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Leuthard: «Es wird vieles behauptet, das nicht stimmt»

Medienministerin Doris Leuthard kritisiert die Initianten – und sagt, warum sie sich von der Initiative nicht aus dem Amt drängen lassen will.

15.01.18 - 04:30 Uhr
Politik
Kein Plan B: «Bei einem Ja zu No Billag bleibt nichts anderes, als die SRG geordnet zu liquidieren», sagt Bundesrätin Doris Leuthard.
Kein Plan B: «Bei einem Ja zu No Billag bleibt nichts anderes, als die SRG geordnet zu liquidieren», sagt Bundesrätin Doris Leuthard.
KEYSTONE

Seit Monaten tobt der Abstimmungskampf, allmählich rückt der 4. März näher: Zu ihrem ersten ausführlichen Interview zur No-Billag-Initiative empfängt Doris Leuthard die «Südostschweiz» in ihrem Büro in Bern. Die CVP-Bundesrätin ist guter Laune – und will gleich zu Beginn etwas klarstellen.

Frau Leuthard, wie man hört, planen Sie, nach der No-Billag-Abstimmung zurückzutreten. Stimmt das?

Ich lasse mir den Rücktritt nicht diktieren und staune etwas, wie es in der Gerüchteküche brodelt. Dass sich eine Partei im Hinblick auf einen sich abzeichnenden Wechsel vorbereitet, ist normal. Der Rücktritt ist aber für jeden Bundesrat eine persönliche Angelegenheit, über die erst geredet wird, wenn es so weit ist. Ich bin nach wie vor mit viel Freude an der Arbeit!

Im Kampf gegen No Billag können Sie auf prominente Unterstützer zählen. Welcher Mitstreiter macht Ihnen am meisten Freude: Mike Müller, Roger Schawinski oder Susanne Wille?

Mir bereiten alle Freude. Es ist wichtig, dass Profis aus dem Medien-, Kultur- und Sportbereich aus ihrer eigenen Welt erklären, was eine Annahme der Initiative für unser Land bedeuten würde. Es käme zu einem Wechsel vom öffentlichen Rundfunk zu einer rein kommerziellen Finanzierung von Radio und Fernsehen. Wir haben es mit einer komplexen Situation zu tun, es wird sehr vieles erzählt, bei dem ich die Stirn runzeln muss. Da braucht es Praktiker, die die Situation glaubwürdig analysieren.

Was bringt Sie zum Stirnrunzeln? Wird in diesem Abstimmungskampf mehr geflunkert und gelogen als in anderen?

Es wird schon sehr vieles behauptet, was nicht stimmt. Darum sind wir darauf angewiesen, dass Falschbehauptungen, wie sie in den letzten Tagen kursierten, widerlegt werden.

Sie sprechen die Planspiele von Hans-Ulrich Bigler an: Der Direktor des Gewerbeverbands hat vorgerechnet, wie sich die SRG auch bei einem Ja zu No Billag aufrechterhalten liesse. Zweifeln Sie an den mathematischen Fähigkeiten von Herrn Bigler?

Nun gut, inzwischen konnte man ja lesen, dass er sich für seinen Plan B mit freiwilliger Abo-Gebühr, Werbung, Pay-TV und Bundessubventionen stark auf eine Kolumne der «Weltwoche» abstützte. Fast entsteht der Eindruck, dass Herr Bigler eine persönliche Fehde austrägt.

Gegen Sie?

Nein, wir haben keinen Streit miteinander. Vielleicht hadert er mit der verlorenen Abstimmung über das neue Radio- und TV-Gesetz (RTVG), bei der er vor zweieinhalb Jahren faktenwidrig behauptete, dass die Gebühren auf tausend Franken pro Jahr ansteigen würden. Dabei war schon damals sicher, dass sie sinken – und dieses Versprechen wird nun ja auch eingelöst. Jetzt geht es bei No Billag wieder in ähnlicher Manier los.

Bigler argumentiert, dass die SRG ihre Werbeeinnahmen steigern könnte, wenn sie ihre «Fesseln» erst einmal ablegen darf.

Fakt ist: Der Werbemarkt stagniert seit Jahren. Schon heute fliesst viel Geld ins Ausland ab. Zu glauben, dass dieses bei einem Ja zu No Billag zurückkommt oder an die Schweizer Privaten geht, ist illusorisch. Profitieren würden wohl vorab die grossen deutschen Werbefenster bei Sat 1 oder Pro 7.

Und was sagen Sie zum Argument, dass der Bund bei einer Annahme der Initiative immer noch einzelne Sendungen subventionieren könnte, etwa im Rahmen der Kulturförderung?

Die Initiative ist sehr klar formuliert. Sie sagt: Keine Gebühren und keine Subventionen für Radio- und TV-Stationen durch den Bund. Setzen wir uns nach einer allfälligen Annahme der Initiative darüber hinweg, machen wir die SRG tatsächlich zum Staatsfernsehen. Es würde mit Geldern des Steuerzahlers bezahlt, das Budget vom Parlament kontrolliert. Der Ruf nach Fördergeldern zeigt ausserdem sehr deutlich, dass eine rein kommerzielle Finanzierung von Radio und Fernsehen in der kleinräumigen Schweiz mit ihren unterschiedlichen Sprachen und Kulturen nicht möglich ist.

Immerhin versucht Bigler, einen Plan B zu entwickeln für den Fall, dass die Initiative angenommen wird – im Gegensatz zu Ihnen und den Verantwortlichen der SRG. Sie verharren einfach in Ihrer Trotzhaltung.

Verfassungstexte kann man nicht einfach biegen, wie man will. Bei einem Ja bleibt nichts anderes, als die SRG geordnet zu liquidieren, weil ihr innert weniger Monate drei Viertel der Einnahmen fehlen würden und sich Radio und Fernsehen in der Schweiz nicht allein mit Werbung und Sponsoring finanzieren lassen.

Konkret: Wie lange ginge es, bis die letzte SRF-Sendung über den Bildschirm flimmern würde?

Selbst wenn man die Gebühr während einer Übergangsfrist von ein, zwei Jahren allenfalls teilweise beibehalten könnte, wären die Folgen extrem. Das wäre dann einfach ein Sterben auf Raten. Denn es ist klar, dass die Werbeeinnahmen umgehend wegbrechen. In ein Haus, das im Einsturz begriffen ist, investiert niemand mehr.

Das ausführliche Interview mit Bundesrätin Doris Leuthard zum No-Billag-Abstimmungskampf findet Ihr in der Montagsausgabe der Zeitung «Südostschweiz».

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Den Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: "Verfassungstexte kann man nicht einfach biegen, wie man will." Und das von einer Bunderätin die keine Skrupel hatte sowohl die MEI als auch die Ausschaffungsinitiative bis zur Unkenntlichkeit zu verbiegen. Nur schon damit Frau Leuthard abtritt werde ich bei der NO-Billag ein Ja einlegen. Diese Frau ist für mich komplett unglaubwürdig.

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