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Was geschah in Bern?

Seit der Jubiläumsfeier «20 Jahre La Quotidiana» am 17. März im Medienhaus in Chur ist es offiziell: Inhalt und publizistische Verantwortung für «La Quotidiana» sollen ab Anfang 2018 die rätoromanischen Institutionen, die Agentura da Novitads Rumantschas (ANR) und die Lia Rumantscha (LR) übernehmen. Was am 17. März als Paukenschlag wahrgenommen und in vielen Medien verbreitet wurde, hat eine Vorgeschichte.

Hanspeter
Lebrument
21.04.17 - 11:36 Uhr
Politik

Für die Lia Rumantscha, unter dem jetzt abtretenden Generalsekretär Urs Cadruvi, scheint die rätoromanische Presse im Allgemeinen und «La Quotidiana» im Besonderen etwas Störendes zu haben, das kaum in dieser Form bewahrt werden soll. So wurde dann rund ein Vierteljahr vor dem Jubiläum folgender Plan ausgeheckt:

 

Vor dem 20-Jahr-Jubiläum wurde heimlich, und unter Umgehung der rätoromanischen Presse von der Lia Rumantscha und von der ANR, eine stattliche Zahl von wichtigen Rätoromanen nach Bern eingeladen. Beim Thema der Zusammenkunft ging es um die rätoromanische Presse.

 

Ausdrücklich nicht eingeladen und nicht über diesen Anlass informiert wurden die Verleger und Redaktoren der rätoromanischen Presseorgane «La Quotidiana», «Posta Ladina» und «fegl ufficial Surselva». Ausdrücklich eingeladen zum Gespräch wurde eine Zehnerdelegation des rätoromanischen Fernsehen und Radio (RTR) und weitere, nicht der Presse zugehörende, Rätoromanen.

 

Bern war gewählt worden, weil dort auch Bundesparlamentarier und Fachleute der Bundesverwaltung angeschrieben und eingeladen werden konnten. Kaschiert wurde das Ganze als Lobbying-Veranstaltung. Das Berner Treffen mit Nachtessen drang bis nach Chur durch, und so fragten der Verleger und der Chefredaktor der «La Quotidiana» nach Sinn, Zweck und Inhalt dieses Treffens und weshalb jene, die die Pressetitel verantworteten und vor allem jene, die in den Verlagen an diesen Titeln arbeiteten, nicht zum erlauchten Kreis dieses Treffens gehörten.

 

Antwort, mindestens so weit es mich betrifft, bekam ich nicht. Indirekt erfuhr ich, dass sich die als rätoromanische Elite firmierenden Bernfahrer wenig an den rätoromanischen Presseerzeugnissen erwärmen können und auch von den personellen Besetzungen für diese Publikation durch die Verlage nicht erfreut sind. Präzis: Man hätte gerne andere und selbstverständlich bessere Leute.

 

Es ist nicht übertrieben, wenn man eine solche Zusammenkunft mit dem Begriff Scherbengericht bezeichnet. Die Eliterätoromanen wählen eine andere Sprache. Sie nennen ein solches Treffen «Austausch von Meinungen». Was aus den wenigen Informationen klar wurde: Man war sich einig, dass das, was ist, nicht gefällt. Ob eine Lösung in diesem erlauchten Kreis erarbeitet werden konnte, entzieht sich meiner Kenntnis.

 

Warum zu diesem Gespräch nicht die rätoromanische Presse, aber wohl rätoromanisches Fernsehen und Radio beigezogen wurde, weiss der Himmel. Zumindest hätte man erwartet, dass diese Bevorzugung dazu geführt hätte, den Hörern und Zuschauern wenigstens eine Information über das Berner Treffen in Bild und Ton zukommen zu lassen. Darauf wurde verzichtet. In der italienischen, französischen oder deutschsprachigen Schweiz wäre eine solche Übung schlicht nicht möglich gewesen. Dass sich Fernsehen oder Radioleute mit Parlamentariern und Verwaltung und übrigen Interessierten über die Presse hergemacht hätten, wäre undenkbar.

 

Ich habe lange gewartet, ob ich auf das Schreiben, das ich mit Martin Cabalzar an die Lia Rumantscha am 19. Dezember schrieb, irgendwann eine Antwort erhalten würde. Als ich dann merkte, dass man die Dinge wirklich geheim halten wollte, habe ich brav im März meine schöne Jubiläumsrede in den Papierkorb geworfen und gesagt, was es zu dieser Sache zu sagen gilt. Wenn schon mit staatlichem Geld ein halbes Hundert sich bevorzugt haltender Rätoromanen in Bern über die rätoromanische Presse diskutieren, dann kann diese Elite auch selbst zeigen, dass sie imstande ist, bessere, gescheitere, interessantere Inhalte unter anderem auch für «La Quotidiana» zu machen. Der Vorteil für die Rätoromanen ist immer noch immens, die schnöde Herstellung und der Vertrieb der Printprodukte werden von anderen gemacht und auch finanziert.

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