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Jungfreisinnigen-Chef Silberschmidt kritisiert «Haudrauf»-Stil

Wenige Stunden vor der SRF-«Arena» zur No-Billag-Initiative überrascht Befürworter Andri Silberschmidt mit dezidierter Kritik am eigenen Lager. Die Ja-Kampagne sei «zu stark von der Jungen SVP geprägt».

03.11.17 - 16:30 Uhr
Politik
Erstmals kriselt es im Gremium der No-Billag-Initianten.
Erstmals kriselt es im Gremium der No-Billag-Initianten.
LAURENT GILLIERON

Bei der Unterschriftensammlung für die No-Billag-Initiative waren die Jungfreisinnigen noch an vorderster Front dabei. Nun aber scheinen sie je länger, desto mehr die Lust am radikalen Ansinnen zu verlieren, über das am 4. März abgestimmt wird und das sowohl die SRG als auch etliche private Radio- und Fernsehstationen in ihrer Existenz gefährdet. Andri Silberschmidt, Präsident der Jungpartei, geht im Gespräch mit der «Südostschweiz» jedenfalls auf Distanz zum Initiativkomitee: «Der Stil der No-Billag-Kampagne gefällt mir nicht immer», sagt er. «Er ist oft zu aggressiv, zu Haudrauf, zu stark von der Jungen SVP geprägt.» Einige Exponenten, die über wenig politische Erfahrung verfügten, überlegten sich zu wenig, wie ihre Botschaften in der Öffentlichkeit ankämen, kritisiert Silberschmidt.

Tatsächlich führen die Befürworter der Initiative in den sozialen Medien schon vier Monate vor dem Urnengang einen aggressiven Abstimmungskampf. Doch auch einzelne Gegner der Vorlage vertrauen nicht ausschliesslich auf die Kraft ihrer Argumente. Der Streit hat inzwischen sogar akademische Kreise erfasst – auf Facebook gaben sich die beiden renommierten Kommunikationswissenschaftler Vinzenz Wyss und Stephan Russ-Mohl aufs Dach («Südostschweiz»-Ausgabe vom 2. November).

«Geldspielgesetz hat Priorität»

Der Fokus der Jungfreisinnigen habe sich verschoben, sagt Parteipräsident Silberschmidt. Aus zwei Gründen. Erstens hätten sich Mitglieder, die an vorderster Front für die Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren gekämpft hatten, inzwischen anderen Aufgaben zugewandt: So ist Florian Maier, der ehemalige Co-Präsident des Initiativkomitees, aus beruflichen Gründen nach China ausgewandert; die frühere Vizepräsidentin Michelle Inauen setzt auf ihr Studium an der ETH; und Brenda Mäder gründete ihre eigene Kleinpartei «up!», weil ihr der Freisinn nicht libertär genug war. Zweitens muss der Jungfreisinn seine Kräfte und Finanzen bündeln. «Das Referendum gegen das Geldspielgesetz hat für uns gegenwärtig Priorität», erklärt Silberschmidt. Bis Mitte Januar müssen die insgesamt drei Komitees, die gegen «Internetzensur und digitale Abschottung» opponieren, 50'000 Unterschriften sammeln, wenn sie einen Urnengang erwirken wollen. Eine Herkulesaufgabe für Jungparteien mit kleinem Budget.

Zwar werde seine Partei im Januar aller Voraussicht nach die Ja-Parole zur No-Billag-Initiative beschliessen, sagt Silberschmidt. «Doch es gibt innerhalb des Jungfreisinns unterschiedliche Meinungen, wie der mediale Service Public ausgestaltet sein sollte. Nicht alle wollen die Billag-Gebühren abschaffen.» Konsens herrsche einzig darüber, dass der Status Quo geändert werden müsse, da er den privaten Medien zu wenig Raum lasse. Persönlich hätte er sich einen Gegenvorschlag zur No-Billag-Initiative gewünscht, sagt der 23-Jährige, der innerhalb der FDP als grosses Talent gilt und im September tatkräftig mithalf, die von der SP und der CVP propagierte AHV-Reform zu bodigen. «Beispielsweise eine Halbierung die Radio- und Fernsehgebühren.» Dennoch: Wenn er sich nun zwischen den zwei zur Auswahl stehenden Extremen entscheiden müsse – Status Quo oder Gebührenabschaffung –, wähle er die No-Billag-Initiative.

«Nicht unter der Gürtellinie»

Im kritisierten Initiativkomitee hält man den Ball flach. «Wir sind offen für Ratschläge von Mitkämpfern wie Andri Silberschmidt», sagt Argumentationschef Samuel Hofmann. «Mein Eindruck ist jedoch, dass sich sein Unbehagen vor allem auf Äusserungen von externen Unterstützern der Initiative in den sozialen Medien bezieht.» Von den bisherigen offiziellen Verlautbarungen sei seiner Ansicht nach keine unter der Gürtellinie gewesen – und für jeden einzelnen Kommentar privater Sympathisanten könne das Komitee nicht die Verantwortung übernehmen. Wie Silberschmidt sei auch er der Ansicht, dass «wir uns durch eine hohe Sachlichkeit auszeichnen sollten».

Auch der Zürcher SVP-Nationalrat Gregor Rutz, der am Freitagabend gemeinsam mit No-Billag-Initiant Olivier Kessler in der SRF-«Arena» für die Vorlage werben wird, hegt keinen Groll auf Silberschmidt. «Kritische und klar denkende Politiker wie er tun der FDP gut», sagt Rutz. Die Stilkritik des Jungfreisinnigen allerdings teilt er nicht. Vielmehr verteidigt er das No-Billag-Lager: Er wisse, wie es ist, wenn man als Kritiker kaum wahrgenommen werde, so Rutz. «Dann bleibt bisweilen nur das Mittel der Provokation, um eine Diskussion zu erzwingen.»

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