgenommen. Und ein Blick auf die Entwicklung der vergangenen 20 Jahre zeigt: Auch im langjährigen Vergleich waren die Asylzahlen 2017 unterdurchschnittlich.

Der markante Rückgang hatte auch einen Einfluss auf die Belegung der kantonalen Kollektivunterkünfte. Die Auslastung lag Ende Jahr bei 74 Prozent. Dabei sind die beiden Reserveobjekte – dazu zählt neben der Davoser Liegenschaft Schiabach die Unterkunft an der Emserstrasse in Chur – noch nicht einmal mitgerechnet. «Die Suche nach neuen Objekten ist deshalb momentan nicht nötig», sagt Suter.

Es soll sich wenig ändern

Beim Entscheid, vorläufig keine neue Liegenschaft zu suchen, spielen auch die Prognosen des Bundes eine Rolle. In Bern rechnet man derzeit mit zwischen 16'500 und 19'000 neuen Asylgesuchen im laufenden Jahr. Graubünden werden jeweils knapp drei Prozent aller Neuankömmlinge zugewiesen.

Treffen die Prognosen des Bundes ein, würden auf den Kanton zwischen 500 und 570 neue Asylsuchende entfallen. «Wir gehen davon aus, dass sich die Neuzugänge etwa im Rahmen der letzten beiden Jahre bewegen werden», bestätigt Suter. Um diesen Zuwachs zu bewältigen, reichten die vorhandenen Strukturen vorläufig aus, da der Kanton weiterhin auf die 100 kurzfristig verfügbaren Plätze in der Unterkunft an der Churer Emserstrasse zurückgreifen könne. «Das gibt uns auch eine gewisse Flexibilität.»

Afghanen, Eritreer und Syrer

Die Mehrheit der 469 Asylsuchenden, die im letzten Jahr in Graubünden neu registriert wurden, stammt nicht aus dem vom Bürgerkrieg erschütterten Syrien oder den anderen politisch instabilen Staaten des Nahen Ostens. Laut einer aktuellen Statistik des kantonalen Amts für Migration und Zivilrecht entfielen 42 Prozent der neuen Asylgesuche auf «übrige» Staaten.

Unter den «grossen» Herkunftsstaaten belegte im vergangenen Jahr Eritrea mit 22 Prozent aller neuen Asylsuchenden den Spitzenplatz. Syrien und Afghanistan folgten mit je neun Prozent gemeinsam auf Platz 2, dicht gefolgt von Somalia (sechs Prozent) sowie Nigeria und Sri Lanka (jeweils vier Prozent). Drei Prozent der Asylsuchenden waren aus Gambia eingereist.

Von den aktuell im Kanton anwesenden 667 Asylsuchenden stammt ein Viertel aus Afghanistan. Eritrea folgt mit 21 Prozent auf dem zweiten Platz. Syrien und Sri Lanka liegen mit elf und zehn Prozent praktisch gleichauf. Weitere grosse Herkunftsländer sind laut der Statistik der Irak (4,5 Prozent), China (vier Prozent) und Somalia (3,5 Prozent). Die übrigen 18 Prozent der anwesenden Asylsuchenden entfallen wiederum auf diverse Staaten.

Die langjährige Statistik der Neuzugänge wiederum zeigt nicht nur, dass die Anzahl der neu registrierten Asylsuchenden im vergangenen Jahr markant gesunken ist. Es lässt sich daraus auch ablesen, dass das Jahr 2015 im 20-Jahr-Vergleich zur absoluten Spitze gehörte. Mehr neue Asylsuchende fanden in den vergangenen zwei Jahrzehnten lediglich einmal den Weg nach Graubünden: zum Höhepunkt des Kosovokriegs im Jahr 1999.

Mit 1155 neuen Asylsuchenden bleibt 1999 weiterhin das Rekordjahr in dieser Hinsicht. Im Jahr 2015, dem Höhepunkt der aktuellen Flüchtlingskrise, suchten 1121 Menschen neu Schutz im Kanton. Die Belegung der Unterkünfte im Kanton ist 2017 vor allem gegen Ende Jahr stark gesunken. Bis im September blieb diese ziemlich konstant bei etwas über 900 Personen. Vor allem in den beiden letzten Monaten des Jahres sank sie aber schrittweise auf unter 800 Personen.

Olivier Berger wuchs in Fribourg, dem Zürcher Oberland und Liechtenstein auf. Seit rund 30 Jahren arbeitet er für die Medien in der Region, aktuell als stellvertretender Chefredaktor Online/Zeitung. Daneben moderiert er mehrmals jährlich die TV-Sendung «Südostschweiz Standpunkte». Mehr Infos

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