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Muss der Verleger der «Gipfel-Zeitung» ins Gefängnis?

In erster Instanz ist «Gipfel-Zeitung»-Verleger Heinz Schneider der mehrfachen Rassendiskriminierung schuldig gesprochen worden. Das Urteil dürfte weitergezogen werden. Es wäre seine zweite einschlägige Verurteilung.

Südostschweiz
04.11.16 - 05:50 Uhr
Politik

von Gion-Mattias Durband

Das Bezirksgericht Prättigau/Davos hatte sich gestern mit drei Beiträgen zu befassen, die zwischen 2013 und 2015 im Gratisblatt «Gipfel-Zeitung» erschienen waren: In einem wurde eine Wildschweingruppe implizit mit Muslimen verglichen («Sie tragen keine Kopftücher … keine Messer … gehen nicht in fremde Häuser … aber: Auf die darf geschossen werden»).

Ein zweiter Beitrag gleichen Kalibers – «Ich ging mit meinem Hund zum Sozialamt» – richtete sich gegen Dunkelhäutige. Zu guter Letzt ging es um einen Leserbrief, in dem afrikanische und muslimische Asylsuchende explizit mit Tieren gleichgesetzt wurden. In allen Fällen kam die Staatsanwaltschaft Graubünden zum Schluss: Die betroffenen Personengruppen wurden in «gegen die Menschenwürde verstossender Weise herabgesetzt».

Entsprechend sei «Gipfel-Zeitung»-Verleger Heinz Schneider wegen mehrfacher Rassendiskriminierung zu verurteilen. Auch die angebliche Leserbriefschreiberin sei wegen Rassendiskriminierung schuldig zu sprechen.

«Grenzwertiges» fürs Echo

Nein, «selbstverständlich» würde er besagte Beiträge heute nicht mehr veröffentlichen, beteuerte Schneider. Die Beiträge seien unter Zeitdruck ins Blatt genommen und «zu wenig gelesen» worden, «ein redaktioneller Fehler». Manchmal müsse man aber «Grenzwertiges produzieren», um «ein Echo» zu erhalten. Er wolle sich künftig aber für die redaktionelle Arbeit «mehr Zeit nehmen», gelobte Schneider.

Die angebliche Leserbriefschreiberin stritt ab, den Brief verfasst zu haben. Sie habe einen im Umlauf befindlichen «Bericht einer Ärztin» an Schneider weitergeleitet – «man muss die Leute aufklären, was da läuft.» Als Leserbrief – und unter ihrem Namen – sei das nicht gedacht gewesen.

Die fraglichen Tiervergleiche stellten nur Metaphern dar, argumentierte Schneiders Anwalt. Die Veröffentlichung der Beiträge als «Generalisierung von bestehenden Vorurteilen» sei nicht strafbar. Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts müsse es auch möglich sein, «am Verhalten bestimmter Gruppen Kritik zu üben».

In allen Fällen seien Personengruppen öffentlich wegen ihrer Ethnie oder Religion diskriminiert worden, befand Richterin Patrizia Winkler. Das Urteil: 60 Tagessätze à 60 Franken auf Bewährung und 700 Franken Busse oder sieben Tage Haft für Schneider und 20 Tagessätze à 120 Franken auf Bewährung und eine Busse von 300 Franken oder drei Tage Haft für die vermeintliche Leserbriefschreiberin.

Für Schneider wäre es nach 2013 die zweite einschlägige Verurteilung. Man werde den Weiterzug ans Kantonsgericht anmelden, kündigte Schneiders Anwalt an.

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