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Sogar in Graubünden haben wir einen Sebastian Kurz

Der 31-jährige Österreicher Sebastian Kurz dürfte nach seinem Wahlsieg vom Sonntag bald jüngster Regierungschef Europas werden. Im Schweizer Bundesrat fehlen momentan jüngere Semester. Doch auch hierzulande werden ab und zu junge Politikerinnen und Politiker in Exekutiven gewählt. Auch wir in Graubünden haben einen Sebastian Kurz in unseren Reihen.

16.10.17 - 15:16 Uhr
Politik
Der 31-jährige Österreicher Sebastian Kurz dürfte bald jüngster Regierungschef Europas werden.
Der 31-jährige Österreicher Sebastian Kurz dürfte bald jüngster Regierungschef Europas werden.
CHRISTIAN BRUNA

Auch wenn in der Schweiz momentan die jüngeren Semester im Bundesrat fehlen, haben wir dennoch den einen oder anderen Sebastian Kurz in unseren eidgenössischen Reihen. Auch hier in Graubünden, dem wohl schönsten Kanton der Schweiz, haben wir einen. Diesen könnt Ihr auf Rang 9 unsererer Top 10 finden.

1. Bänz Friedli (20), Gemeinderat

1985 wurde Bänz Friedli als unabhängiger und damals jüngster Exekutivpolitiker der Schweiz in den Gemeinderat seines Heimatdorfes Wohlen bei Bern gewählt. Vier Jahre lang leitete er das Ressort Jugend und Kultur. «Da flogen Bundesordner und auch Fäuste, ungelogen», sagte er einst in einem Bühnenprogramm. Nach der Politik nämlich widmete sich Friedli anderen Dingen: Der heute 52-Jährige arbeitet als Journalist und Kolumnist, aber auch als Satiriker und Kabarettist.

2. Raphaël Comte (20), Gemeinderat

Kaum volljährig, wurde der Neuenburger FDP-Politiker Raphaël Comte im Jahr 2000 in den Gemeinderat von Corcelles-Cormondrèche gewählt. Als der damalige Ständerat Didier Burkhalter zehn Jahre später zum Bundesrat gekürt wurde, ersetzte ihn Comte in der Kleinen Kammer. Die Nomination hatte als riskante gegolten: Comte nämlich steckte noch mitten in seinem Jus-Studium und wohnte noch immer bei seinen Eltern. Dennoch machte er seine Sache gut und stieg bald noch eine Stufe höher: 2016 stand er dem Ständerat als Präsident vor. Nach wie vor politisiert der 38-Jährige in Bundesbern.

3. Barbara Vock (23), Gemeinderätin

Im Sommer 2013 wurde Barbara Vock 23-jährig in den Gemeinderat des Aargauer Dorfes Bözen gewählt – und sorgte aufgrund ihres jungen Alters für kantonsweite Schlagzeilen. «Das Amt ist eine gute Lebensschule», freute sich die ehemalige Lernende auf der Gemeindeverwaltung bei ihrer Wahl. Nach vier Jahren verzichtete sie auf eine neuerliche Kandidatur. «Ich bin weder schwanger noch amtsmüde», erklärte die nun 27-Jährige. Viel mehr wolle sie sich auf ihr Studium und ihren Beruf konzentrieren. Ob sie jemals in die Politik zurückkehrt?

4. Pierre Maudet (29), Stadtrat

Fast wäre sein Aufstieg im vergangenen Monat mit der Wahl in den Bundesrat gekrönt worden: Der Genfer Pierre Maudet aber musste sich dem Tessiner Ignazio Cassis geschlagen geben. Vor zehn Jahren wurde der FDP-Politiker 29-jährig in die Genfer Stadtregierung gewählt. Er stattete seine Stadt mit einem Wi-Fi-Netz aus und erhöhte den Personalbestand der Polizei kräftig. Im Sommer 2012 wurde Maudet in die Genfer Kantonsregierung gewählt. Trotz seiner Niederlage gegen Cassis dürfte er weiterhin Bundesratsambitionen hegen: Schon heute gilt er als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge von Cassis in acht bis zehn Jahren.

5. Guillaume Barazzone (30), Stadtrat

Im November 2012 triumphierte Guillaume Barazzone: Erstmals seit 20 Jahren konnte die CVP mit ihm wieder einmal einen Sitz in der Genfer Stadtregierung erringen. Der 30-Jährige übernahm als Nachfolger von Maudet das Departement für Umwelt und Sicherheit und vier Jahre später – von Mitte 2016 bis Mitte 2017 – turnusgemäss zusätzlich das Amt des Stadtpräsidenten. Ende 2013 wurde er in den Nationalrat gewählt. Der inzwischen 35-jährige Rechtsanwalt gilt als Hoffnungsträger der CVP in der Romandie.

6. Simon Stocker (31), Stadtrat

Als Aussenseiter schaffte Simon Stocker 2012 den Sprung in die Schaffhauser Stadtregierung: Der Politiker der Alternativen Liste übernahm das Sozial- und Sicherheitsdepartement, bürgerliche Politiker warnten vor einem Linksrutsch. Er belehrte sie eines Besseren: So setzte er sich für den Ausbau der Videoüberwachung ein und zog den Zorn der Umweltschützer auf sich, weil er wieder mehr Motorboote auf dem Rhein zulassen wollte. 2016 wurde Stocker mit einem Glanzresultat im Amt bestätigt.

7. Numa Droz (31), Bundesrat

Bis heute hält er den Rekord: 1875 wurde der Neuenburger FDP-Politiker Numa Droz 31-jährig in den Bundesrat gewählt. Seine Wahl war auch aus einem zweiten Grund speziell: Droz war einer von sehr wenigen Nichtakademikern, die es ins Amt schafften. Vier Jahre zuvor war Droz 27-jährig in den Neuenburger Staatsrat gewählt worden. Der Landesregierung drückte Droz seinen Stempel auf: Er machte sich zum ersten vollamtlichen Aussenminister. Zuvor war diese Aufgabe ans jedes Jahr wechselnde Bundespräsidium gekoppelt gewesen. So erfolgreich Droz Leben begann, so jäh endete es:  Er starb 55-jährig an einer Hirnhautentzündung.

8. Didier Burkhalter (31), Stadtrat

Im Juli 1991 wurde Didier Burkhalter 31-jährig in die Neuenburger Stadtregierung gewählt. Es war der Anfang einer langen und erfolgreichen Politikerkarriere, die ihn via Kantonsparlament, National- und Ständerat bis in den Bundesrat führte: Im September 2009 wurde Burkhalter als Nachfolger von Pascal Couchepin in die Landesregierung gewählt, wo er erst das Innendepartement und dann das Aussendepartement übernahm. In zwei Wochen hat er seinen Letzten: Burkhalter zieht sich aus der Politik zurück und übergibt den Stab an seinen Nachfolger Ignazio Cassis.

9. Martin Schmid (32), Regierungsrat

FDP-Politiker Martin Schmid wurde im März 2002 32-jährig in den Bündner Regierungsrat gewählt. Dem Grossen Rat hatte er da bereits acht Jahre angehört. 2011 wurde Schmid in den Ständerat gewählt. Nun gehört der 48-Jährige zu den heissesten Anwärtern auf die Nachfolge von Bundesrat Johann Schneider-Ammann, der nächstes oder spätestens übernächstes Jahr zurücktreten dürfte.

10. Ruth Metzler-Arnold (35), Bundesrätin

1999 wurde die CVP-Politikerin Ruth Metzler 35-jährig zur jüngsten Bundesrätin seit Numa Droz gekürt. Schon auf kantonaler Ebene war sie eine Senkrechtstarterin gewesen: 32-jährig war sie von der Landsgemeinde in die Standeskommission des Kantons Appenzell Inerrhoden gewählt worden und zur «Frau Säckelmeister» bestimmt. Früh also ging es steil bergauf – doch bald auch wieder steil bergab: Als erst drittes Mitglied der Landesregierung wurde Metzler 2003 abgewählt und durch Christoph Blocher (SVP) ersetzt. Heute arbeitet die 53-Jährige als Kommunikationsberaterin und sitzt in diversen Verwaltungsräten.

Kaum junge Politiker in den Gemeinde-Exekutiven

«Die Jungen sind in den Gemeindeexekutiven nur sehr marginal vertreten», hielt ein Team um den Soziologen Hans Geser und den Politologen Andreas Ladner 2011 in einer grossen Studie über die Exekutivmitglieder in den Schweizer Gemeinden fest. «Nicht einmal jeder zwanzigste Gemeinderat ist jünger als 35. Dagegen tragen die 45- bis 65-Jährigen mit einem Anteil von zwei Dritteln an allen Gemeinderäten die Hauptlast der kommunalen Regierungstätigkeiten.» Insgesamt, so die Politologen, habe das Durchschnittsalter aller Schweizer Exekutivmitglieder Ende 2008 51 Jahre betragen. Neuere Untersuchungen gibt es nicht.

Wenig überraschend, wenn man obige «Top 10» der jungen Schweizer Exekutivpolitiker betrachtet: In der lateinischen Schweiz waren die Jungen vor neun Jahren stärker vertreten als in der Deutschschweiz. Überraschender hingegen: In ländlichen Gebieten waren die Gemeinderäte im Durchschnitt deutlich jünger als in den städtischen Zentren und ihren Agglomerationen. Die Forscher machten hierfür die «unterschiedliche Grössenstruktur» zwischen Agglomerationen und ländlichen Gebieten verantwortlich. Einfacher ausgedrückt: In den Städten gibt es mehr Konkurrenz.

Verhältnismässig junge Politiker kümmerten sich Ende 2008 in den Gemeinden vor allem um die Ressorts Bildung, Sport und Freizeit. Die Schlüsselressorts Präsidium und Finanzen hingegen waren fast ausnahmslos von älteren Mitgliedern besetzt.

 

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